Sexuelle Belästigung: Künftig ist auch strafbar, wenn ein Täter sich über den erkennbaren Unwillen seines Opfers hinwegsetzt. (Foto: Imago/McPhoto)
Sexualstrafrecht

„Nein“ heißt jetzt wirklich „Nein“

Der Bundestag hat das Sexualstrafrecht verschärft – mit deutlich erkennbarer Handschrift der CSU-Landesgruppe und der bayerischen Staatsregierung. Nun gilt das Prinzip: „Nein heißt Nein“. Strafbar macht sich ein Täter damit nicht nur, wenn er Gewalt anwendet oder androht, sondern sich über den erkennbaren Unwillen seines Opfers hinwegsetzt. Ausländische Täter können rascher ausgewiesen werden.

In Deutschland gilt künftig ein strenges Sexualstrafrecht, in dem das Prinzip „Nein heißt Nein“ festgeschrieben ist. Damit sollen die Rechte der Opfer von Sexualdelikten erheblich gestärkt werden. Der Bundestag hat das Gesetz in Berlin in zweiter und dritter Lesung beschlossen. Der ursprüngliche, äußerst schwache Entwurf von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wurde durch die Einwirkung der CSU im Bundestag und der bayerischen Staatsregierung entscheidend verbessert.

Künftig macht sich bald nicht nur strafbar, wer Sex mit Gewalt oder Gewaltandrohung erzwingt. Es soll vielmehr ausreichen, wenn sich der Täter über den „erkennbaren Willen“ des Opfers hinwegsetzt. Dieser Grundsatz wurde einhellig mit allen 599 Stimmen von großer Koalition und Opposition verabschiedet. Grüne und Linke enthielten sich bei der Abstimmung über den gesamten Gesetzentwurf, weil dort unter anderem der Straftatbestand sexueller Angriffe aus einer Gruppe heraus ergänzt worden war.

Strafe für Gruppenvergehen

Das neue Gesetz besteht aus drei wesentlichen Elementen:

  1. Künftig macht sich jeder strafbar, der gegen den erkennbaren Willen eines anderen sexuelle Handlungen an diesem vornimmt. Für eine Strafbarkeit reicht es also schon, wenn das Opfer „nein“ sagt, oder zum Beispiel durch Weinen zeigt, dass es die Handlungen nicht will. Eine Drohung, Gewaltanwendung oder das Ausnutzen einer schutzlosen Lage durch den Täter braucht es für die Strafbarkeit nicht mehr. Darüber hinaus wird das Grapschen unter Strafe gestellt. Strafbar ist künftig auch, wenn aus einer Gruppe heraus sexuelle Handlungen vorgenommen werden.
  2. Mit den Taten aus der Gruppe heraus werden künftig Übergriffe bestraft, wie sie in der Vergangenheit immer häufiger bei Großveranstaltungen oder an Plätzen, wo viele Menschen zusammen kommen, vorkamen. So zum Beispiel in der Kölner Silvesternacht, beim Karneval der Kulturen in Berlin oder auch jüngst in öffentlichen Schwimmbädern (der Bayernkurier berichtete). Es geht um die Fälle, in denen eine Gruppe vornehmlich junge Frauen bedrängt, ihnen keine Möglichkeit lässt, zu entkommen und es dann zu einer Sexualstraftat kommt. Dabei handelt es sich um eine neue Dimension der Strafbarkeit, bei der sich durch die innerhalb einer Gruppe entstehende Dynamik eine besondere Gefährlichkeit ergibt.
  3. Die neuen Vorschriften werden sich auch auf die Bestimmungen im Aufenthaltsgesetz auswirken. Wer wegen einer Tat nach dem neuen § 177 StGB zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe verurteilt wird, muss künftig damit rechnen, deswegen abgeschoben zu werden.

Nach langem Kampf ist es so weit

„Lange hat die Unionsfraktion dafür gekämpft, jetzt ist es soweit: Das Sexualstrafrecht wird reformiert und deutlich verschärft“, lobt der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe. Künftig gelte der klare Grundsatz „Nein heißt nein“. „Zwar ist die Beweisbarkeit bei Sexualstraftaten meist schwierig – das darf uns aber nicht davon abhalten, Schutzlücken im Gesetz zu schließen“, so Frieser.

Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sei Teil der jedem Menschen gebührenden Würde und müsse umfassend geschützt werden, unterstreicht er. Frieser betont: „Auch das sogenannte Grapschen wird endlich ein eigener Straftatbestand. Es ist unangemessen, dass verbale Entgleisungen als Beleidigungen bestraft werden können, während tätliche Übergriffe oft straffrei bleiben, obwohl sie das Opfer viel stärker belasten.“

Gruppenvergehen wie in Köln und Berlin sind berücksichtigt

Der CSU-Innenpolitiker Alexander Hoffmann, zuständiger Berichterstatter dieses Gesetzes, kritisiert den Bundesjustizminister: „Erst auf unseren Druck hin hatte sich das Bundesjustizministerium an die Reform gemacht, dann aber einen halbherzigen, lückenhaften Vorschlag vorgelegt. Alles, was Bundesjustizminister Maas immer öffentlichkeitswirksam fordert, fehlte in seinem eigenen Gesetzentwurf, den wir im parlamentarischen Verfahren nun gründlich überarbeitet und ergänzt haben.“

Hoffmann verweist auf einen wichtigen Bestandteil des Gesetzes: „Auch die Beteiligung an einer Gruppe, aus der heraus sexuelle Übergriffe auf Frauen stattfinden, stellen wir nun unter Strafe“, sagt der CSU-Abgeordnete. „Damit sind Übergriffe wie in der Silvesternacht in Köln oder beim Karneval der Kulturen in Berlin-Kreuzberg gemeint, bei denen Frauen stets von mehreren Männern aggressiv angetanzt, also bedrängt, intim berührt und teilweise auch noch bestohlen wurden.“ Dies könne nun geahndet werden: „Aber wenn der Nachweis der Beteiligung an einer Schlägerei zum Beispiel in einem Bierzelt bereits zur Strafbarkeit genügt, dann muss doch auch die Beteiligung an einer Gruppe, aus der heraus sexuelle Übergriffe an Frauen begangen werden, endlich bestraft werden.“

Gesetz schließt Rechtslücken

Die frühere Richterin und CSU-Abgeordnete Silke Launert aus Oberfranken hat viel Energie und Herzblut in dieses Gesetz investiert. Sie sagt: „Wir senden ein wichtiges Signal: Frauen sind kein Selbstbedienungsladen.“ Mit der Reform würden Lücken im Sexualstrafrecht geschlossen und die in den letzten Jahren verfestigte restriktive Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausgeglichen.

Launert berichtet aus eigener beruflicher Erfahrung, wenn sie sagt: „Insbesondere können nach aktueller Rechtslage Fälle nicht erfasst werden, in denen das Opfer sich nicht wehrt oder wehren kann, weil es vom Täter überrascht wurde oder weil es derart geschockt ist, dass es keinen Widerstand mehr leisten kann. Ebenfalls nicht bestraft werden konnte der Täter auch beispielsweise dann, wenn es in einer Beziehung immer wieder zu Gewalt gekommen ist und das Opfer weitere Gewaltanwendung fürchtet oder schlicht resigniert.“

SPD verzögert erneut

Kein Verständnis haben die CSU-Politiker für die Haltung der SPD, die Reform des Sexualstrafrechts erst Ende September im Bundesrat auf die Tagesordnung zu setzen. „Ursprünglich sollte das Gesetz gleich an diesem Freitag auch im Bundesrat beschlossen werden, damit es noch im Sommer in Kraft treten kann“, so Michael Frieser. „Es ist unverantwortlich, dass unser Koalitionspartner bei so einem wichtigen Thema noch immer auf der Bremse steht, obwohl wir uns doch einig sind“, so Alexander Hoffmann.

Auch die bayerische Staatsregierung hat mit ihrer Expertise auf das nun beschlossene Gesetz eingewirkt. „Der jetzige Gesetzentwurf trägt unverkennbar eine bayerische Handschrift und ist ein großer Erfolg bayerischer Rechtspolitik. Er bringt weitreichende Verbesserungen zum Schutz der sexuellen Selbstbestimmung mit sich“, meint Bayerns Justizminister Winfried Bausback dazu. „Ich habe von Anfang an gesagt: Der ursprüngliche Gesetzentwurf des Bundesjustizministers war zu wenig. Ich freue mich daher sehr, dass unsere bayerischen Forderungen im Wesentlichen nun Gesetz werden.“

Neuer Straftatbestand „Grapschen“

Besonders hebt Bayerns Justizminister den neuen Straftatbestand der sexuellen Belästigung hervor: „Hier übernimmt der Bundestag unseren bayerisch-sächsischen Vorschlag, den wir schon Anfang Mai im Bundesrat vorgestellt hatten. Und das völlig zu Recht, denn: Der flüchtige Griff an das Gesäß oder den Busen ist für die Opfer ein gravierender Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung. Es ist daher richtig und wichtig, dass sich dies künftig auch im Strafgesetzbuch durch einen eigenen Straftatbestand widerspiegeln wird!“

PM/wog