Bei diesem Anblick bekommen Grüne Heulkrämpfe: Deutschland-Flaggen zeigen patriotische Begeisterung. (Bild: Imago/Seeliger)
Patriotismus

Grüne Jugend: Nehmt die deutschen Fahnen runter!

Kommentar Die Grüne Jugend hat ein echtes Eigentor geschossen. Angefangen hat alles beim Landesverband Rheinland-Pfalz, der pünktlich zur EM forderte: "Fußballfans Fahnen runter!" Der Grund: Patriotismus ist böse: "Wer sich als patriotisch definiert, grenzt andere aus." Andere Landesverbände sprangen auf den Zug auf. Der Shitstorm, der sich über die "Grünschnäbel" ergießt, ist gewaltig.

Pünktlich zum Anpfiff der Fußball-Europameisterschaft schwenken die Deutschen wieder voller Stolz ihre Fahne. Das finden nicht alle gut, ein paar sehen das sogar schwer verkrampft. Die Grüne Jugend mehrerer Landesverbände fordert: „Runter mit den Flaggen!“ Und begründet das auch auf ihrer Facebook-Seite:

Nationalismus ist eine Form von Patriotismus. Wer sich als patriotisch definiert, grenzt Andere aus. Die Wirkung von Patriotismus hat immerzu Konsequenzen und wird besonders dort deutlich, wo er sich als aggressive Form darstellt und das Andere als Feind stigmatisiert. Zur Fußballeuropameisterschaft fordern wir alle Fans dazu auf, nationalistischem Gedankengut keinen Raum zu lassen! Fußballfans Fahnen runter!

Fußballbegeisterung als Nationalismus? Andere Fans als Feind stigmatisieren? Es ist eine alte Debatte, die die Grünen immer wieder mal mit denselben fadenscheinigen Argumenten führen. Patrioten in die rechtsradikale und menschenfeindliche Ecke stellen, das passt ins Bild der grünen Meinungsdiktatur (der Bayernkurier kommentierte).

Reaktionen auf den Post

Ein wahrer „Shitstorm“ hat sich daraufhin über Facebook und auch Twitter über die Grünen ergossen. Die Kommentatoren fassen sich verbal an den Kopf ob solcher Ideen, weisen auf die Widersprüche in der Argumentation hin oder machen sich lustig über die Grüne Jugend. Natürlich sind auch die üblichen Hasskommentare wieder dabei.

Hier einige Beispiele:

  • „So einen schwachsinnigen Antipatriotismus und Selbsthass kann es nur in Deutschland geben. Kein Wunder, wenn uns der Rest der Welt auslacht. Gute Nacht, Deutschland bzw. einem Teil davon…“
  • „Was haltet ihr denn dann von meinen türkischen und italienischen Arbeitskollegen, die auch ihre Landesfahnen an ihren Autos spazieren fahren? Die sind anscheinend auch patriotisch und damit gemäß eurer Definition Nazis. Merkt ihr nicht, wie absurd eure Argumentation ist?“
  • „Habt ihr zu viel geraucht oder sind das Nebenwirkungen von überhöhtem Tofukonsum?“
  • „Ich frage mich echt, warum ihr euch in einen deutschen Bundestag wählen lasst, den Amtseid leistet und Diäten kassiert. Und das unterm Bundesadler, Fahnen und durch den deutschen Steuerzahler finanziert. Was eine fantastische Doppelmoral…ohne Worte.“
  • „Ihr seid doch nicht mehr ganz dicht in der Rübe. Am besten wir schämen uns noch dafür. Mein Vorschlag: Wir lösen dieses Land auf und verteilen die Stückchen an den jeweilig nächsten Nachbarn.“
  • „Mit Euch weichgespülten Jammerlappen lässt sich eh kein Staat machen … weichgespülte, für alles und jeden Verständnis habende Gutmenschenluschis!“

Auf Twitter fragt jemand belustigt:

Darf ich als Ösi die österreichische Fahne (schwenken)? Ersuche dringend um rasche Antwort, EM hat schon begonnen.

„Die Unterstützung unserer Jungs gehört zum Sommermärchen und ist gesunder Patriotismus“, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer dazu der „Bild am Sonntag„. Er hatte nur eine Botschaft an die Grüne Jugend:

Besser ein Patriot als ein Idiot!

