Der Sozialstaat kommt die Beitragszahler immer teurer zu stehen. Die Sparsamkeit des Staates und die Eindämmung der ausufernden sozialen Wohltaten könnte ein Wahlkampfthema werden. (Foto: Fotolia/Pixelvario/Reimer)
Sozialabgaben

Schallgrenze 40 Prozent bald überschritten

Die Lohnnebenkosten alias Sozialabgaben steigen immer weiter. 2017 überschreiten sie die Schallgrenze von 40 Prozent der Bruttolöhne wieder, und das trotz rekordverdächtig niedriger Ausgaben für Arbeitslose. Leider trägt vor allem die Politik der SPD in der Bundesregierung eine Mitschuld an den steigenden Ausgaben, insbesondere mit der Rente mit 63. Dazu kommen noch Krankenhaus- und Pflege-Reform.

CDU und CSU haben sich 2013 zwar durchgesetzt mit ihrem Versprechen, die von SPD und den anderen beiden Linksparteien im Bundestagswahlkampf geforderten Steuererhöhungen abzuwehren. Aber dafür macht ein anderer Kostenfaktor, der einen immer größeren Anteil des Bruttolohns wegfrisst, den Arbeitnehmern riesige Sorgen: Die Lohnnebenkosten, auch Sozialabgaben genannt, die seit 2013 immer weiter steigen. Damit verteuern sie den Faktor Arbeit, schaden der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und nehmen den Familien dringend benötigtes Geld für Konsum und Investitionen weg.

Derzeit zahlen die Beitragszahler in Summe 39,8 Prozent vom Bruttoeinkommen in die Sozialkassen: Rentenversicherung (18,7 Prozent), Krankenversicherung (15,7 Prozent), Arbeitslosenversicherung (3,0 Prozent) und Pflegeversicherung (2,4 Prozent). 2017 wird die Gesamtquote aber wieder über die Schallgrenze von 40,0 Prozent steigen, das steht bereits fest. Das zeigt die FAZ in einer Analyse auf, die auf einer Berechnung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) beruht.

2017: Erhöhung der Pflegebeträge um 0,2 Punkte bereits beschlossen

Bereits beschlossen ist die Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte, so steht es im Pflegestärkungsgesetz. Dazu dürfte voraussichtlich noch eine Erhöhung von 0,1 oder 0,2 Prozent des durchschnittlichen Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung kommen. Damit werden im Jahr der Bundestagswahl die Sozialabgaben wieder die symbolisch wichtige Marke von 40,0 Prozent reißen, mit dann 40,2 Prozent.

Hier ist ein Dissens in der Berechnung zu vermerken, denn die BDA rechnen im Gegensatz zur Bundesregierung auch die Zusatzabgaben zur Krankenversicherung mit ein – dies dürfte sich tatsächlich mit der Wahrnehmung der Arbeitnehmer decken, denn dieses Geld fehlt ja real im Portemonnaie, egal wie die Regierung das nun definiert. Die Arbeitnehmer müssen diese Krankenkassen-Sonderabgabe ja allein finanzieren, die Arbeitgeber werden davon verschont. Diese Zusatzbeiträge sind von Kasse zu Kasse unterschiedlich, die Spanne ist hier ziemlich breit. Die BDA rechnet mit heute 1,1 Prozent Zusatzbeitrag im Durchschnitt, die teuerste Krankenkasse (Viactiv) verlangt sogar 1,7 Prozent.

Boomender Arbeitsmarkt kann Mehrausgaben bei Rente, Pflege und Krankenkassen nicht auffangen

Grund dafür sind gestiegene Ausgaben durch die demographische Entwicklung und politische Entscheidungen. Hier ist an erster Stelle das SPD-Lieblingskind „Rente mit 63“ zu nennen, das ja von allen Beitragszahlern finanziert werden muss. Aber auch die Krankenhausreform, die Pflegereform und die Stärkung der Palliativmedizin sowie die von der CSU durchgesetzte Mütterrente wollen bezahlt werden. Dazu kommt die steigende Lebenserwartung und die dadurch höheren regulären Kosten in der Renten-, Kranken- und Pflegeversorgung: Je höher der Anteil Älterer an einer Gesellschaft ist, umso höher sind in diesen Bereichen die Kosten. Das ist logisch.

