Der Neubau einer Unterkunft für Flüchtlinge und Asylbewerber, wie hier in Marktoberdorf, kostet viel Geld. (Bild: Imago/Action Pictures)
Kommunalverbände

Kostenlawine durch Flüchtlinge

Die Kommunen brauchen endlich finanzielle Planungssicherheit für die Kosten der Bundesteilhabe und besonders bei der Integration von Flüchtlingen, erneuerte nach der Ministerpräsidentenkonferenz der Präsident des Bayerischen Landkreistages, Christian Bernreiter, seine Forderungen. Auch der Bayerische Städtetag fordert, die Kommunen müssten finanziell massiv entlastet werden.

Auf der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz konnten dem Vernehmen nach weitreichende Einigungen für die Reform des Ökostrom-Gesetzes EEG erzielt werden. Allerdings hatten sich laut Bernreiter die Kommunalpolitiker noch bis Ende letzter Woche darauf eingestellt, wichtige Wegweiser zu Bundesteilhabe und zur Integration von Flüchtlingen von der Bundespolitik zu erhalten. Diese Tagungsordnungspunkte werden nun auf der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz am 16. Juni behandelt. „Wir nutzen die Vertagung als Chance, unsere Forderungen nochmals eindringlich vorzubringen; schließlich sind beide Bereiche von herausragender finanzieller Bedeutung für die Kommunen“, sagt der Deggendorfer Landrat zu Beginn der Pressekonferenz im Haus der bayerischen Landkreise.

Umstrittene Bundesteilhabe

Der Präsident ist sich mit seinen kommunalen Kollegen einig, dass der aktuelle Entwurf zum Bundesteilhabegesetz allein schon wegen der offenen Finanzierungsfragen abgelehnt wird. Er fordert weiterhin die im Koalitionsvertrag zugesagte kommunale Entlastung in der Eingliederungshilfe in Höhe von fünf Milliarden Euro bei gleichzeitiger jährlicher Dynamisierung. „Es wäre absolut unverständlich, wenn dieses bedeutsame finanzielle Versprechen nur aufgrund von unterschiedlichen Zuständigkeitsregelungen in den Bundesländern nicht eingehalten werden könnte“, fügt Bernreiter an. Bayern zählt mit Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen zu den Bundesländern, in denen die Kommunen die Kosten der Eingliederungshilfe zu 100 Prozent tragen.

Diese betrugen im Jahre 2014 rund 2,2 Milliarden Euro und stellten den größten Einzelposten im Bereich der sozialen Ausgaben dar. Mehr als 1,1 Millionen Menschen erhalten aufgrund ihrer schweren Behinderung Leistungen aus der Eingliederungshilfe, beispielsweise für Schulbesuche, Behindertenwerkstätten oder Lebenshilfe allgemein. Die Kosten steigen jährlich.

Verlässliche Zahlen zu den Kosten der Integration von Flüchtlingen gibt es derzeit nicht. Rund 70 Prozent der in Bayern befindlichen Asylantragsteller erhalten aber nach Statistiken des BAMF derzeit einen Schutzstatus als Flüchtlinge. Sie sind damit zunächst für die nächsten drei Jahre berechtigt, in Deutschland zu verbleiben. Auch ohne Integrationsgesetze auf Bund- und Länderebene stellen sich Bayerns Kommunen deshalb bereits auf vielfältige Art und Weise den Integrationsaufgaben.

Diese finanziellen Mehrbelastungen können die Kommunen angesichts der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Integration nicht tragen.

Christian Bernreiter

Das Thema Wohnen ist dabei eines der größten Herausforderungen. Vielfach müssen die Flüchtlinge mangels vorhandenen sozialen Wohnraums noch in den staatlichen Unterkünften verbleiben. Dies kann nur eine vorübergehende Lösung sein, so Bernreiter. „Wir gehen davon aus, dass zunächst rund 90 Prozent der Flüchtlinge auf umfangreiche Sozialleistungen angewiesen sind, weil sie noch nicht in den Arbeitsmarkt vermittelt werden können“, sagt der Landrat. Beim Übergang vom Asylbewerberleistungsgesetz ins SGB II müssen die Kommunen derzeit zwei Drittel der Kosten der Unterkunft (KdU) tragen. Auf Bundesebene gehen die Kommunalen Spitzenverbände von KdU-Leistungen von mehr als 600 Millionen Euro aus. „Diese finanziellen Mehrbelastungen können die Kommunen angesichts der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Integration nicht tragen. Der Bund muss zu 100 Prozent die Kosten der KdU erstatten, und zwar im Wege einer Spitzabrechnung“, fordert der Landkreistagspräsident abschließend.