Rheinland-Pfalz nach dem Sturm

Die Grüne Jugend Rheinland-Pfalz lässt sich durch all das nicht beirren. Sie posten erneut auf Facebook, für sie scheinen das offenbar alles Hasskommentare zu sein: „Wir bleiben dabei: Freude am Fußball statt an der Nation! Auch wir wünschen uns ein spannendes, buntes und gemeinsames Fußballfest. Doch Fußballeuphorie muss nicht patriotisch sein. Nun sehen wir uns mehreren tausend Hasskommentaren ausgesetzt, weil wir den sogenannten ‚Party-Patriotismus‘ als Gefahr sehen.“ Durch die vielen Kommentare sehen die „Greenhorns“ ihre Sicht auf den bösen Patriotismus nur noch bestätigt: „Wer maßlos ausrastet oder sogar zu Morddrohungen greift, um seinen Patriotismus zu verteidigen, entlarvt sich selbst. Diese Hasskommentare zeigen, dass viele Leute ihren blanken Nationalismus hinter der Fußballparty verstecken.“ Die anderen und gut begründeten Kommentare werden offenbar nicht zur Kenntnis genommen.

Für ihre Sicht der Dinge gebe es zahlreiche wissenschaftliche Belege, so geht es weiter. Bezug wird genommen auf den „renommierten Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer“, der viele Studien unter Fussballfans durchgeführt und immer wieder festgestellt habe, dass nach mehreren Wochen des sogenannten ‚Party-Patriotismus‘ fremdenfeindliche und nationalistische Haltungen deutlich zugenommen hätten.

„Und genau aus diesem Grund stellen wir uns als GRÜNE JUGEND Rheinland-Pfalz weiterhin gegen ein unkritisches Abfeiern von Nationalflaggen und Nationalstaaten“, so die Grünen Jugendlichen, die sich offenbar vor jedem Fußballländerspiel eine kritische Podiumsdiskussion wünschen, bei der man das Für und Wider der Fahnen debattiert. „In diesem Sinne allen Fußballfans spannende 6 Wochen und allen anderen einen schönen Sommer“, gibt man sich zum Abschluss dann doch noch scheinbar locker.

Die Begründung: Ein fragwürdiger Zeitungsartikel

Verwiesen wird von den Grünen Anti-Patrioten auf einen Artikel in der Zeitung „Die Zeit“ von 2008, dessen Argumentation überaus zweifelhaft ist. Kurz gesagt, steht dort, dass der neue Fußball-Patriotismus auch „seine dunklen Seiten“ habe und nationalistische Übersteigerung fördern könne. Zur Begründung wird angeführt, dass man einer Statistik des Bundesinnenministeriums entnehmen könne, dass die Gesamtzahl rechtsextrem motivierter Delikte im WM-Jahr 2006 um 14 Prozent auf 18.142 Fälle gestiegen sei – ein neuer Höchststand mit Spitzenwerten während der beiden WM-Monate. Ob das den Fahnen oder schlicht den vielen ausländischen Gästen 2006 geschuldet war, die aufgrund ihrer höheren Zahl auch vermehrt zum Ziel von Rechtsradikalen wurden, wird dabei nicht näher untersucht.

Undifferenzierte Allgemeinplätze, aus denen man doch nicht ableiten kann, ob es mehr oder weniger Rechtsradikale gibt.

Sodann wird auf den Soziologen Heitmeyer verwiesen, der „keine positiven Effekte“ aus dem „Party-Patriotismus“ erkennen kann. Eine Umfrage vor und nach der WM belege das. Danach stieg der Anteil derjenigen, die „stolz auf die deutsche Geschichte sind“, sowie derjenigen, die „stolz darauf sind, Deutscher zu sein“. Der Anteil derjenigen, die „stolz auf die Demokratie in Deutschland sind“, sank angeblich. Das sind aber alles viel zu undifferenzierte Allgemeinplätze, aus denen man doch nicht ableiten kann, ob es mehr oder weniger Rechtsradikale gibt. Ob jemand nach der gelungenen Fußball-WM in Deutschland bei „deutscher Geschichte“ an die Nazi-Zeit denkt oder an das gerade abgelaufene Sommermärchen, müsste man vielleicht auch mal nachfragen. Ähnliche Allgemeinplätze hat der Bayernkurier bereits Anfang 2015 entkräftet (hier).

In dem Zeit-Artikel muss sogar die bekannteste Webseite aller Linksradikalen, Indymedia, als Beleg für die Argumentation herhalten. Und obendrein kommt die schier unglaubliche Erkenntnis einer Sportjournalistin, nach der Fußballer mit Migrationshintergrund Woche für Woche übelsten Beleidigungen ausgesetzt seien. Nun, ohne das schönreden zu wollen, aber da sollte sich die Journalistin vielleicht auch mal mit deutschstämmigen Schiedsrichtern unterhalten, die Woche für Woche von Fußballern und Zuschauern mit Migrationshintergrund nicht nur beleidigt, sondern auch körperlich attackiert werden.

