Das Stasi-Puzzle: Magazin-Sachbearbeiter Udo Peters zeigt in der Außenstelle Neubrandenburg Säcke mit Schnipsel aus Stasi-Akten, die per Computer wieder zusammengefügt werden. (Foto: Imago/BildFunkMV)
DDR-Aufarbeitung

Kommissions-Arbeit für den Papierkorb

Der Bundestag hat die Vorschläge eines Expertenrates zur Zukunft der Stasi-Unterlagenbehörde erst mal ad acta gelegt. In der nächsten Legislaturperiode soll das neu gewählte Parlament entscheiden, ob die Aktenbestände tatsächlich ins Bundesarchiv wandern - oder ob die Behörde mit ihren zwölf Außenstellen so bleibt wie sie ist.

Sparen hätte die Stasi-Unterlagenbehörde eigentlich sollen, Außendienststellen schließen. Denn eine vom Bundestag eingesetzte Expertenkommission unter Vorsitz des ehemaligen Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, hatte festgestellt, dass immer weniger Betroffene in den Büros der Behörde in den ostdeutschen Bundesländern persönlich ihre Akten einsehen. Bis 2021 hätten die Bestände des Amtes laut dem Expertenrat ins Bundesarchiv nach Koblenz überführt werden sollen (der Bayernkurier berichtete).

Doch der für die Entscheidung über die Vorschläge der Böhmer-Kommission zuständige Kulturausschuss des Parlaments hat das Thema lieber in die nächste Legislaturperiode verschoben. Bei Anhörungen hatten zahlreiche Stasi-Opfer massiv gegen die Sparpläne interveniert. So dass die spürbare Verkleinerung der Behörde vorerst verschoben ist. Auch die Empfehlung des Gremiums, die Zukunft der Behörde in ein neues Gesetz zu fassen, setzt die Große Koalition erst einmal nicht um.

Der Bundesbeauftragte Roland Jahn bleibt im Amt

Dafür aber haben sich Union und SPD auf eine Personalie verständigt: Der derzeit kommissarisch amtierende Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, wird für eine weitere Amtszeit bestellt. Den Rückzieher des Bundestags-Ausschusses kommentierte Kommissionvorsitzender Böhmer in der Frankfurter Rundschau mit der Erfahrung eines langjährigen Parlamentariers und Regierungschefs: „Es gibt viele Kommissionen, die für den Papierkorb arbeiten. Kann sein, dass es uns auch so geht.“

Die Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen, wie sie vollständig heißt, bewahrt in ihren Archiven die 1990 sichergestellten Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR auf. Dabei handelt es sich um mehr als 111 Kilometer Aktenbestände und mehr als 1,7 Millionen Fotos. Das Amt stellt sie nach den Vorschriften des Stasi-Unterlagen-Gesetzes Privatpersonen, Institutionen und der Öffentlichkeit zur Verfügung. Neben der Zentrale in der Berlin verfügt es über 12 Außenstellen in Chemnitz, Dresden, Erfurt, Frankfurt/Oder, Gera, Halle, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Rostock, Schwerin und Suhl. Dort werden rund zwei Drittel aller Anträge auf Akteneinsicht gestellt.

Das große Stasi-Puzzle

Während der Revolution von 1989/90 beseitigten Mitarbeiter des MfS zahlreiche Akten, insbesondere diejenigen über Informelle Mitarbeiter (IM) und über Betroffene. Oft per Reißwolf. Bürgerrechtler stellten diese Schnipsel während der Wende sicher, insgesamt 16.000 Säcke mit zerrissenem Material. In einer spezialisierten Stelle in Zirndorf bei Nürnberg setzen Mitarbeiter der Unterlagenbehörde diese Aktenfetzen manuell wieder zusammen. Bislang haben sie in mühevoller Kleinarbeit 480 Säcke verarbeitet und ungefähr 1,2 Millionen Blätter wieder zusammengefügt. Zur Intensivierung dieser Tätigkeit schob die Behörde seit 2007 das Projekt „Virtuelle Rekonstruktion zerrissener Stasi-Unterlagen“ an. Mit Computer-Unterstützung soll das große Stasi-Puzzle schneller fertig werden.