Die Kritik an dem Türkeiabhängigen Islamverband wächst: Ditib-Moschee in Duisburg - Marxloh. (Bild: Imago/Reichwein)
AKP-Treue

Kritik an Islamverband Ditib wächst

In Deutschland mehren sich die Forderungen, den Einfluss des Türkei-nahen Islamverbandes Ditib zurückzudrängen, insbesondere beim Islamunterricht. Experten sehen eine zu große Nähe des Verbandes zur türkischen Regierung. Die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach warnte vor einer Unterwanderung der Parteien.

Angesichts der politischen Turbulenzen in der Türkei behält sich das hessische Kultusministerium Konsequenzen für den islamischen Religionsunterricht vor. In der Kritik steht dabei die türkisch-islamische Dachorganisation Ditib (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) und deren Mitarbeit an der Gestaltung des Religionsunterrichts in mehreren Bundesländern.

Gegenwärtig gebe es zwar keinen Einfluss des türkischen Staates auf den Unterricht, sagte ein Sprecher des hessischen Schulministeriums am Mittwoch in Wiesbaden. Man beobachte die Entwicklungen in der Türkei aber mit großer Sorge. „Sollte jedoch auf unsere Lehrkräfte und die Unterrichtsinhalte Einfluss genommen werden, so würden wir umgehend einschreiten und die Zusammenarbeit mit Ditib Hessen beenden.“ Hessen hatte 2013 den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht eingeführt, Kooperationspartner ist auch Ditib. Auch Rheinland-Pfalz kündigte an, weitere Verhandlungen über den dort geplanten Islamunterricht mit dem Verband kritisch zu prüfen. 2012 war bereits in Nordrhein-Westfalen der bekenntnisorientierte islamische Religionsunterricht als reguläres Fach eingeführt worden. Von dort gab es bisher keine Äußerung.

Ditib abhängig von türkischer Regierung

Die Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter, Direktorin des „Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam“, hatte zuvor die hessische Landesregierung aufgefordert, ihre Zusammenarbeit mit Ditib beim Religionsunterricht zu überdenken. Die Organisation sei „strukturell, finanziell und ideologisch abhängig“ von Diyanet, der türkischen Religionsbehörde, die wiederum unmittelbar dem türkischen Ministerpräsidenten unterstellt sei, sagte Schröter der Frankfurter Neuen Presse.

Durch diese Predigten, die oft einen explizit politischen Charakter besitzen, wird die Propaganda der türkischen Regierung in die Moscheen exportiert.

Susanne Schröter, Islamwissenschaftlerin

Es existiere eine direkte Einflusskette. In allen wichtigen Ditib-Gremien seien Vertreter von Diyanet und Religionsgesandte der türkischen Regierung vertreten, so Schröter. Nach ihren Angaben werden alle Ditib-Imame von der türkischen Religionsbehörde Diyanet ausgebildet, für einen begrenzten Zeitraum nach Deutschland entsandt und bezahlt. Die Freitagspredigten würden aus Ankara geliefert und in den deutschen Ditib-Moscheen verlesen. „Durch diese Predigten, die oft einen explizit politischen Charakter besitzen, wird die Propaganda der türkischen Regierung in die Moscheen exportiert.“ 2013 sei Ditib noch eine moderate Organisation gewesen, sagte Schröter. Doch gerade die hessische Ditib habe sich durch den Einfluss der Türkei stark verändert.

Aus der CSU war zuletzt die Forderung gekommen, die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland zu stoppen. Dies würde insbesondere die rund 900 Ditib-Moscheen in Deutschland treffen.

Bayern: Keine Kooperation mit Ditib

Der Freistaat zeigt, dass man gar nicht mit Ditib kooperieren muss. Im Rahmen des Modellversuchs „Islamischer Unterricht“ bestehen in Bayern keinerlei Kooperationen mit Ditib, teilte das Schulministerium dem Bayernkurier mit. „Bayern geht beim Islamunterricht einen bundesweit einmaligen Weg“, so der stellvertretende Pressesprecher Henning Gießen. In dem Modellversuch, der zum Schuljahr 2009/10 eingeführt und im Sommer 2014 um weitere fünf Jahre verlängert worden ist, werden Schülerinnen und Schüler islamischen Glaubens in staatlicher Verantwortung derzeit an rund 260 Schulen in Bayern unterrichtet. Der Unterricht erfolgt in deutscher Sprache. „Die Inhalte des Islamischen Unterrichts in staatlicher Verantwortung wurden von der Universität Erlangen-Nürnberg gemeinsam mit dem Bayerischen Bildungsministerium unter Einbindung von Eltern erarbeitet und basieren auf dem Fundament des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung“, betonte Gießen. Der Islamische Unterricht nach bayerischem Modell erfülle mehrere pädagogische Funktionen: Er vermittele authentisches Wissen über Glaubensinhalte und unterstütze die jungen Menschen in der Persönlichkeitsbildung.

