Großkundgebung anlässlich des gescheiterten Putschversuchs in der Türkei mit rund 30.000 Erdogan-Anhängern in Köln. (Foto: Imago/C. Hardt/Future Image)
Loyalitätsdebatte

Verwunderung über Integrationsbeauftragte

Die Bundeskanzlerin fordert die türkischstämmigen Menschen in Deutschland zu mehr Loyalität mit der Bundesrepublik auf - und erntet überraschenden Widerspruch aus der SPD. Für die CSU ist dieser Widerspruch unverständlich.

Eigentlich ist es wenig verwunderlich, wenn die Regierungschefin eines Landes die hier lebende Bevölkerung dazu aufruft, dem Staat gegenüber Loyalität zu zeigen. Angela Merkel hat das getan. In einem Interview mit den Ruhr Nachrichten sagte die Kanzlerin: „Von den Türkischstämmigen, die schon lange in Deutschland leben, erwarten wir, dass sie ein hohes Maß an Loyalität zu unserem Land entwickeln.“

Integrationsbeauftrage widerspricht

So weit, so unbestritten. Jetzt aber kommt doch Widerspruch – und das überraschenderweise aus der eigenen Koalition. Ausgerechnet die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, hat den Loyalitätsaufruf von der Kanzlerin kritisiert. Sie sieht darin eine Pauschalverurteilung der Türkischstämmigen als illoyal. Eine deutliche Mehrheit der Türkischstämmigen fühle sich „unserem Land zugehörig“, sagte die SPD-Politikerin der Funke Mediengruppe. „Wir sollten daher diesen Menschen nicht pauschal Loyalitätskonflikte unterstellen.“

Jüngste Entwicklungen geben Anlass zur Sorge

Tatsächlich aber sprechen die Zahlen jener Türkischstämmigen, die sich mit der Loyalität zu dem Land, in dem sie leben, eher schwer tun, eine andere Sprache. So hatten vor wenigen Wochen mehr als 30.000 Menschen mit türkischen Wurzeln – unter ihnen auch sehr viele mit deutschem Pass – in Köln für den umstrittenen türkischen Präsidenten Erdogan und dessen Partei AKP demonstriert. Auch bei den türkischen Parlamentswahlen stimmten 59,7 Prozent der dort auch wahlberechtigten Deutschtürken für die AKP Erdogans, weitere gut 7 Prozent für die nationalistische MHP. Zwei Drittel zeigten damit sehr deutlich, welchem Land ihre Loyalität gilt.

Scheuer: „Özoguz als Regierungsmitglied fehl am Platz“

Aus der CSU kommt daher deutliche Kritik an den Äußerungen der Integrationsbeauftragten. Generalsekretär Andreas Scheuer sagte, die Kanzlerin habe mit ihrer Forderung absolut recht. „Das muss eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein“, stellte Scheuer klar. „Dass gerade von Özoguz, der Integrationsbeauftragten im Kanzleramt, Widerspruch kommt, ist eine Bankrotterklärung“, so der Generalsekretär. Özoguz sei nach dieser Äußerung als Regierungsmitglied im Kanzleramt „fehl am Platz“.

Wer einen deutschen Pass hat, muss auch loyal zu unserem Land sein.

Andreas Scheuer

Die SPD-Politikerin verstehe sich scheinbar mehr als „Ausgrenzungsbeauftragte“ statt als Integrationsbeauftragte, kritisierte Scheuer. Für ihn und seine Partei sei jedenfalls klar: „Wer einen deutschen Pass hat, muss auch loyal zu unserem Land sein.“

Wenn die SPD verbieten wolle, „dass wir von Türken mit deutschem Pass Loyalität zu unserem Land einfordern“, sei das beschämend, so der CSU-Politiker – der auch sogleich einen Nutznießer der Özoguz-Äußerungen sieht: „Erdogan sagt Danke“, stellte Scheuer fest. Für jene Türkischstämmigen, die sich nicht zur Bundesrepublik bekennen wollen, gibt es nach Ansicht des CSU-Mannes nur eine Lösung: „Wer die Loyalität zu Deutschland nicht aufbringen will, kann seinen Doppelpass ja freiwillig zurückgeben.“

Özoguz in schlechter Gesellschaft

In welche Gesellschaft sich Özoguz mit ihrer Aussage begeben hat, zeigte die Erklärung des AKP-Politikers Mustafa Yeneroğlu, Vorsitzender des Menschenrechtsausschusses der Großen Nationalversammlung der Türkei. „Forderungen nach Loyalität sind Wasser auf die Mühlen von Rechtspopulisten. Die darin enthaltene Unterstellung ist unbegründet und kontraproduktiv. Sie entfremdet“, sagte Yeneroğlu. „So lässt sich Populismus auf dem Rücken von Minderheiten aber nicht bekämpfen. Im Gegenteil, indem man rechte Positionen übernimmt, legitimiert man sie.“ Dass jemand aus einer Partei, die in der Türkei die Kurden mit allen Mitteln bis hin zum Krieg bekämpft und andere Minderheiten wie Christen und Aleviten diskriminiert, von „Populismus auf dem Rücken von Minderheiten“ spricht, überrascht in Erdogans Türkei kaum noch jemanden. Yeneroğlu will aber den innertürkischen Zwist auch exportieren und erklärte weiter: „Anstatt Türkeistämmige unter einen unzulässigen Generalverdacht zu stellen, wäre es dringend notwendig, sich auf wirklich problematische Gruppierungen in Deutschland zu konzentrieren. Wir beobachten mit Verwunderung, wie frei und ungehindert PKK-Aktivisten auf Deutschlands Straßen und öffentlichen Plätzen Propaganda für verbotene Terrororganisationen betreiben dürfen. Deren Loyalität zu Deutschland scheint niemand in Frage zu stellen.“