Die gestiegenen Ausgaben im Kranken-, Pflege- und Rentenbereich können auch nicht vom boomenden Arbeitsmarkt aufgefangen werden. Zwar ist die Zahl der Beitragszahler so hoch wie nie, und gleichzeitig sind wegen der niedrigen Arbeitslosigkeit die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung wesentlich niedriger als etwa noch 2013 (3,0 Prozent gegenüber 6,5 Prozent). Aber all das kann nicht die gewaltigen Zusatzausgaben im Kranken-, Pflege- und Rentenbereich aufwiegen.

Allein im Wahljahr 2017 kommen 19,7 Milliarden Mehrausgaben auf die Beitragszahler zu

Die BDA errechnet in ihrer Erhebung Kostenerhöhungen von 87 Milliarden Euro im Zeitraum 2014 bis 2019, die bereits politisch beschlossen sind. Allein im Wahljahr 2017 kosten die neuen Leistungen die Sozialkassen – und damit die Beitragszahler – 19,7 Milliarden Euro zusätzlich. Die Mehrkosten entfallen auf die Rentenversicherung mit 9,3 Milliarden, auf die Pflegeversicherung mit 7,2 Milliarden und die Krankenversicherung mit 3,2 Milliarden Euro.

Dabei hatte die erste große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (von 2005 bis 2009) das erklärte Ziel, die Gesamtbelastung durch Sozialabgaben von damals 42,0 Prozent unter die Schallgrenze von 40 Prozent zu drücken – und schaffte das auch. 2010 nämlich lag die Gesamtbelastung bei 39,6 Prozent. Hauptfaktor der Einsparungen war der von 6,5 auf 2,8 Prozent gesunkene Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, während die Krankenkassenbeiträge schon damals von 14,2 auf 14,9 Prozent stiegen. Der Beitrag zur Pflegeversicherung verdoppelte sich bereits damals – von 2005 bis 2010 – von 1,0 auf 2,0 Prozent, der Rentenbeitrag stieg relativ moderat von 19,5 auf 19,9 Prozent.

Erste große Koalition hatte die Kosten erfolgreich gedrückt

Seitdem ist der Rentenbeitrag weiter gesunken, von 19,9 auf 18,7 Prozent. Ob dieser Trend anhält ist sehr fraglich – angesichts der jüngsten Entwicklungen wie Rente mit 63, Mütterrente und die jüngsten starken Renten-Erhöhungen. Auch der Krankenkassenbeitrag ist seit 2010 spürbar gestiegen, von 14,9 auf 15,7 Prozent, der Pflegebeitrag von 2,0 auf 2,4, ab 2017 dann 2,6 Prozent.

Der Arbeitslosen-Beitrag stieg von 2010 bis 2011 leicht von 2,8 auf 3,0 Prozent und blieb seither stabil. Hoffentlich bleibt der Arbeitsmarkt noch lange so dynamisch wie bisher – eine Trendwende hier wäre fatal für die Gesamtentwicklung der Belastungen. Inwiefern wegen der demographischen Entwicklung, der „Rente mit 63“ und der jüngst beschlossenen starken Rentenerhöhungen demnächst auch der Rentenbeitrag steigen wird oder muss, steht derzeit noch in den Sternen.

FDP hört eine „Alarmsirene“ im beginnenden Wahlkampf

Es droht auch hier eine ordnungs- und wirtschaftspolitische Wahlkampf-Front in Sachen öffentlicher Sparsamkeit versus soziale Wohltaten. Die FDP jedenfalls nimmt die jüngste Entwicklung bereits aufs Korn. „Steigende Sozialabgaben in Zeiten von Rekordbeschäftigung sind eine Alarmsirene“, kritisiert der FDP-Vorsitzende Christian Lindner. „Die Große Koalition hat zu verantworten, dass dadurch gerade die Beschäftigten mit kleinen und mittleren Einkommen zusätzlich belastet werden.“

Lindner schlägt noch tiefer in diese Kerbe: „Es rächt sich, dass die Große Koalition über die gesamte Legislaturperiode massiv Leistungen ausgeweitet hat.“ Lindners argumentativer Ansatz ist dabei die ordnungspolitische Kernaussage, dass stark steigende Sozialausgaben der Volkswirtschaft insgesamt auf Dauer schaden, weil sie Arbeit immer teurer und den Standort immer unattraktiver machen. „Die schiere Ausdehnung ist nicht sozial, wenn die Menschen dadurch immer stärker belastet werden. Die Fairness gegenüber den Beitragszahlern ist längst verloren gegangen. Jetzt kommt es darauf an, das Prinzip Gießkanne zu stoppen und die Sozialabgaben damit zu stabilisieren.“