Bagger an der Baustelle des Speichersees am Oberen Sudelfeld im Sommer 2014 (Foto: Imago/Stefan Prager)
Kunstschnee

Streit um 0,2 Prozent der Alpen

Nach dem warmen Winter haben die Skigebiets-Betreiber in Bayern eine überwiegend katastrophale Bilanz gezogen. Die politische Auseinandersetzung um die künstliche Beschneiung der Skiberge geht in die Sommersaison. Umweltministerin Ulrike Scharf nimmt zu ökologischen Auswirkungen Stellung.

Auf manchen Hängen liegen noch Reste von Schnee. Die Almen sind schon wieder per Auto erreichbar. An den Schleppliften auf dem Latschenkopf über Lenggries oder im Oberen Sudelfeld haben die Betreiber die Bügel demontiert. Alles scheint wie immer im Frühjahr. Doch der warme Winter 2015/16 hat tiefe Spuren hinterlassen. Nicht in der Landschaft in Bayerns Alpen, aber in den Bilanzen der Skigebiets-Betreiber. „Noch so einen Winter brauchen wir nicht“, sagt Egidius Stadler, Geschäftsführer der Bergbahnen-Sudelfeld.

Der Schneemangel zu Weihnachten und über Neujahr hat ihm und seinen Kollegen zwischen Bayerischem Wald und Allgäu einen dicken Strich durch die Rechnung gezogen. Sudelfeld: minus 25 Prozent Skifahrer in der abgelaufenen Saison. Spitzingsee: ebenfalls minus 25 Prozent. Brauneck: minus 30 Prozent. Nur die Pistenmacher von Garmisch-Partenkirchen haben von der Not der Konkurrenz profitiert. Das Gebiet „Garmisch Classic“ zwischen Hausberg und Alpspitze konnte die Zahl der verkauften Lifttickets stabil halten, auf den Zugspitz-Gletscher kamen wegen der Schneesicherheit sogar 20 Prozent mehr Wintersportler. Insgesamt aber eine schlechte Saison in den bayerischen Skigebieten in Zeiten der Erderwärmung.

Schäden sind über 1400 Metern „gravierend“

Während jetzt im Frühjahr auf vielen Höhenzügen wieder die Blumen blühen, entfaltet sich aufs Neue der politische Streit um die Schneekanonen. Auf eine Anfrage mehrerer SPD-Abgeordneter im Landtag zu den ökologischen Auswirkungen von Beschneiungsanlagen hat jetzt Umweltministerin Ulrike Scharf geantwortet. In ihrem Schreiben stellt sie fest dass, die Anlagen mit Speicherteichen, Pumpstationen, Zapfstellen „oft im Kontrast zum traditionellen Landschaftsbild des alpinen Kultur- und Naturraums stehen“.  Nach der Verlegung von Wasser- und Stromleitungen unter den Pisten könne es „viele Jahrzehnte dauern, bis sich Humusschicht, Bodenleben sowie Pflanzen- und Tierwelt von den Eingriffen erholen können“. Je höher das betroffene Ökosystem liege, desto länger. Als „gravierend“ werde der Einfluss auf die Vegetation in Lagen über 1400 Metern eingeschätzt.

Die SPD sieht sich in ihrer Kritik an der staatlichen Förderung von Skiliften und Beschneiungsprojekten bestätigt. Es handle sich um „schwerwiegende Eingriffe in die Natur“. Die verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Genehmigung solcher Anlagen müsse künftig schon ab 1400 Metern erfolgen. Bisher ist sie erst ab 1800 Metern vorgeschrieben, wie auch Ministerin Scharf in einer Antwort auf die SPD-Kritik bestätigt. In diesem zweiten Schreiben betont sie: „Eingriffe in Natur und Landschaft müssen auf Grund des Bundes-Naturschutzgesetzes minimiert beziehungsweise durch Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen kompensiert werden.“ Durch die Genehmigungsverfahren für Beschneiungsanlagen, die über die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden laufen, sieht sie sichergestellt, „dass die verschiedenen Belange bestmöglich berücksichtigt werden“. Außerdem bestehe auch unterhalb von 1800 Metern Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung, sofern die beschneite Fläche eine bestimmte Größe überschreite.

Nur auf 0,2 Prozent der bayerischen Alpen fällt Kunstschnee

Bei aller Sorge um Tiere und Pflanzen auf den Kunstschnee-Hängen: Die bayerischen Alpen erstrecken sich über eine Gesamtfläche von 420.000 Hektar – von denen laut der aktuellsten Statistik von 2014 lediglich 888 Hektar künstlich beschneit werden. Das entspricht 0,2 Prozent der Bergfläche. Ein Blick auf die bayerischen Skigebiete zeigt zudem, dass der überwiegende Teil der Pisten im Freistaat unterhalb der umstrittenen 1400 Höhenmeter liegt. Am weitesten gehen das Zugspitz-Plateau und das Gebiet „Garmisch Classic“ darüber hinaus, wo die Hänge zwischen Alpspitze und Osterfeldkopf bis auf 2050 Meter reichen, das Hausberg-Gebiet aber unterhalb der kritischen Grenze bleibt. Im Sudelfeld reichen die meisten Pisten nicht über die Speckalm auf 1467 Metern hinaus. Auch bei Lenggries liegen nur der Brauneck-Gipfel und der Latschenkopf oberhalb des „Idealhangs“ in der problematischen Zone. Am Spitzingsee erreicht der Stümpfling 1484 Meter, und lediglich der Roßkopf-Lift führt noch weiter hinauf. Bei Oberstdorf erreichen die höchsten Lifte an der Kanzelwand allerdings 1957 Meter, wo auch der Speichersee für die Schneekanonen liegt.

Die von der CSU-Landtagsfraktion angestoßene „Zukunftsstrategie für den Alpenraum“ schlägt vor, den Wintertourismus auf einige beschneite Gebiete zu lenken, um den großen Rest der bayerischen Berge zu schonen. Es sei wichtig, „diesen Wirtschaftssektor an die wandelnden Klimabedingungen anzupassen“. Neue Schneekanonen alleine könnten keine Abhilfe schaffen, sie rundweg abzulehnen löse jedoch die ökonomischen Probleme der Skiorte nicht.