Rentendiskussion: Ist Altersarmut nur ein Trugbild? (Bild: Imago/C.Hardt/Future Image)
Rente

„Alles andere wäre ungerecht“

Interview Altersarmut verhindern, das ist eines der zentralen Ziele der Staatsregierung. Dazu muss es nach ihrer Ansicht Änderungen am Rentenkonzept geben, Mit Joachim Unterländer, Landesvorsitzender der CSA Bayern und sozialpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Landtag, sprach der Bayernkurier über das künftige Rentensystem.

Bayernkurier: Die Staatsregierung hat in St. Quirin ihre vier Eckpunkte für Änderungen an der Rente publik gemacht. Als Erstes die gleiche Mütterrente auch für die Frauen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Wieso ist das aus Ihrer Sicht notwendig?

Joachim Unterländer: Es ist ein Gebot der Gerechtigkeit, das Mütter für Geburten vor 1992 die gleichen Rentenansprüche erhalten wie danach. Darüber hinaus ist dies eine wichtige Initiative zur Vermeidung von Altersarmut und der gesellschaftlichen Anerkennung von Erziehungsleistungen.

Bayernkurier: Punkt 2 ist die bessere private Vorsorge, indem man die Riesterrente mehr fördert und unkomplizierter macht. Der VdK Bayern kritisiert, dies habe sich gerade für kleine und mittlere Einkommensbezieher nicht bewährt. Ist das korrekt?

Unterländer: Nicht ganz. Die bisherige Riester-Förderung berücksichtigt in der Tat zu wenig die Situation von Beziehern eines geringen oder mittleren Einkommens. Die Lage im Sinne der Attraktivität könnte aber verbessert werden, wenn die Förderung erhöht und unkomplizierter würde.

Bayernkurier: Die Absenkung des Rentenniveaus auf 43 Prozent bis 2030 soll beibehalten werden, im Gegenzug die private Vorsorge verbessert werden. Schon kommen aus dem linken Parteienspektrum, aber auch aus dem Sozialverband VdK Bayern, erste Vorschläge, das Niveau wieder auf über 50 Prozent anzuheben. Diese Politiker beantworten eine Frage dabei nicht: Wer soll das bezahlen? Der VdK Bayern immerhin will den Einbezug aller Arbeitnehmergruppen, inklusive von Beamten und Selbständigen, in die Rente, um die Einnahmenseite zu stabilisieren.

Unterländer: Die Senkung des Rentenniveaus berücksichtigt die Lebensleistung der Beschäftigten zu wenig und würde ohne Änderung einen weiteren Schub in Richtung Altersarmut geben. Auf der anderen Seite dürfen sich die Perspektiven gerade auch für die jüngeren Generationen in der von uns gewollten solidarischen Rentenversicherung nicht bis hin zu fehlender Akzeptanz verschlechtern. Deshalb plädiere ich für eine Stabilisierung des Rentenniveaus unter Einbeziehung von Steuermitteln.

Bayernkurier: Laut Eckpunkt Nummer drei von St. Quirin wird die solidarische Lebensleistungsrente von der Staatsregierung abgelehnt, weil sie mit rund 100.000 Menschen zu wenig Personen erreiche. Dies ist im Berliner Koalitionsvertrag aber beschlossen. Wie will sich die CSU hier durchsetzen? Was bietet sich als Alternative an?

Unterländer: Dieses vorhandene Konzept hätte eine Abkehr von der Einkommensbezogenheit zur Folge und würde keinen Unterschied zwischen denen machen, die auf eine Verbesserung des Rentenniveaus angewiesen sind, und denjenigen, für die dies nur einen netten Mitnahmeeffekt bedeuten würde. In einem Gesamtkonzept mit gleicher Mütterrente für alle, der korrekten Einbeziehung der Solo-Selbständigen und der Beseitigung der Benachteiligung bei der Erwerbsunfähigkeit ließen sich viele Ursachen der Altersarmut präventiv vermeiden. Ich habe aber grundsätzlich Sympathie für die VdK-Forderung nach der Wiedereinführung einer Rente nach Mindesteinkommen.