Finanzielle Mehrbelastungen für Kommunen im Freistaat Bayern

Der Bayerische Städtetag hat zusammen mit dem Bayerischen Landkreistag eine Umfrage zu den finanziellen Mehrbelastungen der bayerischen kreisfreien Städte und der Landkreise bei Aufnahme, Betreuung, Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern durchgeführt. Der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs OB Ulrich Maly (SPD), sagt bei der OB-Konferenz in Nürnberg: „Eine erste Auswertung zeigt, dass die bayerischen Kommunen im Jahr 2015 erhebliche finanzielle Mehrbelastungen tragen mussten – trotz der Erstattungsleistungen für Asylbewerber- und Flüchtlingsunterkünfte durch den Freistaat.“ Im Jahr 2015 sind in den kreisfreien Städten und den Landkreisen rund 212 Millionen Euro an ungedeckten Kosten vor allem für die Erstaufnahme einer hohen Zahl an Flüchtlingen im Herbst angefallen. Hinzu kommen die noch nicht im Gesamten erhobenen Kosten der rund 2000 kreisangehörigen Gemeinden. Für das Jahr 2016 sind weiter deutliche Steigerungen zu erwarten, vor allem die Personalkosten für dringend nötige Neueinstellungen schlagen dauerhaft auf die kommunalen Haushalte durch. Maly weiter: „Der notwendige Stellenaufwuchs bei Städten, Gemeinden und Landkreisen bringt erhebliche finanzielle Mehrbelastungen für die kommunalen Haushalte. Und weitere Kosten sind absehbar: Die Kommunen müssen mittelfristig erhebliche zusätzliche Kosten für Betreuungs- und Bildungseinrichtungen einplanen.“

Wir brauchen eine schnelle aufgabenbezogene finanzielle Entlastung der kommunalen Ebene.

Ulrich Maly

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer hatte im Herbst 2015 die kommunale Familie gebeten, die zusätzlichen Mehrbelastungen der Kommunen für Flüchtlinge und Asylbewerber in einem transparenten „Open-Book-Verfahren“ aufzuschlüsseln. „Der Freistaat Bayern muss nun die aufgezeigten steigenden Mehrbelastungen anerkennen und in den kommenden Jahren angemessen berücksichtigen. Wir brauchen eine schnelle aufgabenbezogene finanzielle Entlastung der kommunalen Ebene“, forderte Maly. Eine finanzielle Entlastung sei besonders dringend bei der wirtschaftlichen Jugendhilfe für unbegleitete Flüchtlinge, bei Verwaltungskosten und durch höhere staatliche Förderungen in Bildung und Erziehung. Die Entlastung müsse zudem – mit Ausnahme der Investitionsförderung für Betreuungs- und Bildungseinrichtungen – außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs stattfinden, denn der Zuzug von Flüchtlingen und Asylbewerbern sei eine Sondersituation.

Integration kostet viel Geld

„Bund, Land und Kommunen beackern fünf Felder der Integration. Drei weite Felder liegen vor allem bei den Kommunen: Wohnen, Kinderbetreuung und Schulen, Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bund und Land pflegen vor allem zwei Felder: Sprachkompetenz in Integrationskursen und Arbeitsförderung. Bei den Kommunen summieren sich mit steigender Tendenz enorme Kosten für Integration“, sagte der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Maly.

Für diese Kosten trägt der Bund die Verantwortung.

Ulrich Maly

Auch Maly sagt bei der Konferenz der Oberbürgermeister des Bayerischen Städtetags in Nürnberg: „Ein riesiger Kostenblock wächst mit den Kosten der Unterkunft. Der Bund muss die flüchtlingsbedingten Mehrkosten bei der Erstattung der Kosten der Unterkunft an Hartz-IV-Empfänger übernehmen.“ Die Kosten der Unterkunft insgesamt für alle Hilfeempfänger betrugen im Jahr 2015 für bayerische Kommunen rund 1 Milliarde Euro, so Maly. Die durch die Aufnahme von Flüchtlingen und Asylbewerbern zu erwartenden Mehrkosten der Unterkunft werden für das Jahr 2016 in Bayern auf über 200 Millionen Euro geschätzt. „Für diese Kosten trägt der Bund die Verantwortung. Der Staat darf Menschen nach der Anerkennung als Flüchtling oder Asylbewerber nicht aus der Erstaufnahme in die Obdachlosigkeit entlassen und dann vor die Türen des Rathauses schicken. Der Bund muss die Kosten der Unterkunft voll übernehmen, die vom Flüchtlingszuzug verursacht werden“, forderte Maly.

Die Kosten bei Erziehung und Bildung werden sich dynamisieren, da rollt eine Kostenlawine auf die Kommunen zu.

Ulrich Maly

Bei den Schulen seien Freistaat und Kommunen gemeinsam gefordert. „Es entstehen Kosten für Verwaltung, für Jugendsozialarbeit, Schulsozialarbeit, Sprachkurse, Integrationsangebote und Berufsbildung – alles das kostet Geld für die Kommunen und bedeutet einen zusätzlichen Personalaufwand in Kindertagesstätten, Schulen, Jugendämtern und Sozialämtern“, so Maly. „Die Kosten bei Erziehung und Bildung werden sich dynamisieren, da rollt eine Kostenlawine auf die Kommunen zu.“