Die Inhalte des Islamischen Unterrichts in staatlicher Verantwortung wurden von der Universität Erlangen-Nürnberg gemeinsam mit dem Bayerischen Bildungsministerium unter Einbindung von Eltern erarbeitet und basieren auf dem Fundament des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung.

Henning Gießen, Bayerisches Schulministerium

Der Modellversuch wird obendrein vom Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung (ISB) evaluiert. Eine erste zusammenfassende Evaluation für den Zeitraum von 2009 bis 2014 ergab laut dem Ministerium, dass der Islamische Unterricht ein „erfolgreiches Angebot“ für die jungen Menschen darstellt. Er wirke persönlichkeitsbildend und gesellschaftlich-integrativ. Derzeit entwickele eine Lehrplankommission am ISB die Inhalte mit Blick auf die Zielgruppen in den unterschiedlichen Schularten und Jahrgangsstufen weiter.

Das Bayerische Kultusministerium weitet den Modellversuch zum kommenden Schuljahr 2016/17 deutlich aus. Dann wird es dieses staatliche Angebot an rund 400 Schulen im Freistaat geben. Grundlage ist ein Beschluss des Bayerischen Ministerrats, den Modellversuch bis 2019 zu verlängern, sowie ein Beschluss des Bayerischen Landtags zum Nachtragshaushalt 2016, entsprechende Mittel bereitzustellen.

Sogar Grünen-Chef Özdemir warnt

Auch der türkischstämmige Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte der Bild-Zeitung, Ditib gehe es in erster Linie um Politik und nicht um Religion. Es dürfe nicht zugelassen werden, dass Erdogan über Ditib seine konservativ islamische Ideologie an deutschen Schulen verbreite. Auch Özdemir forderte deshalb, den Einfluss des Islamverbandes auf den Religionsunterricht zurückzudrängen. Ein guter islamischer Religionsunterricht an Schulen sei wichtig, „aber bitte mit den Werten unseres Grundgesetzes und nicht als Erdogan-Staatsbürgerkunde unter dem Deckmantel der Religion“, so Özdemir. Ditib müsse sich vom Einfluss aus der Türkei loslösen und dürfe „nicht zum verlängerten Arm der (türkischen Regierungspartei) AKP werden“.

Die Türkei muss die Muslime endlich freigeben.

Cem Özdemir, Grünen-Chef

Der Welt am Sonntag sagte Özdemir, in Ditib-Moscheen gebe es zwar viele engagierte Gemeindemitglieder, die „tolle Arbeit“ leisteten. Ankara mache Ditib aber immer mehr zu einer politischen Vorfeldorganisation der regierenden AKP. Er forderte: „Die Türkei muss die Muslime endlich freigeben.“

Ditib-Sprecher Zekeriya Altug wies die Vorwürfe in der ARD als „absurde Unterstellungen“ zurück. Ditib sei in verschiedenen Bundesländern von unabhängigen Wissenschaftlern begutachtet worden. Die Gutachten bescheinigten eine für den Religionsunterricht nötige Unabhängigkeit.

Steinbach fordert Anti-Scharia-Erklärung für CDU-Neumitglieder

Die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach, zugleich menschenrechtspolitische Sprecherin der Partei, forderte besondere Hürden für den Eintritt von Bürgern islamischen Glaubens in ihre Partei. „Muslimische Neumitglieder müssen nach meiner festen Überzeugung eine Anti-Scharia-Erklärung unterschreiben“, sagte Steinbach der Huffington Post. Sie sollten versichern, dass die islamische Rechtsprechung nicht über dem Grundgesetz stehe und sie keiner Organisation angehören, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Dies erleichtere auch einen möglichen späteren Parteiausschluss.

Muslimische CDU-Neumitglieder müssen nach meiner festen Überzeugung eine Anti-Scharia-Erklärung unterschreiben.

Erika Steinbach

„Ditib, die Grauen Wölfe, Milli Görüs, UETD und andere schicken vor allem junge Muslime in die Parteien. Sie sollen sich dort engagieren, um Schritt um Schritt Einfluss zu gewinnen“, warnte Steinbach. „Unabhängig von der noch relativ geringen Zahl islamistisch geprägter Mitglieder ist zu erkennen, dass die Zahl steigt“, sagte die frühere Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Sie fürchte, „dass Menschen Mitglieder der CDU sind oder werden, die unsere fundamentalen Werte, für die die CDU einsteht, nicht teilen“. Dazu gehörten das christliche Menschenbild und Rechtsstaatlichkeit.

