Sind wirklich 70 Prozent der unter 40 Jahre alten männlichen ausreisepflichtigen Asylbewerber krank und transportunfähig? Bundesinnenminister de Maizière wirft den Ärzten vor, zu viele Gefälligkeits-Atteste zu schreiben, um Abschiebungen zu verhindern. (Foto: westend61/imago)
Asylpolitik

Verhindern Ärzte Abschiebungen?

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat Ärzte kritisiert, die mit Gefälligkeits-Attesten viele Abschiebungen verhindern. In der Tat ist es nicht glaubwürdig, dass 70 Prozent der unter 40 Jahre alten Männer krank und nicht transportfähig sein sollen. Derweil hat ein Gericht in Gelsenkirchen verhindert, dass der Leibwächter des Terrorfürsten Osama bin Laden nach Tunesien abgeschoben wird.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat den Abbau von Hindernissen zur Abschiebung nicht anerkannter Asylbewerber verlangt. „Es werden immer noch zu viele Atteste von Ärzten ausgestellt, wo es keine echten gesundheitlichen Abschiebehindernisse gibt“, sagte de Maizière der Rheinischen Post. „Es kann nicht sein, dass 70 Prozent der Männer unter 40 Jahren vor einer Abschiebung für krank und nicht transportfähig erklärt werden. Dagegen spricht jede Erfahrung“, so der Minister.

An diesen Zahlen gibt es mittlerweile aber Zweifel: Auf Nachfrage des MDR räumte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Tobias Plate, ein, dass es keine Statistiken gebe, die zeigten, wie viele Flüchtlinge aufgrund von ärztlichen Attesten nicht abgeschoben werden können.

Der Innenminister forderte die Länder auf: „Wir müssen aber auch gemeinsam unsere eigenen Hausaufgaben erledigen und das vollziehen, worauf wir uns in den Asylpaketen I und II geeinigt haben. Es gibt da noch Vollzugsdefizite.“ Wichtig sei, Abschiebungen nicht anzukündigen. Der Ausreisegewahrsam könne entschlossener genutzt werden. Vor allem SPD- und grün regierte Länder sind hier ausgesprochen saumselig und naiv.

Weiter forderte de Maizière: „Es muss auch Leistungskürzungen geben, wenn Asylbewerber nicht bei der Identitätsfindung helfen oder im Fall der Ablehnung nicht ausreisen.“ Die rechtlichen Instrumente dafür seien mit den Asylpaketen I und II im vergangenen Jahr gemeinsam geschaffen worden. Allerdings müssten die Gesetze auch konsequent angewendet werden.

Gefährlicher Terrorhelfer darf nicht abgeschoben werden

Wie aufs Stichwort hat das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen entschieden, dass als gefährlich eingestufter ehemaliger Angehöriger der Leibgarde des getöteten Al-Kaida-Anführers Osama bin Laden nicht nach Tunesien abgeschoben werden darf. Trotz der Änderungen der politischen Situation in dem Land bestehe nach wie vor ein „sehr hohes Risiko“, dass dem 39 Jahre alten Tunesier Sami A. bei einer Rückkehr „Folter oder unmenschliche Behandlung“ drohten, begründete das Gericht seine Entscheidung. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen stützt seine Entscheidung auf Angaben des Auswärtigen Amtes und einer Nichtregierungsorganisation.

Dagegen hatte das Oberverwaltungsgericht Münster hatte im Mai 2015 festgestellt, dass der in Bochum lebende Mann „eine akute erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ darstellt. Wie die Bild-Zeitung berichtet, klagt sich Sami A. seit vollen zehn Jahren durch die Instanzen und hintertreibt so erfolgreich seine überfällige Abschiebung. Er gelte den Behörden als Salafist und „religiöse Autorität“, die junge Moslems beeinflussen und anwerben könne.

NRW: Rechtsstaat lässt sich vorführen

Sein Asylantrag sei 2007 abgelehnt worden, er hätte eigentlich damals bereits ausreisen müssen, so Bild weiter. 2009 wurde vom Verwaltungsgericht Düsseldorf die Abschiebung verfügt, nachdem Sami A. vom BKA mit Al-Kaida-Terroristen im Auto erwischt wurde. Darüber hinaus sei die Bundesanwaltschaft davon überzeugt, dass er für die Radikalisierung der kürzlich ausgehobenen Terrorzelle verantwortlich sei. Doch nach wie vor lebt er mit seiner Ehefrau und vier Kindern in Bochum und kassiert Sozialhilfe – „allein von 2008 bis 2012 rund 20.000 Euro“, wie Bild weiter schreibt.

Laut den Plänen der Großen Koalition soll Tunesien wie die anderen nordafrikanischen Ländern Algerien und Marokko zu einen sicheren Herkunftsland erklärt werden. Diese Entscheidung liegt im Bundesrat an, hier müssten mindestens drei grün (mit)regierte Länder zustimmen. Das soll die Chancen von Tunesiern auf Asyl in Deutschland weiter verringern. Al-Kaida-Chef Bin Laden war am 2. Mai 2011 im pakistanischen Abbottabad von einer US-Spezialeinheit getötet worden.

Nur Bayern schiebt konsequent ab

Bayern hingegen geht konsequent vor und schiebt ausreisepflichtige Ausländer ab, wenn sie nicht freiwillig gehen. Im Jahr 2016 wurden bereits mehr als 1700 Asylbewerber aus Bayern abgeschoben. Außerdem reisten knapp 6200 ausreisepflichtige Ausländer freiwillig aus (Stand: 30.05.2016), wie das bayerische Innenministerium mitteilte. Allein vergangene Woche hätten erneut 75 abgelehnte Asylbewerber aus Albanien und aus dem Kosovo Deutschland verlassen müssen, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ihnen keinen Anerkennungsbescheid erteilt hatte.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zieht eine positive Zwischenbilanz: „Wir bleiben bei unserer Linie und setzen unseren Kurs konsequent fort. Alle vollziehbar Ausreisepflichtigen schicken wir umgehend in ihre Heimatländer zurück. Wir setzen darauf, dass heuer mehr als 20.000 Asylbewerber ohne Chance auf Anerkennung Bayern wieder verlassen.“

Alle vollziehbar Ausreisepflichtigen schicken wir umgehend in ihre Heimatländer zurück.

Joachim Herrmann

Herrmann unterstützt die Forderung von Bundesinnenminister de Maizière an die anderen Länder, ihre Hausaufgaben zu erledigen und das zu vollziehen, worauf sich Bund und Länder in den Asylpaketen I und II geeinigt hatten. Herrmann verweist allerdings auch auf die Hausaufgaben des Bundes: „Jedoch muss auch der Bund noch mehr Druck auf die Staaten ausüben, die ihre eigenen Landsleute eigentlich lieber nicht mehr zurücknehmen wollen. Außerdem muss das BAMF die Bearbeitung der Asylanträge verstärken und mehr ablehnende Asylbescheide erlassen.“