Der Attentäter von Ansbach bekam vor seinem Anschlag offenbar Anweisungen aus dem Nahen Osten. Das berichtete Bayerns Innenminister Joachim Herrmann im Zuge der Kabinettsklausur der Staatsregierung in St. Quirin am Tegernsee. Woher die Anweisungen genau kamen, konnte Herrmann noch nicht sagen. Die Ermittler kennen derzeit auch nicht die Person, um die es geht, sagte der CSU-Politiker.
Herrmann hatte bereits am Tag zuvor erklärt, es gebe Hinweise, dass der 27-jährige Syrer noch kurz vor der Explosion einer Bombe in seinem Rucksack über einen Internet-Chat in Kontakt mit einem Unbekannten gestanden habe. Jetzt präzisierte Herrmann: Unmittelbar vor dem Anschlag habe der Unbekannte dem Täter konkrete Anweisungen gegeben, was er tun solle, wie er sich verhalten solle.
„Der Gesprächspartner wusste genau, worum es geht“, sagte Herrmann. Er habe beispielsweise gewusst, dass der 27-Jährige Sprengstoff dabei hatte. Als dieser von Sicherheitsleuten in der Nähe des mutmaßlichen Anschlagsziels, einem Musikfestival, berichtet habe, habe der Unbekannte gesagt, er solle sich ein Schlupfloch suchen oder einfach durchgehen.
Ganz maßgeblicher Einfluss auf das Agieren dieses Täters.
Joachim Herrmann
Auf Nachfragen, ob es sich um einen Kontakt zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehandelt haben könnte oder ob der Attentäter möglicherweise sogar ganz gezielt nach Deutschland eingeschleust worden sei, konnte Herrmann noch nichts sagen. Dies sei Gegenstand der Ermittlungen. Aus dem Chat lasse sich lediglich entnehmen, „dass hier ein anderer Mensch … schon ganz maßgeblichen Einfluss auf das Agieren dieses Täters genommen hat“, erklärte der Minister. In einem im Internet veröffentlichten Nachruf auf den Attentäter hatte die Terrormiliz IS den Anschlag für sich reklamiert.
Versehentliche Zündung der Bombe?
Unklar ist nach den derzeitigen Ermittlungen auch, ob der Attentäter die Bombe tatsächlich in diesem Moment am Sonntagabend zur Explosion bringen wollte. „Es gibt aufgrund der ganzen Zeugenaussagen des Geschehens und übrigens auch des Chat-Verlaufs in der Tat Fragen, ob das in dem Moment jedenfalls von ihm beabsichtigt war, in dieser Minute die Bombe zu zünden“, sagte Herrmann. Wenn das nicht der Fall war, blieben zwei Alternativen offen: Entweder eine versehentliche Zündung der Bombe, etwa durch eine Fehlfunktion, oder eine Fernzündung durch einen Hintermann.
- Hier, genau zwischen Tisch und Fahrradständer, hat sich der Terrorist Mohammad Daleel in die Luft gesprengt und dabei 15 Menschen verletzt. Es handelt sich um den Freibereich einer Gaststätte. Im Hintergrund der Durchgang zur Reitbahn der Ansbacher Residenz, wo Daleel zuvor der Zugang zu dem Popkonzert verwehrt wurde. (Foto: Wolfram Göll)
- In der eigentlich so idyllischen Pfarrgasse in Ansbach hat sich der islamistische Terrorist Mohammad Daleel in die Luft gesprengt. Im Hintergrund der Durchgang zur Reitbahn der Residenz, wo Daleel zuvor der Zugang zu dem Popkonzert verwehrt wurde. (Foto: Wolfram Göll)
- Bei dem islamistischen Selbstmordattentat in Ansbach ist das Schaufenster eines benachbarten Fotostudios zu Bruch gegangen. (Foto: Wolfram Göll)
- In dieser Asylbewerberunterkunft, dem etwas heruntergekommenen ehemaligen Garni-Hotel „Christl“ in der Richard-Wagner-Straße in Ansbach, hat der islamistische Terrorist unter dem Namen Mohammad Daleel gewohnt. (Foto: Wolfram Göll)
- Der angebliche Name des Terroristen, Mohammad Daleel, steht an Position 14 der Bewohnerliste der Asylbewerber-Unterkunft im ehemaligen Garni-Hotel „Christl“ in Ansbach. (Foto: Wolfram Göll)
Auch ein anderes Indiz spricht gegen eine gewollte Selbsttötung: Herrmann bestätigte, dass bei dem 27-Jährigen eine Rolle von 50-Euro-Scheinen gefunden worden sei. „Ich war dabei, wie sie gefunden wurde“, sagte er. „Woher das Geld kommt, können wir heute natürlich noch nicht sagen.“ Er fügte aber hinzu: „Wenn man diese Geldbeträge in bar gesehen hat, dann ist es unwahrscheinlich, dass das allein aus dem, was ein Asylbewerber in Deutschland als Taschengeld bekommt, bezahlt werden kann“, sagte Herrmann und verwies zusätzlich auf die Kosten für die Materialien zum Bombenbau. Um wie viel Geld es sich handelte, konnte Herrmann aber nicht sagen.
Psychologe sah die Gefahr
Bei dem Selbstmord-Attentäter hatte ein psychologischer Gutachter schon Anfang 2015 einen aufsehenerregenden Suizid für möglich gehalten. Der Syrer sei ein „extremer Geist“. Ihm sei „durchaus zuzutrauen, dass er selbst seinen Selbstmord noch spektakulär in Szene setzt“, heißt es in einer Stellungnahme, die für das Asyl-Gerichtsverfahren des späteren Täters erstellt wurde. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bestätigte einen entsprechenden Zeitungsbericht.
Es ist ihm durchaus zuzutrauen, dass er selbst seinen Selbstmord noch spektakulär in Szene setzt.
Psychologische Stellungnahme im Asylverfahren des späteren Attentäters
Der Täter von Ansbach war ein Flüchtling aus Syrien, der bei der von ihm ausgelösten Explosion getötet wurde. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen und prüft, ob er Mitglied in der Terrormiliz IS war. Nach Erkenntnissen der Behörden legt dies ein Bekennervideo auf dem Handy des Mannes nahe. Bei der Explosion am Rande eines Musikfestes wurden am Sonntagabend 15 Menschen verletzt.
Kanzlerin äußert sich am Donnerstag
Nach dem Selbstmord-Anschlag von Ansbach geht es nun um die politischen Folgen. Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am Donnerstag vor der Hauptstadt-Presse erstmals ausführlich zu den Gewalttaten Stellung beziehen. Die CDU-Vorsitzende unterbricht dazu ihren Sommerurlaub.
In Gmund am Tegernsee beriet das bayerische Kabinett über Konsequenzen. Auf jeden Fall soll die Polizei besser ausgestattet werden. Innenminister Herrmann vertritt zudem die Auffassung, dass Abschiebungen in Krisengebiete kein Tabu mehr sein dürften. Nach dem Amoklauf von München streiten außerdem Experten über „Marktplätze“ im anonymen Bereich des Internets. Hintergrund ist, dass der Amokläufer von München nach bisherigen Erkenntnissen seine Waffe im sogenannten Darknet gekauft hatte. Das „Darknet“ (zu deutsch: dunkles Netz) ist ein verborgener Teil des Internet. Der Chaos Computer Club (CCC) warnte allerdings davor, die anonymen Bereiche des Internets zu verteufeln.
(dpa)