Wer wird Zahlmeister?
Die Krankenkassenbeiträge steigen wegen der Reformen im Gesundheitssystem. Und das Defizit verschärft sich durch immer mehr Hartz-IV-Empfänger und die vielen Flüchtlinge. Wer dafür aufkommen soll, darüber streiten Bundesregierung und Krankenkassen.
Krankenkassenbeiträge

Wer wird Zahlmeister?

Die Krankenkassenbeiträge steigen wegen der Reformen im Gesundheitssystem. Und das Defizit verschärft sich durch immer mehr Hartz-IV-Empfänger und die vielen Flüchtlinge. Wer dafür aufkommen soll, darüber streiten Bundesregierung und Krankenkassen.

Die Krankenkassenbeiträge werden in den kommenden Jahren kräftig steigen. Wer im Monat 2000 Euro brutto verdient, wird vermutlich im nächsten Jahr sechs Euro mehr für die gesetzliche Krankenversicherung zahlen müssen. Dabei ist rund die Hälfte der Mehrausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für dieses Jahr in Höhe von rund 3,3 Milliarden Euro auf die Gesundheitsreformen der großen Koalition zurückzuführen. Grund für die restlichen Kosten sind die stetig steigenden Ausgaben in der Gesundheitsversorgung, zum Beispiel im Arzneimittelbereich oder für die Vergütung ambulanter ärztlicher Leistungen.

Noch gibt es nur Schätzungen

Und das Defizit für die gesetzlichen Krankenkassen droht durch die vielen Flüchtlinge weiter zu wachsen. Sie werden im Sozialsystem nach einer Wartezeit von 15 Monaten normalen Arbeitnehmern gleich gestellt. Wenn Flüchtlinge arbeitslos sind, erhalten sie Hartz-IV-Leistungen. Die meisten anerkannten Flüchtlinge werden aufgrund fehlender Sprachkenntnisse und Qualifikationen zumindest eine gewisse Zeit keinen Job und damit Anspruch auf die vollen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung haben. Diese Kassenbeiträge zahlt dann der Bund, also der Steuerzahler. Bei Hartz-IV-Beziehern seien dies rund 90 Euro im Monat. Noch fehlen verlässliche Zahlen, wie hoch die von Flüchtlingen verursachten Gesundheitskosten tatsächlich seien. Erste Erfahrungswerte aus Hamburg gingen von Kosten von 180 bis 200 Euro pro Person im Monat aus, laut Frankfurter Rundschau.

Kassen fehlen über 100 Euro Millionen

Die monatliche Lücke zwischen Beitrag und tatsächlichen Kosten für die Krankenversicherung beträgt also unter dem Strich um die 100 Euro im Monat. Pro Hunderttausend Flüchtlinge entsteht so in der gesetzlichen Krankenversicherung ein Defizit von 120 Millionen Euro im Jahr. Geht man davon aus, dass im Verlauf des Jahres 2017 eine Million Flüchtlinge die Wartezeit von 15 Monaten überschritten haben, wächst das Loch auf über eine Milliarde Euro.

Minus bei Hartz-IV-Empfänger

Die Kassen argumentieren allerdings anders. Die Flüchtlinge würden das Defizitproblem nicht verursachen, sondern nur verschärfen. Denn die Kosten könnten bereits jetzt nicht gedeckt werden – der Bund zahle zu wenig. Statt 90 Euro seien für sie im Schnitt 136 Euro pauschal im Monat pro Hartz-IV-Empfänger nötig, sagt Verbandschefin Doris Pfeiffer. Dadurch klaffe allein in diesem Jahr ein Loch von 2,3 Millionen Euro in den Kassen der gesetzlichen Krankenkassen. Dass die Pauschale nicht kostendeckend sei, bestätigt auch Stephan Stracke (CSU), gesundheitspolitischer Sprecher der Union im Deutschen Bundestag, im Interview mit dem Bayernkurier.

Die Zahlungen des Bundes an die Gesetzliche Krankenversicherung müssen hier kostendeckend sein, damit die Kosten nicht an den
Beitragszahlern hängen bleiben. Es wird dabei immer deutlicher, dass diese Pauschale bei weitem nicht kostendeckend ist.

Stephan Stracke (CSU), gesundheitspolitischer Sprecher

Wer zahlt – Fonds oder Bund?

Pfeiffer fordert deshalb, dass der Bund aus Steuermitteln das fehlende Geld für Hartz-IV-Versicherte beisteuere. Dann bliebe das Geld aus den Reserven des Gesundheitsfonds, der Geldsammelstelle der Kassen, für andere Ausgaben übrig. Es solle den Kassen systematisch zur Verfügung gestellt werden, statt punktuell „aufgrund wenig nachvollziehbarer politischer Überlegungen“ ausgegeben zu werden, sagt Pfeiffer. So würden Beitragsgelder verwendet, um Aufgaben des Bundes zu finanzieren.

Das sieht Gesundheitsminister Herman Gröhe (CDU) anders, laut Süddeutscher Zeitung. Er will 1,5 Milliarden Euro aus dem Gesundheitsfonds nehmen. Sie sollen im kommenden Jahr Flüchtlingskosten und die Weiterentwicklung der elektronischen Gesundheitskarte decken. Denn wegen der Negativzinsen der Europäischen Zentralbank habe der Fonds im vergangen Jahr 1,8 Millionen Euro an die Banken zahlen müssen. Zuviel Geld zu sparen lohne sich also nicht.

Die Beiträge der Krankenkasse steigen

Der Kassen-Spitzenverband sagt für 2017 einen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um bis zu 0,3 Prozentpunkte auf dann rund 1,4 Prozent vom Einkommen voraus. 2019 werde der Zusatzbeitrag dann wohl im Schnitt bei 1,8 Prozent liegen. Dieser Beitrag kommt zum allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent dazu, den sich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen. Den Zusatzbeitrag müssen die 54 Millionen Kassen-Mitglieder alleine zahlen.

(dpa/SZ/AS)