Droht ein russischer Angriff? Ukrainische Truppen wurden in Alarmbereitschaft versetzt. (Bild: Imago/Zuma Press)
Truppenbewegungen

Droht russischer Angriff auf die Ukraine?

Plant der russische Autokrat Putin einen weiteren Angriff auf die Ukraine? Die Anzeichen dazu verdichten sich. Nachdem bereits am Montag die Bild-Zeitung über russische Truppenbewegungen auf der Krim berichtete und Russland Vorwürfe wegen angeblicher ukrainischer Anschläge erhob, hat nun der ukrainische Präsident Poroschenko seine Truppen in Alarmbereitschaft versetzt.

Am Mittwoch hatte die Bild-Zeitung mit mehreren Fotos und Videos russische Truppenbewegungen und Hubschrauberflüge auf der Krim nachgewiesen. „Züge voller Militärfahrzeuge in Richtung russisch-besetzter Krim, russische Armeekonvois in Richtung Grenze der Ukraine“, meldete das Blatt mit den entsprechenden Bildern. „Ich möchte sie darüber informieren, dass wir direkt an der Grenze Manöver des Feindes mit schwerem militärischen Gerät beobachten“, soll die ukrainische Armeeführung in Kiew erklärt haben.

Die (russischen) Besatzungstruppen könnten in jeder Minute, in jeder Stunde einen Angriff jeder Größenordnung beginnen.

Andrij Lysenko, ukrainischer Armee-Sprecher

Weiter berichtete die Bild über die Sperrung von drei der vier Grenzübergänge zwischen der Ukraine und der russisch-besetzten Krim sowie eine teilweise Internet-Abschaltung auf der Krim auf „amtliche Anordnung“ hin. Auch hätten die russischen Behörden die Menschen aufgefordert, nicht mehr die Fährverbindung zur Krim zu Nutzen, angeblich wegen „Überfüllung“.

Angeblich ukrainische Anschläge auf der Krim

Am Tag darauf folgten Vorwürfe des russischen Autokraten über angebliche ukrainische Anschlagspläne auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim, die einen Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB und einen Soldaten das Leben gekostet hätten. Mehrere ukrainische und russische Staatsbürger seien festgenommen worden. Sie hätten auch mit Panzern versucht, auf die Krim zu gelangen, erklärte der FSB, der unter anderem auch für den Grenzschutz zuständig ist. Die Berichte wies der ukrainische Präsident Petro Poroschenko vehement zurück als „genauso zynisch und verrückt wie die Behauptung, es stünden keine russischen Truppen in der Ostukraine“. Die „russischen Fantasien“ seien nur ein Vorwand für mehr militärische Drohungen gegen die Ukraine. Die Ukraine verurteile Terrorismus in jeder Form und werde Terror auch niemals einsetzen, um die Krim zu befreien. Es werde Russland nicht gelingen, die internationalen Sanktionen auszuhebeln, indem es das Ansehen der Ukraine mit solchen Vorwürfen beschädigen wolle. Er erwarte, dass Russland die Vereinbarungen des Minsker Friedensabkommens einhalte. Poroschenko rief in der eskalierenden Situation die internationale Gemeinschaft um Beistand an. Er beauftragte das Außenministerium, Gespräche mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Staatschef Francois Hollande, US-Vizepräsident Joe Biden und EU-Ratspräsident Donald Tusk zu vereinbaren.

Ein ukrainischer Angriff wäre wegen der militärischen Unterlegenheit sinnlos.

Auch das Verteidigungsministerium in Kiew wies jede Beteiligung an den angeblichen Vorfällen zurück. Die Vorwürfe seien „der Versuch, die Umgruppierungen und das aggressive Vorgehen der Militäreinheiten der Russischen Föderation auf der Halbinsel zu rechtfertigen“. Ein Panzerangriff aus der Ukraine erscheint auch für neutrale Beobachter wegen der großen militärischen Unterlegenheit der Ukrainer als völlig sinnlos und daher komplett unrealistisch. Ein Berater des Chefs des ukrainischen Geheimdienstes SBU, Juri Tandit, sagte der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine, die Ukraine habe gar nicht die Absicht, das Gebiet „mit Gewalt“ zurückzuerobern. Das werde sie auch niemals tun.

Putin droht mit „Gegenmaßnahmen“

Dennoch drohte Putin mit „Gegenmaßnahmen“. Die Erkenntnisse des russischen Geheimdienstes FSB seien eine „sehr alarmierende Neuigkeit“, sagte er russischen Nachrichtenagenturen. Der Tod der beiden Russen werde nicht ungesühnt bleiben. Putin sprach von einem „dummen und gefährlichen Spiel“ und sagte zu, „alles für die Sicherheit der Krim“ zu tun. Angesichts des Angriffsversuchs sei es sinnlos, mit der Führung in Kiew Gespräche über eine Friedensregelung für den abtrünnigen Osten der Ukraine zu führen.

Am Donnerstag hat Kreml-Chef Wladimir Putin zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen auf der Krim angeordnet. Sie sollten „zu Lande, im Wasser und in der Luft“ umgesetzt werden, hieß es in einer vom Kreml veröffentlichten Erklärung des Präsidenten, der mit dem Nationalen Sicherheitsrat getagt hatte.

Ein neues „Gleiwitz“ als Kriegsvorwand?

Das ganze erinnert an düstere Vorbilder wie den vorgetäuschten „Überfall auf den Sender Gleiwitz“, den die Deutschen vortäuschten, um 1939 Polen angreifen zu können. Oder den höchstwahrscheinlich getürkten, provozierten oder hochgespielten „Zwischenfall im Golf von Tonkin“, mit dem die Amerikaner 1964 in den Vietnamkrieg einstiegen. Das sieht offenbar auch Poroschenko so, der die Behauptungen Putins „als zynischen Vorwand für militärische Aktionen“ bezeichnete. „Es ist wichtig festzuhalten, dass es für die Behauptungen der russischen Behörden bislang keine unabhängige Bestätigung gibt“, sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Sie wies darauf hin, dass die OSZE-Beobachter keinen Zugang zu der von Russland seit 2014 völkerrechtswidrig besetzten Krim hätten. Ähnlich äußerte sich die US-Regierung.

Ukrainische Truppen in Kampfbereitschaft versetzt

Droht nun ein weiterer russischer Angriff, etwa um das angestrebte Ziel einer Landverbindung Russlands zur Krim zu erreichen? Dies könnte neben strategischen Aspekten die Kosten, die Russland durch die Besetzung der Krim hat, deutlich reduzieren. Oder ist es nur ein weiteres Spiel mit dem Feuer, das Putin so gerne betreibt, vielleicht um die Ukraine zu diskreditieren? Die vereinbarte Waffenruhe in der Ostukraine ist ohnehin seit Beginn sehr brüchig. Täglich sterben dort durch meist russischen Beschuss Zivilisten und Soldaten. Und der Westen ist gelähmt und zeigte keine Neigung, sich neben den Sanktionen für die Ukraine einzusetzen.

Die Ukraine reagiert nun auf die beunruhigenden Anzeichen eines neuen russischen Angriffskrieges: Der ukrainische Präsident Poroschenko hat die Truppen an der Grenze zur Krim und zur Ostukraine in höchste Kampfbereitschaft versetzt. Das gab der Staatschef bekannt. Nach Angaben des Generalstabes gab es zudem bereits seit Mittwoch ukrainische Manöver im Süden des Landes. Sie seien allerdings schon länger geplant gewesen.