Die Zweite Stammstrecke soll kommen: So sieht eine fertige Tunnelröhre aus. (Bild: www.2.Stammstrecke-Muenchen.de)
Baurecht erteilt

Die Zweite Stammstrecke kann kommen

Die Planungen für eine zweite S-Bahn-Stammstrecke in München haben nach einigen Verzögerungen eine entscheidende Hürde genommen. Am Montag erließ das Eisenbahnbundesamt den lang erwarteten Planfeststellungsbeschluss für das letzte der insgesamt drei Teilstücke. Damit besteht nun Baurecht für die gesamte Strecke. Nun muss noch die Finanzierung geklärt werden, dann kann es losgehen.

Ein Sprecher des Eisenbahnbundesamtes bestätigte am Dienstag einen entsprechenden Bericht des „Münchner Merkur„. Der bisherige Zeitplan sieht vor, dass noch dieses Jahr mit vorbereitenden Baumaßnahmen begonnen wird. Die Inbetriebnahme ist für 2025 geplant. Als Stammstrecke wird in München der Streckenabschnitt von Pasing durch die Innenstadt bis zum Ostbahnhof bezeichnet, durch den alle S-Bahnen durchfahren und der bei Störungen schnell zum Nadelöhr wird.

Damit besteht nun Baurecht für die gesamte Strecke. Bevor mit dem milliardenteuren Bau begonnen wird, muss aber die Finanzierung noch einmal endgültig geklärt werden. Dazu soll bis Mai – nach Abschluss eines ersten Ausschreibungsverfahrens – eine neue Kostenschätzung vorliegen.

„Die zweite Stammstrecke muss kommen. Sie ist eines der wichtigsten Verkehrsprojekte im Personen-Nahverkehr. München ist ein zentraler Verkehrsknotenpunkt Bayerns. Wir können den Wohlstand in Deutschland nur sichern, wenn Wirtschaftswachstum vorangetrieben wird. Und das klappt nur, wenn wir Infrastruktur zur Verfügung stellen. Die zweite Stammstrecke ist dringend notwendig, um den Druck von der seit Jahren völlig überlasteten bisherigen Strecke zu nehmen. Ich unterstütze das Projekt deshalb mit voller Überzeugung. Wir müssen schnell zur Umsetzung der zweiten Stammstrecke kommen. Der Planfeststellungsbeschluss für den Abschnitt zwischen dem westlichen Isarufer und dem Leuchtenbergring ist dazu ein weiterer wichtiger Schritt“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt.

Das Herzstück für München

 

Als „Durchbruch für den Bau der zweiten S-Bahnstammstrecke“ bewertete die IHK für München und Oberbayern die jetzt durch das Eisenbahnbundesamt erteilte Baugenehmigung für den dritten Streckenabschnitt. „Die zweite S-Bahnröhre ist das Herzstück im Verkehrskonzept der Metropolregion München, um den drohenden Verkehrskollaps zu verhindern“, betonte Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern. Jetzt gehe es darum, die endgültige Finanzierung der Stammstreckenerweiterung zu sichern. An ihr müssten sich alle Akteure – also Bund, Bahn, Freistaat und auch die Landeshauptstadt – beteiligen, so der IHK-Hauptgeschäftsführer. Der jetzt vom bayerischen Verkehrsministerium eingeschlagene Weg, für die schon genehmigten Bauabschnitte bereits Kostenvoranschläge einzuholen, sei „ein Schritt in die richtige Richtung“, um eine solide Verhandlungsbasis für die ausstehende Finanzierungsvereinbarung zu erhalten.

Mit 840.000 Fahrgästen an einem durchschnittlichen Werktag ist die S-Bahn München beim Schienenpersonennahverkehr mit Abstand das größte Netz in Bayern.

Joachim Herrmann

Auch die Staatsregierung hält am engen Zeitplan für den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke in München fest, mahnt aber zur Eile. Man gehe immer noch von einer Fertigstellung im Jahr 2025 aus, sagte Staatskanzleichef Marcel Huber bereits im März. Es gebe auch keine konkreten Hinweise, dass man diesen Zeitplan anzweifeln müsste. Huber verwies aber darauf, dass „einige Dinge“ zeitgleich passieren müssten, damit es dabei bleibe. Eine neue, endgültige Kostenschätzung soll bis spätestens Mai vorliegen – nach Abschluss eines ersten Ausschreibungsverfahrens. Nach den internen Informationen, die man habe, sei aber außer den „üblichen Kostensteigerungen“ nichts zu erwarten, also keine „Kostenexplosion“.

