Nürnberger Diskussionsrunde über Integrationsprobleme von Flüchtlngen (v.r.): NN-Redakteur Kurt Heidingsfelder, Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU), Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD), NN-Redakteur Alexander Jungkunz. (Foto: Wolfram Göll)
Integrationsdebatte

Wenn das Publikum anders reagiert als geplant

Die „Nürnberger Nachrichten“ hatten Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) und Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) zur Podiumsdiskussion über Integrationspolitik geladen. Während die moderierenden Redakteure letztlich nur kritisierten, dass Söder bestehende Probleme klar und deutlich formuliert, unterstützte das Publikum genau diese klaren Aussagen des Ministers.

Demokratie ist manchmal schon mühsam. Was passiert beispielsweise, wenn sich das Publikum einer Podiumsdiskussion das politisch korrekte und linksideologische Weichspülen von Problemen bei Integration und Zuwanderung nicht gefallen lässt und lieber dem Diskutanten applaudiert, der sich den Mund nicht verbieten lässt und die Probleme klar und deutlich beim Namen nennt? So geschehen beim „Nürnberger Stadtgespräch“ mit zwei Redakteuren der Nürnberger Nachrichten als Moderatoren. Das Publikum reagierte völlig anders als offenbar geplant.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) war von Seiten der Moderatoren offensichtlich die Rolle des „Bay Guy“ zugeteilt, der in die Raufbold-Ecke gestellt werden sollte, dafür dass er mit seinen Sprüchen provoziert, angeblich die Gesellschaft spaltet, Unfrieden sät – und damit natürlich, so die übliche These der Linken, den rechten Rand stärkt. So kritisierten die beiden Moderatoren Söder gleich zweimal für seine „Tonlage“, die die Probleme angeblich „schlimmer macht“ und „überzeichnet“. Doch das Publikum reagierte nicht wie von den Veranstaltern erwartet: Am Ende stand nicht Söder als der Isolierte da.

Die Politik ist nicht dazu da, die Menschen zu erziehen, sondern ihre Probleme aufzunehmen und zu lösen.

Markus Söder, Bayerischer Finanzminister

Söder konterte, die Politik müsse die Sorgen der Menschen ernstnehmen – etwa die Frage der sozialen Verdrängung, denn auch die Einheimischen stünden nicht alle auf der Sonnenseite. „Da bewegt es viele Menschen, dass ein einziger jugendlicher Flüchtling den Staat ein Vielfaches von dem kostet, was jemand als Rente erhält, der jahrzehntelang eingezahlt hat.“ Die Politik sei nicht dazu da, die Menschen zu erziehen, sondern ihre Sorgen und Probleme aufzunehmen und zu lösen. Folge: Söder erhielt den kräftigsten Applaus.

Konservative Vergrämungsrhetorik versus linke Verniedlichungsrhetrorik

Oberbürgermeister Ulrich Maly (SPD) lobte einerseits die bayerische Staatsregierung für ihre Unterstützung der Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge sowie die Bildungsoffensive. Das gelte sogar für das Integrationsgesetz. „Mich stört da nicht die Handlungsebene. 1750 neue Lehrer sind schon ein Wort. Sondern mich stört die Vergrämungsrhetorik“, so Maly. Als Beispiel nannte er die Vorschrift, dass ein Immigrant, der nach sechs Jahren keine Integrationserfolge aufzuweisen hat, die Unterstützungsleistungen wieder zurückzahlen muss. „Nach sechs Jahren hat er aber Anrecht auf dauerhaften Aufenthalt. Also soll er dann zum Sozialamt gehen und die Sanktionen von der Sozialhilfe zahlen?“ Maly kritisierte, er sehe hier vor allem das „Franz Josef Strauß-Theorem“ am Werk, nämlich dass rechts von der CSU keine Partei entstehen darf.

Söder indes konterte mit gleicher Münze. „Mich stört viel mehr die Verniedlichungsrhetorik“, sagte er unter starkem Beifall. Wenn mittlerweile sogar SPD und Grüne zugäben, dass Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden dürften, so handle dieses Gesetz genau nach dieser Maxime. Man dürfe nicht vergessen, dass viele der Zuwanderer aus Ländern kämen, wo Männer und Frauen nicht gleiche Rechte hätten, wo Polizei und Justiz notorisch korrupt seien und geradezu als Feind der Bürger gelten, und wo es zum guten Ton gehöre, das Existenzrecht Israels zu bestreiten. Es genüge nicht, wenn die Immigranten die deutsche Sprache lernen und Gesetze einhielten. „Die Zuwanderer müssen auch unsere Werte und Alltagskultur annehmen, und nicht umgekehrt“, sagte Söder und erhielt wiederum heftigen Beifall. Parallelgesellschaften dürfe es nicht geben.