Steinbach untermauerte ihre Forderung mit vier Argumenten:

  • „Der entlarvende Satz von Erdogan: ’Demokratie ist der Zug auf den wir steigen, bis wir am Ziel sind’ zeigt die Strategie des fundamentalistisch geprägten Islam auf“, so die CDU-Politikerin. Diesen Satz äußerte Erdogan bereits 1998 und wurde dafür zu einer Haftstrafe verurteilt und eigentlich mit lebenslangem Politikverbot belegt. Letzteres ließ er nach seinem Wahlsieg 2002 aufheben.
  • Steinbach verwies zudem auf Studien, nach denen „nahezu 40 Prozent der bereits hier aufgewachsenen Muslime die Scharia und den Koran über das Grundgesetz und unsere Gesetze stellen“. In Wahrheit sind es sogar 47 Prozent gewesen.
  • Hinzu kommen laut Steinbach viele muslimische Migranten, „die in Ländern sozialisiert wurden, in denen die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen nur unter dem Vorbehalt der Scharia gilt“.
  • Die CDU-Politikerin widersprach auch gleich dem regelmäßig erhobenen Vorwurf gegen Islamkritiker, man wolle Muslime unter Generalverdacht stellen: „Einen erheblichen Teil meiner Informationen habe ich durch säkular geprägte Muslime erhalten, die meine Sorgen teilen.“

Ihr pflichtete auch der Sprecher des christlich-alevitischen Freundeskreises der CDU, Ali Yildiz, bei. Er plädierte für ein strengeres Parteiausschlussverfahren. „Es sollte ein neues Gremium in der CDU geschaffen werden, dem rassistische Vorfälle oder Versuche der Einflussnahme durch verfassungsfeindliche Gruppierungen und Personen gemeldet werden können“, sagte er ebenfalls der Huffington Post. Bisher müssten Parteiausschlussverfahren immer über den Kreis-, Landes- oder Bundesvorstand laufen.

Unterwanderung der Parteien?

Bei einem Eintritt in die CDU ist die Angabe der Religion allerdings nicht verpflichtend, sondern nur freiwillig. Vor diesem Hintergrund gibt es auch keine genaue Zahl muslimischer Mitglieder. Migranten aus dem CDU-Netzwerk „Union der Vielfalt“ hatten zuletzt in einem offenen Brief an die Parteiführung vor einer Einflussnahme der türkischen Regierungspartei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf die Union gewarnt, wie die Bild am Sonntag berichtete. CDU-Generalsekretär Peter Tauber betonte daraufhin, seine Partei stehe auch Menschen nicht-christlichen Glaubens offen. „Was nicht geht: Unter dem Dach der CDU Meinungsverschiedenheiten innerhalb von Religionen auszutragen.“ Er fügte hinzu: Was alle Christdemokraten einen müsse, sei „die Loyalität und Liebe zu Deutschland“.

Auch aus der SPD und der CSU waren in den vergangenen Jahren wiederholt Berichte über den Eintritt von AKP- oder Gülen-treuen Türken bekannt geworden. Der bayerische Integrationsbeauftragte Martin Neumeyer hatte solche Berichte aus den Parteien dem Bayernkurier gegenüber bestätigt.

Ditib fällt immer wieder negativ auf

Sogar an der absurden Erdogan-Jubel-Demonstration in Köln war Ditib beteiligt. In einer bei der Kundgebung verlesenen Erklärung hieß es, man versammle sich, um für „Rechtsstaatlichkeit, Einheit, Frieden und Unabhängigkeit einzustehen“. Die Erklärung haben laut den Initiatoren, der AKP-nahen Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD), rund 100 Organisationen unterzeichnet, darunter auch der türkisch-islamische Dachverband Ditib und die Türkisch-Deutsche Industrie- und Handelskammer. „Alle Staaten, Organisationen, Parteien und (…) Politiker der Welt“ wurden aufgefordert, „solidarisch zum türkischen Volk“ und der Regierung in Ankara zu stehen. Letzteres ist aber für echte Demokraten eine äußerst zweifelhafte Forderung.

970 aus der Türkei entsandte Imame in Deutschland

In deutschen Moscheen predigen laut einem Zeitungsbericht derzeit rund 970 Imame, die von der türkischen Religionsbehörde entsandt worden sind. Ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland liege in der Regel bei fünf Jahren. Das schrieb die Welt am Sonntag unter Berufung auf die Ditib. Die Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Neukölln, Franziska Giffey (SPD) sagte der gleichen Zeitung, sie sehe es kritisch, „wenn Moscheevereine fremdgesteuert sind und dort Imame predigen, die nicht nach dem deutschen Werteverständnis ausgebildet und nicht hier aufgewachsen sind“.

Auch die Deutschlandweit verlesene Predigt in den Ditib-Moscheen direkt nach dem Putsch wurde als viel zu regierungstreu kritisiert. Unkritisch übernahm man die Vorwürfe Erdogans gegen die dubiose Gülen-Bewegung, die er für den Putsch verantwortlich macht – ohne dass es dafür zu diesem Zeitpunkt echte Beweise oder ein Bekenntnis Gülens gab. Seit 40 Jahren würden „Körner der Aufwiegelei, Aufruhr und Feindschaft“ gesät, hieß es in der Predigt über die „unselige Struktur“, Erdogans Name für die Gülenisten.

(dpa/ARD/Bild/Welt/avd)