Die Staatsregierung forderte den Bund auf, seine Mitfinanzierungszusage bis spätestens zum Sommer verbindlich zu erklären. „Die Erklärung des Bundes ist die Voraussetzung für den Freistaat, seinerseits gegenüber der Bahn finanzielle Zusagen für die zweite Stammstrecke verbindlich zu erklären und damit auch die Voraussetzung für einen Baubeginn zu schaffen“, erläuterte Verkehrsminister Joachim Herrmann. „Mit 840.000 Fahrgästen an einem durchschnittlichen Werktag ist die S-Bahn München beim Schienenpersonennahverkehr mit Abstand das größte Netz in Bayern. Etwa 61 Prozent aller Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr auf der Schiene fahren mit der S-Bahn München.“

Der Bau

Um die bestehende Stammstrecke zu entlasten, soll auf rund zehn Kilometern zwischen den Bahnhöfen Laim im Westen und Leuchtenbergring im Osten eine zweite Stammstrecke gebaut werden. Kernstück ist ein sieben Kilometer langer Tunnel, der den Hauptbahnhof und den Ostbahnhof miteinander verbindet. Der Tunnel verschwindet von Laim kommend kurz vor der Donnersbergerbrücke unter der Erde und taucht zwischen Ostbahnhof und Leuchtenbergring wieder an der Oberfläche auf. Aufgrund der Vorgaben des Brand- und Katastrophenschutzes werden die beiden neuen Gleise in getrennten Röhren geführt. Die Gesamtlänge der beiden Tunnelröhren beträgt deshalb rund 14 Kilometer.

Der 2. Stammstreckentunnel wird drei neue unterirdische Stationen am Hauptbahnhof, Marienhof und Ostbahnhof erhalten. Mit nur drei Stationen ermöglicht die neue Stammstrecke deutlich kürzere Fahrzeiten. Weil mehrere U-Bahn-Linien gekreuzt werden müssen, liegen die Stationen in rund 40 Metern Tiefe. Mit Aufzügen und Rolltreppen können die Fahrgäste die Höhenunterschiede rasch und bequem überwinden. Zu den Stationen der U-Bahn und der bestehenden S-Bahn wird es unterirdische Übergänge geben.

Schutz der Anwohner

Die 2. Stammstrecke wird mit Rücksicht auf die Stadt und ihre Bewohner gebaut, so das Bayerische Bauministerium. Verschiedene Maßnahmen, etwa der Einsatz von Schallschutzwänden oder der Baustellenverkehr über die Schiene, sollen dazu beitragen, dass die Belastungen für die Anwohner möglichst gering bleiben.
In den insgesamt circa sechs Jahren Bauzeit findet ein Großteil der Vortriebsarbeiten unterirdisch statt, weshalb die Münchner nur wenig mitbekommen werden. Hier stehen die Maschinen auch nachts nicht still, sodass die Arbeiten schnell vorankommen können. Die Erde, die beim Tunnelvortrieb anfällt, wird hauptsächlich über die Schiene abtransportiert. Der überwiegende Teil der Materialien für den Bau und die Ausrüstung der Tunnel kommt ebenfalls über die Schiene. Offene Baugruben werden auf kleine Bereiche, etwa am Marienhof hinter dem Münchner Rathaus, begrenzt und durch Schallschutzwände abgeschirmt. Meist soll hier nur tagsüber gearbeitet werden, und dies auch nur für begrenzte Zeiträume.

Die Kostenfrage

Als Gesamtkosten werden 2,047 Milliarden Euro angepeilt mit einer Risikoreserve von 500 Millionen Euro. 1,274 Milliarden Euro zahlt der Freistaat Bayern, 493 Millionen Euro der Bund, 147 Millionen Euro die Landeshauptstadt München und 133 Millionen Euro die Deutsche Bahn. Von der Reserve übernehmen Freistaat und Deutsche Bahn zusammen 40 Prozent, der Bund soll 60 Prozent tragen. Der Freistaat Bayern will sich vor unkalkulierbaren finanziellen Risiken schützen und daher erst über die endgültige Realisierung entscheiden, wenn die Deutsche Bahn dem Freistaat eine sachgerechte Kostenermittlung unter Einbeziehung von ersten Ausschreibungsergebnissen für Hauptbaumaßnahmen im westlichen Teil der Zweiten Stammstrecke vorlegt und der Bund seine in Aussicht gestellte Mitfinanzierung verbindlich macht.

Zeitliche Verschiebungen im Projekt auf Grund der umfangreichen Planfeststellungsverfahren machen Anpassungen in den prognostizierten Gesamtkosten notwendig, das ist jedem klar. Nachdem im Juni 2015 der zweite Planfeststellungsbeschluss für die Zweite Stammstrecke erlassen wurde, ging die Deutsche Bahn im Juli 2015 unter Berücksichtigung von angenommenen Preissteigerungen und anderer Risiken „mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit über 50 Prozent“ von Gesamtkosten in Höhe von 2,882 Milliarden Euro bei einer Inbetriebnahme im Jahr 2025 aus. Der Freistaat Bayern und die Deutsche Bahn stimmen aber überein, dass Aussagen über Kosten zum jetzigen Zeitpunkt nur bedingt belastbar sind. Entscheidend wird die oben genannte sachgerechte Kostenermittlung sein. Diese bildet eine belastbare Grundlage, um endgültig über die Realisierung der Zweiten Stammstrecke entscheiden zu können.