Minister Müller fordert 10-Milliarden-Fonds von EU
Im Interview mit dem BAYERNKURIER kritisiert Bundesentwicklungsminister Gerd Müller die europäische Flüchtlings- und Entwicklungspolitik scharf. Die Nachbarschaftspolitik der EU sei „gescheitert“ und müsse „neu konzipiert“ werden. Die fehlende Solidarität im überwiegenden Teil der Mitgliedsstaaten nannte der CSU-Politiker „beschämend“. Es fehle aber auch an einem koordinierten Ansatz in Brüssel.
Entwicklungshilfe

Minister Müller fordert 10-Milliarden-Fonds von EU

Im Interview mit dem BAYERNKURIER kritisiert Bundesentwicklungsminister Gerd Müller die europäische Flüchtlings- und Entwicklungspolitik scharf. Die Nachbarschaftspolitik der EU sei „gescheitert“ und müsse „neu konzipiert“ werden. Die fehlende Solidarität im überwiegenden Teil der Mitgliedsstaaten nannte der CSU-Politiker „beschämend“. Es fehle aber auch an einem koordinierten Ansatz in Brüssel.

Die EU-Kommission müsse die Flüchtlingspolitik „zur Chefsache“ machen und ihren Haushalt mit einem 10-Milliarden-Euro-Fonds für Flüchtlings- und Entwicklungspolitik „neu aufstellen“, fordert Bundesentwicklungsminister Gerd Müller im Interview mit dem BAYERNKURIER. Mit seinem Apell in Richtung Brüssel geht er sogar noch einen Schritt weiter: Die Länder der EU, die nicht entsprechend ihrer Größe Flüchtlinge aufnehmen, müssten „verpflichtet werden, in diesen Fonds einzubezahlen oder ihnen werden die vorhandenen Gelder aus Brüssel gekürzt.“ Deutschland könne die Probleme der Krisenländer der Welt nun einmal nicht alleine bewältigen: „Wir tun viel. Wir gehen voraus, aber es fehlt die europäische Solidarität, der Gesamtansatz. Brüssel müsste seinen Haushalt neu aufstellen und umfinanzieren“, betonte Müller.

Ein gemeinsamer, koordinierter Auftritt der 28 Mitgliedstaaten mit einem Fonds, der mit 10 Milliarden Euro gefüllt wird, könnte die Situation in und um den Irak beziehungsweise Syrien, was den humanitären Bereich anbelangt, stabilisieren, so dass keiner mehr flüchten müsste.

Gerd Müller, Bundesentwicklungsminister, CSU

Flüchtlings- und Entwicklungspolitik müsste Chefsache sein

„Nur, wenn wir die Bekämpfung der Fluchtursachen als europäische Aufgabe, als Aufgabe der Weltgemeinschaft begreifen und Entwicklungsarbeit nicht als Almosen verstehen, sondern in einer neuen Dimension umsetzen, dann sind die Probleme beherrschbar“, machte der Bundesentwicklungsminister deutlich. Die Hilfe vor Ort sei am wirksamsten und habe „den 50-fachen Effekt“. Zudem habe er bei seinen zahlreichen Reisen in die Krisenregionen erfahren, „dass die Menschen in erster Linie in ihrer Heimat bleiben“ wollten. „Zusammen mit der internationalen Staatengemeinschaft müssen wir an den Ursprung gehen und in diesen Ländern Strukturen schaffen, damit die Menschen vor Ort bleiben können und sich nicht auf den Weg nach Europa machen.“ Leider fehle es in Brüssel an dem koordinierten Gesamtansatz.

Wir haben keinen EU-Flüchtlingskommissar, wir haben vier Kommissare, die sich alle in Teilbereichen um die Dinge kümmern. Das Thema ist aber so aktuell und von so großer Bedeutung für die EU – das müsste Chefsache sein!

Gerd Müller

Konzept der „konzentrischen Kreise“ für Europa

Der CSU-Minister betonte, dass er nach wie vor auf Europa setze. Es stehe aber außer Zweifel, dass man aus der Krise schnellstens lernen und eine „neue Qualität der Zusammenarbeit in Europa“ finden müsse. „Gerade die Flüchtlingsherausforderung, aber auch andere Themen wie die Terrorgefahr, der Krieg vor der Haustür im Irak und Syrien, zeigen, dass wir ein Mehr an Europa brauchen und eine Weiterentwicklung Europas. Besonders, wenn wir die Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik betrachten.“ Aber es müsse etwas geschehen, machte Müller klar, einem „Weiter-so“ erteilte er eine deutliche Absage.

Wenn das nicht mit 28 Ländern funktioniert, dann müssen wir auf das Konzept der konzentrischen Kreise, das Theo Waigel, Wolfgang Schäuble und andere vor 20 Jahren entwickelt haben, zurückgreifen: Es muss einen Kern geben von sechs, neun oder zwölf Staaten, die sagen, wir gehen voraus, was die Frage der Außen-, der Verteidigungs- und der Entwicklungspolitik angeht.

Gerd Müller

Diese sollten die Probleme dann gemeinschaftlich angehen und lösen. Es sei zwar ärgerlich, dass es keinen Konsens zwischen allen 28 Mitgliedsländern gebe, aber „wir können nicht warten auf den Letzten in der Europäischen Union“, machte Müller deutlich und warnte: „Wir können nicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zurückfallen. Die Folgen wären nationale Eigenansätze und ein Zerbröseln der EU.“

Das BAYERNKURIER-Monatsmagazin

Das komplette Interview mit Bundesentwicklungsminister Gerd Müller erscheint kommenden Samstag im neuen Bayernkurier-Magazin.

Alle Informationen finden Sie unter diesem Link.