Drehen am Steuer-Rad in unterschiedliche Richtung: Grüne Partei-Größen Simone Peter, Winfried Kretschmann, Katrin Göring-Eckhardt und Anton Hofreiter. (Foto: Imago/Wolf P. Prange)
Finanzen

Richtungsstreit der grünen Steuer-Leute

Realo- und Fundi-Flügel bei den Grünen liefern sich eine Debatte um steuerpolitische Forderungen für den nächsten Wahlkampf: Ministerpräsident Winfried Kretschmann lehnt eine Vermögensteuer ab und wirbt für den Kompromiss der schwarz-roten Bundesregierung um die Erbschaftsteuer. Die Partei-Linken Simone Peter und Anton Hofreiter dagegen steuern auf die Besteuerung hoher Privatvermögen zu.

In der steuerpolitischen Debatte bei den Grünen hat sich Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann deutlich entgegen der Linie positioniert, die vor allem linke Vertreter seiner Partei verfolgen. Gegen eine Vermögensteuer und für die von der Großen Koalition in Berlin ausgehandelte Reform der Erbschaftsteuer. Verwaltungstechnisch sei die Besteuerung hoher Vermögen „sehr aufwendig“, sagte Kretschmann in einem Interview mit der Rheinischen Post. „Wir müssten dafür viel zu viel Personal einstellen.“

Vertreter des Fundi-Flügels der Grünen wie die Parteivorsitzende Simone Peter oder der Bundestags-Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter fordern eine Steuer auf hohe Vermögen. „Ein Prozent der Menschen besitzt 32 Prozent des Vermögens in Deutschland“, sagt Hofreiter, „es kann nicht sein, dass dieses Vermögen nicht angemessen an der Finanzierung der Gemeinschaftsaufgaben beteiligt wird.“ Er schlägt einen Steuersatz von einem Prozent jährlich auf private Vermögen von mehr als einer Million Euro und auf Betriebsvermögen von mehr als 5 Millionen Euro vor. Parteichefin Peter vermutet in der Bevölkerung „eine breite Zustimmung zur Einführung etwa einer Vermögensteuer, um der fortschreitenden sozialen Spaltung zu begegnen“.

Wahl-Killer Steuererhöhung

Allerdings erinnert sie sich an die Stimmverluste der Grünen bei der Bundestagswahl 2013, als die Partei mit der Forderung nach einer Erhöhung der Spitzensteuersätze bei der Einkommensteuer Wahlkampf betrieben hatte. Es habe viele Gründe für das von 10,7 auf 8,4 Prozentpunkte gesunkene Wahlergebnis gegeben, sagte Frau Peter der Wochenzeitung Freitag, „nicht nur die Steuerpolitik“. Aber richtig sei: „Wir wurden nicht dafür gewählt, und auch keine andere linke Partei.“

Eigentlich wollten die Grünen nach dieser Erfahrung Steuer-Themen für die nächste Bundestagswahl vermeiden, zumindest bis sie über innerparteilich ausgeklügelte Vorschläge verfügen. Doch seit mehreren Wochen bricht die Diskussion zwischen Realo- und Fundi-Flügel öffentlich auf. Eine Gruppe von sieben eher dem realpolitischen Teil der Partei zuzuordnenden Bundestagsabgeordneten um Ekin Deligöz und Dieter Janecek hatte schon im Juni unter dem Titel „Gerechte Gesellschaft gestalten“ ein Positionspapier veröffentlicht. Darin ist zwar von Veränderungen bei der Einkommensteuer die Rede, untere und mittlere Einkommen müssten entlastet und durch eine „moderate Erhöhung des Spitzensteuersatzes“ kompensiert werden. Dazu gehöre auch eine „verfassungsfeste Vermögensbesteuerung“, welche die Parlamentarier durch eine Grundsteuer und eine „breite aber gleichmäßige Erbschaftsteuer“ umsetzen wollen. Von der Vermögensteuer, wie sie Peter und Hofreiter vorschwebt, ist in dem Papier jedoch keine Rede.

Baden-Württemberg hätte mit dem ausgehandelten Kompromiss der Koalition gut leben können.

Winfried Kretschmann zur Erbschaftsteuer

Der grüne Ministerpräsident Kretschmann geht noch einen Schritt weiter. Er lehnt die Besteuerung von Vermögen ab und kann auch den Widerstand seiner Partei gegen das Verhandlungsergebnis der schwarz-roten Bundesregierung um die Erbschaftsteuer nicht nachvollziehen. „Baden-Württemberg hätte mit dem ausgehandelten Kompromiss der Koalition gut leben können. Wir müssen sehr zügig nach der Sommerpause zu einer Lösung kommen“, mahnt Kretschmann. Hintergrund: Die rot-grün regierten Bundesländer hatten das Gesetzespaket in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Dort will der Regierungschef aus dem Südwesten nun „rechtzeitig zu einer Lösung kommen“. Unternehmen bräuchten Planungssicherheit. „Außerdem wird sonst das Verfassungsgericht selber aktiv. Das wäre eine dramatische Blamage für die Politik“, findet Kretschmann.

Söders Alternative „Bayern-Tarif“

Die widerstrebenden Positionen im linken Parteienspektrum versuchte Bayerns Finanzminister Markus Söder bereits für sein eigenes Steuerkonzept zu nutzen, das er vergangene Woche vorstellte. Grüne und SPD stünden im heraufziehenden Wahlkampf erkennbar für Steuererhöhungspläne, meinte Söder. Sein „Bayern-Tarif“ will die Steuerprogression spürbar abflachen, auf diese Weise untere und mittlere Einkommen um rund 10 Milliarden Euro jährlich entlasten. Der Spitzensteuersatz soll aber bleiben. „Insofern ist eine klare Richtungsentscheidung für die Wähler möglich“, fasste der Finanzminister des Freistaats zusammen. Von einer Vermögensteuer ist in Söders Konzept keine Rede.