Weiter wird im Artikel eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung als Beleg zitiert, die ebenfalls mit undifferenzierten Allgemeinplätzen wie „Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen“ oder „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken“ die steigende Rechtsradikalität in Deutschland belegen wollte. Und ganz am Schluss muss sogar der „Fußballkrieg“ 1969 zwischen den südamerikanischen Ländern Honduras und El Salvador nach WM-Qualifikationsspielen herhalten, der die Gefahr nationalistischer Übersteigerung während Fußballspielen belegt. Gut, eigentlich ging es um die Landnahme von rund 300.000 salvadorianischen Migranten in Honduras, gegen die es bereits gewaltsame Übergriffe vor den Fußballspielen gab, aber wer will das schon so genau nehmen?

Aus diesem Artikel einen Beleg für die grüne These zimmern zu wollen, erscheint jedenfalls mehr als zweifelhaft.

Unser Anti-Patriotismus besteht in vollem Bewusstsein der Geschichte der Schwarz-Rot-Goldenen Flagge. Uns ist dabei auch bewusst, dass sie im Dritten Reich verboten war.

Grüne Jugend

Zur Vertiefung wird von der Grünen Jugend aber auch noch ein Link auf ihre Webseite empfohlen zu dem Bericht „Alle Jahre wieder: ‚Patriotismus? Nein danke!'“ Auch hier wird wieder auf Heitmeyers Umfrage verwiesen und bis zum Turnvater Jahn zurückgegriffen, um die Linie des bösen Patriotismus von der Paulskirche 1848 über Verdun und Auschwitz bis zur Fußball-WM führen zu können. „Unser Anti-Patriotismus besteht in vollem Bewusstsein der Geschichte der Schwarz-Rot-Goldenen Flagge. Uns ist dabei auch bewusst, dass sie im Dritten Reich verboten war. Wir verweigern uns dieser nationalen Symbolik, weil wir uns jeglicher nationalen Symbolik verweigern“, so die Grüne Jugend. „Wir wollen das Konzept des Nationalstaats überwinden. Das heißt: Wir lehnen es auch ab, türkische oder polnische oder irgendwelche anderen PatriotInnen zu sein und wir fühlen uns wohl mit FreundInnen aus allen Ländern, die auch keine PatriotInnen sind, weil ihnen andere Dinge viel wichtiger sind.“

Bayern springt auf

Auch die Grüne Jugend Bayern stimmt auf Facebook ihren Rheinland-pfälzischen Kollegen nach dem Motto „Auch schlechte Schlagzeilen sind Schlagzeilen“ in folgender Form zu:

Party geht auch ohne Patriotismus. Und Hasskommentare sind kein Mittel für eine inhaltliche Diskussion.

Nun ist der Satz „Party geht auch ohne Patriotismus“ auch keine großartige inhaltliche Diskussion. Doch soll man sich ja nicht an Kleinigkeiten aufhalten. So folgen auch hier wieder etliche Kommentare auf Facebook, die für sich sprechen.

Bayerns Grüne Jugend wird kritisiert

Auch davon sollen einige hier wiedergegeben werden:

  • Pathologischer Selbsthass. Ich empfehle einen Psychiater. Am Montag kaufe ich mir das erste Mal in meinem Leben eine Deutschlandfahne. Und das werden viele, viele Andere auch tun.“
  • „Was wollt Ihr eigentlich? Wenn Ihr keine Fahne schwingen wollt, dann lasst es und quatscht hier nicht rum! (…) Beim Fahneschwingen beim Fußball oder egal was für eine andere Sportart, geht es darum, seine Nation im Sport zu unterstützen und zu zeigen ‚wir sind eure Fans und wir sind hier um euch zu unterstützen‘. Das hat nichts rein gar nix mit Nationalismus zu tun!“
  • „Es wird für Euch Zeit, UNSER Land zu verlassen, denn eures scheint es nicht mehr zu sein! So und jetzt gehe ich mal Flagge hissen!“
  • „Wer hat sich den käse bei euch ausgedacht? ich bin sicher nicht rassistisch weil ich zur em ne fahne hisse, erzählt ihr das auch den einwanderern, dass sie nicht ihre fahne hissen dürfen, wenn zb türkei oder russland spielen? die resonanz derer würde mich interessieren.“

Die Grüne Jugend Bayern widerspricht energisch:

Bleibt lediglich die Frage, warum der Fußball als Sport und der Spaß am Mitfiebern nicht im Vordergrund steht, sondern die Identifikation mit Nationen.