Political Correctness ist schön, aber nicht immer die Wahrheit.

Markus Söder, bayerischer Finanzminister

Söder erinnerte daran, wie massiv er dafür angefeindet wurde, als er nach den Terroranschlägen von Paris darauf hinwies, dass Terroristen leicht die Flüchtlingswelle und die offenen Grenzen dazu benutzen könnten, nach Europa einzudringen. Jetzt stimme sogar der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo dieser Diagnose zu. Man dürfe nicht vergessen, dass mindestens 100.000 Flüchtlinge, die in Bayern registriert wurden, verschwunden seien. „Political Correctness ist schön, aber nicht immer die Wahrheit. Wenn man die Probleme nicht mehr benennen darf, verlieren wir die Menschen“, warnte Söder.

Sollen alle Zuwanderer sofortigen Zugang zum deutschen Sozialsystem erhalten?

Maly wandte ein, ihn betrübten „schnell rausgehauene Sprüche“. Die CSU arbeite sich an einem „unsichtbaren Feind ab, den es so gar nicht gibt“. Wer beispielsweise betone, dass Deutschland nicht das Sozialamt der Welt sei – was niemand je gefordert oder angestrebt habe – löse im Hinterkopf Assoziationen aus, die darauf hinausliefen, die Grenzen zu schließen und die Ausländer auszuweisen. Solche Sprüche seien missbrauchsanfällig. „Das bekümmert mich“, so Maly. Er selbst sei „Sozialdemokrat, vielleicht auch Gutmensch“. Aber auch als Präsident des Städtetages im vergangenen Jahr habe er nie Probleme kleingeredet oder geschönt.

Söder konterte, bei der Zuwanderung, die die Linken stets bejubelten, müsse man eben auch sehen, dass viele der Immigranten auf absehbare Zeit nicht in Frage kämen, hier zu arbeiten. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) habe im Bundestag zugegeben, dass höchstens zehn Prozent der Immigranten in den Arbeitsmarkt integrierbar seien. Ähnlich sei die Frage zu bewerten, ob die Einwanderer sofort die Gesundheitskarte erhalten sollten und damit Zugang zum Sozialsystem Deutschlands bekommen sollten. „Frankreich und Belgien haben bei der Integration Fehler gemacht, die man nicht mehr korrigieren kann“, so der Finanzminister. Aus diesen Fehlern ziehe die Staatsregierung die Konsequenzen.

In konkreten Fragen weitgehende Einigkeit

Einig waren sich Söder und Maly weitgehend in der konkreten Bewertung der Lage und den nötigen Maßnahmen, etwa bei der Bekämpfung des Wohnungsmangels. „Wir müssen bauen wie die Blöden“, so Maly. Die Groß- und Universitätsstädte in Bayern könnten derzeit gar nicht zu viel bauen. Nürnberg baue nun 2000 bis 2500 Wohnungen in zwei Jahren und habe erst jüngst ein knappes Dutzend neue Baugebiete ausgewiesen – mit beinahe ebenso vielen Partnern, vom katholischen Wohnungsbauwerk bis zu Genossenschaften. Die Wohnungen seien aber frühestens in zwei Jahren fertig. Bayern habe da das ambitionierteste Programm aller Länder, lobte Maly. Der Bund müsse nun mit den Investitionen nachziehen.

Söder betonte – übrigens ohne den Widerspruch Malys zu provozieren –, Bayern sei mit Abstand das kommunenfreundlichste Land Deutschlands. Wichtig wäre nun die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus durch den Bund. Das Hauptproblem beim Wohnungsbau sei nicht das Kapital, sondern dass aufgrund der Vorschriften die Bauzyklen so lang seien, dass die Bauzeit der Wohnungen mindestens ein bis zwei Jahre betrage. In Nürnberg klappe es einigermaßen gut, aber im Großraum München dauere der Bau von Wohnungen fünf bis zehn Jahre, erzählte Söder.

Um Glücksrittern vorzubeugen, wie diejenigen, die kürzlich alle Mieter eines Gebäudes in der Geigerstraße in Nürnberg-Reichelsdorf hinauskomplimentierten, um im angeblichen Auftrag der Stadt Asylbewerber unterzubringen (der Bayernkurier berichtete), sei es richtig, zunächst leerstehende und öffentliche Gebäude zu nutzen, wie aufgegebene Möbelhäuser, Kasernen und so weiter, sagte Söder. „Die bayerischen Kommunen haben bei der Unterbringung Großes geleistet“, so der Finanzminister.