Bayernkurier: Punkt vier: Die bedingungslose Grundsicherung im Alter lehnt der Freistaat ab. Wer weniger als die Hälfte seines Lebens in Deutschland gewohnt und gearbeitet hat, soll nach dem Willen der Staatsregierung weniger bekommen. Wie genau ist das gemeint?

Unterländer: Die Ungerechtigkeit in der Grundsicherung erfolgt dadurch, dass die Lebensleistung nicht berücksichtigt wird und jemand, der nur kurz hier ist, nicht die selben Elemente der Grundsicherung erhalten sollte wie derjenige, der hier viele Jahre wegen eines geringeren Einkommens auch Grundsicherung erhält. Alles andere wäre und ist ungerecht.

Bayernkurier: Der von der SPD-Politikerin Ulrike Mascher geführte VdK Bayern wendet gegen Punkt vier ein, dass es keine Armen erster und zweiter Klasse geben dürfe. Man sei für eine solidarische Gesellschaft und dürfe nicht Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausspielen. Wie sehen Sie das?

Unterländer: Ich sehe das wegen des unbedingt notwendigen Bezugs zur Lebensarbeit und aus Gerechtigkeitsgründen anders. Eine solidarisches Alterssicherungssystem bedarf der Akzeptanz der Bevölkerung.

Bayernkurier: Laut VdK gelten 525.000 Bezieher einer gesetzlichen Altersrente in Bayern als armutsgefährdet (26,6 Prozent). Ein Viertel der Rentner im reichen Bayern? Sind diese Zahlen korrekt? Laut anderslautenden Informationen betrifft das Thema Altersarmut gerade einmal 3,5 Prozent der Rentner in Deutschland, die Grundsicherung beziehen. Im Gegensatz dazu liegen 15 Prozent der Kinder im Hartz IV-Bereich.

Unterländer: Armutsgefährdung durch niedrige Einkommen und sonstige Bezugsgrößen sind nicht dasselbe wie tatsächlich durch niedrige Alterseinkommen erfahrene Altersarmut. Doch wir müssen alles tun, um die Risiken präventiv vermeiden zu helfen.

Bayernkurier: Bayerns JU-Chef Hans Reichhart hat vorgeschlagen, wie bei der Pflegeversicherung eine Art Kinderbonus bei der Rente einzuführen, der die belohnt, die Kinder haben. Ein guter Vorschlag?

Unterländer: Ich schätze diesen Vorschlag des Landtagskollegen Reichhart wie die meisten. Wenn man jedoch alle geschilderten notwendigen Maßnahmen realisiert, wird es mit der Finanzierung schwierig. Dies muss bei diesem Vorschlag noch gelöst werden.

Bayernkurier: Rentengeschenke, so wird kritisiert, dienen nur der Wählerberuhigung – weil Ältere eher zur Wahl gehen als Junge – und belasten die nachfolgenden Generationen. Die Zahl der Rentner steigt, die der Beitragszahler sinkt. Aber alles, was man ausgibt, muss man vorher erwirtschaften. Wie soll das funktionieren?

Unterländer: Zweifellos ist die Vermeidung der Altersarmut eine der größten sozialpolitischen Herausforderungen. Es ist aber notwendig, sich die Beitragsbemessungsgrenzen und den Anteil der steuerfinanzierten Komponenten in der Rente genau anzusehen.

Bayernkurier: Stichwort Renteneintrittsalter. Die Bundesregierung hat jetzt eine Flexibilisierung beschlossen. Ist das aus Ihrer Sicht die richtige Entscheidung?

Unterländer: Es ist nicht einzusehen, dass der Renteneintritt nur per Gesetz geregelt wird. Die Zeitsouveränität in einer flexiblen Gesellschaft ist dringend geboten. Ich begrüße diese Änderung sehr und würde sie noch ausdehnen.

 

Das Interview führte Andreas von Delhaes-Guenther.