Tradition im Rheinland: junge Männer stellen ihrer Angebeteten in der Nacht zum ersten Mai einen Baum in den Garten. (Bild: imago/Blickwinkel)
Brauchtum

Ein Maibaum für die Liebe

Während in Bayern die Dörfer um ihren Maibaum bangen, zieht man im Rheinland in der Mainacht los, um seiner Liebsten einen Baum zu stellen. Dabei gilt es, wichtige Dinge zu beachten – denn auf die Größe kommt es eben doch an. Und auch in der Region Köln ist der Baum nicht sicher vor Diebstahl. Der Maibaumklau wird jetzt übrigens in Bayern einfacher: Die Staatsregierung hat ihn entbürokratisiert.

Wenn im Rheinland der April zu Ende geht, werden die Mädels unruhig. Dass junge Männer ihrer Angebeteten in der Nacht zum ersten Mai einen Baum in den Garten stellen, ist hier seit Jahrhunderten Tradition.

30. April, 17 Uhr nachmittags auf einem Innenhof in Rauschendorf, nahe Bonn: Lars, Peter und acht weitere Jungs sind gerüstet. In der Einfahrt steht ein drei Meter lange Anhänger, darin Sägen, Äxte und fünf Kisten Bier. Gleich geht`s in den Wald zum Maibaumschlagen. Dort suchen sie sich die schönsten Maibäume für ihre Herzensdamen aus. Lars weiß, worauf es bei der Baumauswahl ankommt. „Ein perfekter Maibaum ist hoch gewachsen, hat einen relativ dünnen Stamm – damit man ihn noch aufstellen kann – und eine üppige Krone.“

Auf die Größe kommt es an

Etwa eine Stunde dauern die Waldarbeiten im Auftrag der Liebe. Die meisten Bäume sind über zehn Meter lang. Zu hoch sollten sie nicht sein. Denn ist der Baum höher als der Hausgiebel, gilt das öffentliche Liebesgeständnis per Baum gleich als Hochzeitsantrag. Am Ausgang des offiziellen Maibaumforstes zahlen Lars und seine Freunde für die Bäume: 15 Euro bekommt der Förster pro Birke.

Frauen als Leihgabe

Ursprünglich war das Maibaumstellen Teil des so genannten „Mailehenbrauchs“, einer Art dörflicher Partnervermittlung, die im 17. Jahrhundert entstand. Dabei wurden die unverheirateten jungen Frauen eines Dorfes den Junggesellen für eine bestimmte Zeit als Leihgabe, „Lehen“, übergeben. Das geschah nach einem bestimmten Verfahren, sodass im Monat Mai in den Dörfern lauter Maipaare zueinander fanden. Die Maiversteigerungen sollten den dörflichen Heiratsmarkt regeln mit dem Ziel, Ehen innerhalb des Dorfes zu schließen. Wer das höchste Gebot für ein Mädchen abgab, war Maikönig und sie entsprechend Maikönigin. Dabei gehörte es zum festen Brauch, dass jeder Maibräutigam seiner Maibraut einen mit bunten Bändern geschmückten Baum aufstellte.

Tannen sind Schandbäume

Diese Tradition des „Maibaumstellens“ hat sich in vielen rheinischen Dörfern in der Region Köln/Bonn bis heute gehalten. Ehen ergeben sich aus den Maifeiern eher seltener, als Single-Börsen sind sie aber immer noch beliebt. Und die Maibäume sind Indiz dafür, wie begehrt Mädels bei den Jungs sind. Schauen die Mädchen am Morgen vor ihr Fenster, stellt sich vielen noch die Frage: Wer hat ihn gebracht? Peinlich aber ist, wenn eine Tanne oder ein Kirschbaum an der Wand lehnt. Diese sind keine Liebes-, sondern eine Schandmaie. Beweis dafür, dass sich das Mädchen bei jemandem unbeliebt gemacht hat.

Maibaum in Gefahr

Lars ist froh, er hat seinen Liebesbaum mit Paketband und Schnüren an die Straßenlaterne gebunden.

Peter hat ihn sogar im Vorgarten mit einer schweren Metallkette am Zaun festgemacht. Das hat nämlich der rheinische Maibaum mit seinem bayerischen Kollegen gemein: auch er ist in Gefahr, von männlichen Rivalen nachts geklaut zu werden. Und es kann auch schon einmal vorkommen, dass sich gleich zwei Verehrer vor dem gleichen Fenster der Angebeteten treffen …

Maibaumklauen in Bayern

Während sich im Rheinland jeder Mann selbst um seinen Baum kümmern muss, geht es in Bayern in vielen bayerischen Gemeinden rund. Oft sind ausgefeilte Strategien nötig, um im richtigen Moment den Baum einer Nachbargemeinde zu stehlen. Dabei darf der Maibaum nicht von Bürgern der eigenen Gemeinde, sondern nur von Burschen anderer Gemeinden gestohlen werden. Stoppt jemand die Räuber beim Abtransport innerhalb der Gemeindegrenzen, müssen sie die Beute sofort kampflos zurückgeben. Sonst muss der geklaute Baum von den Opfern noch vor Ende April ausgelöst werden. Dafür müssen schon mal 50 bis 150 Liter Bier fließen und eine kräftige Brotzeit sollte ebenfalls parat liegen.

Staatsregierung schützt Brauchtum

Aber nicht nur die Baumwachen der Gemeinden, auch bürokratische Hürden erschweren die Diebstähle. Deshalb hat sich Staatskanzleichef Marcel Huber – selbst bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv – dafür eingesetzt, dass das Landratsamt nicht mehr den Maibaumtransport genehmigen muss. Ab sofort muss nur noch der jeweilige Bürgermeister der örtlichen Feuerwehr die Erlaubnis erteilen, die Maibaumdiebe ordnungsgemäß zu begleiten.

Bayern bleibt nur Bayern, wenn seine Traditionen gepflegt werden können. Wir müssen versuchen, bei ehrenamtlichen Veranstaltungen noch konsequenter pragmatische und flexible Lösungen zu finden.

Marcel Huber, Staatskanzleichef

Ziel der Initiative ist es, in enger Absprache und Zusammenarbeit mit den Kommunen einen „Leitfaden“ für Vereine zu entwickeln, wie sie bei Veranstaltungen alles richtig machen können – möglichst schnell und unbürokratisch. Staatsminister Huber will sich auch für sogenannte „Ehrenamtslotsen“ in den Landkreisen und kreisfreien Städten einsetzen: „Engagierte Ansprechpartner sind meistens die beste Hilfe durch den Behördendschungel.“

Frauen gefragt

Warum ist als Maibaum eigentlich die Birke auserkoren worden? Sie gilt als Symbol des Frühlings und der wiedererwachenden Natur. Und in diesem Jahr ziehen im Rheinland übrigens auch die Mädels in der Nacht los. Denn im Zuge der Gleichberechtigung hat sich beim Maibaum-Brauch in den vergangenen Jahren ein zusätzlicher Trend entwickelt: In Schaltjahren setzen auch die Frauen ihrem Liebsten einen Baum. Schließlich gibt es am Ende des Monats traditionell eine Kiste Bier, wenn Verehrer oder Verehrerin den Baum wieder abholt.