Ein Nutzer antwortet direkt:

Naja, liebe grüne Jugend: Um was gehts denn bei der EM? Spielen vielleicht die Amseln gegen die Tauben? Es spielen nun mal Nationen gegeneinander! Und kümmert euch um wichtigere Probleme (welchen wir in unserem Land mehr als genug haben) und schämt euch, uns für dumm zu verkaufen, und ggf zu manipulieren!

Ein anderer User erinnert an das Zitat eines SPD-Politikers:

Ihr habt da wohl was durcheinander gebracht….: ‚Ein Patriot ist jemand, der sein Vaterland liebt. Ein Nationalist ist jemand, der die Vaterländer der anderen verachtet.‘ @Johannes Rau, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland (1999 – 2004)

Antwort der Grünen Jugend Bayern aus all der gesammelten Erfahrung ihres Alters:

Ein Bundespräsident hat nicht immer Recht. Anerkannte Wissenschaftler*innen können den Zusammenhang zwischen Patriotismus und Nationalismus belegen, s. ZEIT Artikel

Nun reicht es einem anderen Kommentator aber:

Heult doch, Wandert aus oder geht zum Psychiater ! Meine Fahne wird jedes Fußballfest am Balkon hängen !!

Für die Grüne Jugend Bayerns ist das alles dennoch ein wichtiger Sieg. Sie jubiliert: „Jede einzelne Person, die sich dadurch mit dem Thema auseinander setzt und die Fahnenmeere kritisch hinterfrägt, ist wichtig.“

Berlins grüne Kinder fürchten sich vor den Fahnen

Auch Emma Sammet, Sprecherin der Grünen Jugend Berlins, ist angesichts der vielen Deutschland-Fahnen schon ganz angst und bang:

„In Berlin wird Patriotismus und Nationalismus mit der Fanmeile und vielen Public Viewings besonders viel öffentlicher Raum geboten. Die Supermärkte sind voll mit Deutschland-Merchandise und die Straßen, Autos und Balkone voller Nationalfahnen. Da wird einem richtig mulmig zumute. Denn es kann kein Sommermärchen geben, wenn brennende Geflüchtetenunterkünfte die abscheuliche deutsche Realität darstellen.“

Und Patrick Grünhag, Sprecher der Grünen Jugend Berlins, ergänzt selbstsicher:

Schon bei den vergangenen großen Fußball-Turnieren stieg die Anzahl fremdenfeindlicher Übergriffe nachweislich. Der sogenannte ‚Party-Patriotismus‘ führt zu nationalistischem Denken und Gewalt. Gerade Rechtspopulist*innen wie die Kader der Berliner AfD werden versuchen, im Wahlkampf vom schwarz-rot-goldenen Freudentaumel zu profitieren. Als GRÜNE JUGEND Berlin stellen wir uns dieser ausgrenzenden Haltung klar entgegen. Denn gerade in Zeiten von blankem Fremdenhass und aufkommendem Rechtspopulismus und vor der anstehenden Wahl im September müssen wir ein klares Zeichen gegen Patriotismus und Nationalismus setzen.

Deutschland sagt danke. Danke, Grüne Jugend, für Euren Einsatz, für Euer Zeichen!

Das Beste kommt zum Schluss

Und wir melden abschließend noch einen Fall für die Grüne Jugend, den sie dringend untersuchen sollte: den Facebook-Post der Grünen Fraktionschefin im Deutschen Bundestag, Katrin Göring-Eckardt.

Eine Falschmeldung unterstellte ihr, auch sie habe das Fahnenschwenken mit dem folgenden Satz verbieten wollen: “Wir sollten freiwillig auf das Schwenken der deutschen Flagge verzichten, um die Gefühle nationaler Minderheiten in Deutschland nicht zu verletzen.“ Es war ein Satire-Beitrag, die Aussage wurde von Katrin Göring-Eckardt also nie getätigt. Darauf postete sie ein Foto von sich in Deutschland-Trikot und schrieb auf Facebook:

Viel Spaß dabei und nicht jeden Quatsch glauben, den man so im Internet findet.

Quatsch? Echt? Gott sei Dank, dann müssen die Meldungen der Grünen Jugend auch eine Zeitungsente sein! Wir werden das natürlich sofort richtig stellen, wenn die Grüne Jugend das wünscht.

Bleibt festzuhalten: Scheinbar interessieren sich die Deutschen nicht für das erneute grüne Verbot. Überall tauchen wieder die deutschen Fahnen an den Autos, Häusern und Balkonen auf. Ganz entspannt, locker, lässig. Und es sind dank der „Grünschnäbel“ vermutlich einige tausend Fahnen mehr geworden.