Der Grünen-Politiker Volker Beck. (Bild: Imago/Christian Ditsch)
Volker Beck

Tiefer Fall vom hohen Ross

Kommentar Der Grünen-Politiker Volker Beck kann gut sechs Wochen nach dem Drogenfund bei ihm aufatmen: Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren wegen geringer Schuld eingestellt. Er muss aber 7000 Euro zahlen, mit Blick auf vergleichbare Fälle keine geringe Strafe. Seine Entschuldigung und sein Schweigen lassen allerdings vieles offen. Besser wäre ein Mandatsverzicht des Grünen.

Das Ermittlungsverfahren wurde nach Paragraph 153a der Strafprozessordnung gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 7000 Euro eingestellt. Am 1. März war Beck in Berlin-Schöneberg in eine Drogenkontrolle geraten. Die Bild-Zeitung meldet dazu: „Er hatte zuvor eine Dealerwohnung in der Eisenacher Straße verlassen. Die Beamten fanden 0,6 Gramm Crystal Meth bei ihm.“ Auch die Agentur dpa bestätigt, dass es sich um die gefährliche Droge Crystal Meth handelte. Am folgenden Tag trat Beck von allen Fraktions- und Parlamentsämtern zurück.

Eine unzureichende Entschuldigung

„Mein Verhalten war falsch und es war dumm“, sagte der Bundestagsabgeordnete in seiner dürftigen Entschuldigung. „Das tut mir leid.“ Der Vorgang betreffe seine Privatsphäre, weshalb er sich dazu öffentlich nicht mehr äußern werde. Beck begründet das so: „Abgeordnete müssen wie alle Bürgerinnen und Bürger im Rechtsstaat die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns tragen. Das ist richtig und gut so. Aber für sie gelten, wenn sie Beschuldigte oder Tatverdächtige sind, auch die gleichen Rechte wie für andere auch: Das Recht zu schweigen und das Recht auf Privatsphäre.“

„Er zahlt 7000 Euro, bittet um Entschuldigung und erklärt alles Weitere zur Privatsache. Motto: Deckel drauf und gut ist“, moniert dagegen etwa Bild-Kommentator Peter Tiede die Erklärung Becks.

Crystal Meth ist eine harte und gefährliche Droge und sie ist verboten. Das hat mit liberaler Drogenpolitik nichts zu tun.

Katrin Göring-Eckardt, Grüne Fraktionschefin im Bundestag

Seine fadenscheinige und freche Begründung, die er kurz nachdem er erwischt worden war, abgab, hält er für falsch verstanden. Er habe sich „immer für eine liberale Drogenpolitik“ eingesetzt, sagte er damals. Das hörte sich so an, als ob hier einer beim Joint rauchen und nicht mit der gefährlichen Designerdroge Crystal Meth erwischt worden wäre. „Crystal Meth ist eine harte und gefährliche Droge und sie ist verboten“, kommentierte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, damals diese Einlassung. „Das hat mit liberaler Drogenpolitik nichts zu tun.“ Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sagte: „Bestehende Gesetze werden durch den Deutschen Bundestag geändert und nicht, indem man dagegen verstößt. Das müsste Herr Beck als langjähriger Parlamentarier eigentlich wissen.“ Nun stellte Beck klar:

Damit meine ich, dass Menschen nicht kriminalisiert werden sollten, wenn sie Drogen konsumieren. Ich habe aber niemals den Konsum von Drogen oder gar bestimmter Substanzen verharmlost oder verharmlosen wollen. Dass dies missverstanden werden konnte, dafür bitte ich um Verzeihung. Selbstverständlich wollte ich mich mit diesem Satz auch nicht über das Gesetz stellen.

Er sei noch krankgeschrieben und dürfe laut seinem Arzt allenfalls „stundenweise die Arbeit wieder“ aufnehmen. Nun werde er erst mal mit Fraktion und Partei reden.

Reicht das als Konsequenz?

Aber reicht dieses Eingeständnis, man habe dumm und falsch gehandelt, aus? Denn sein Mandat niederlegen will Beck offenbar nicht, auch wenn er die besondere Vorbildfunktion eines Bundestagsabgeordneten dabei übersieht (wie übrigens auch der mit der gleichen Droge erwischte SPD-Abgeordnete Michael Hartmann). Der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter, freute sich darüber auch noch: „Volker Beck wird sein Mandat behalten und wir freuen uns darüber. Welches Amt er künftig in der Fraktion ausüben wird, werden wir zusammen mit ihm besprechen.“ Aus Becks Umfeld hieß es, er strebe nicht an, wieder innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion zu werden. Ob er wieder religionspolitischer Sprecher werde, müsse die Grünen-Fraktion entscheiden, sagte ein Vertrauter.

Wenn andere durch fehlerhafte Doktorarbeiten ihre Ämter und Mandate verlieren, warum sollte dann der Konsum harter Drogen wie ein Kavaliersdelikt behandelt werden?

Auch der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir plädierte für eine zweite Chance, die man getreu dem christlichen Menschenbild jedem Menschen geben sollte. Das ist erstaunlich und sollte in Erinnerung behalten werden, nicht nur wegen der unerwarteten Berufung auf das christliche Menschenbild. Denn bei jeder Verfehlung von Unionsabgeordneten sind es immer die Grünen, die zuerst und sofort „Kreuzigt ihn“ rufen und „absolute Transparenz“ und „Offenlegung aller Fakten“ fordern. Gleiches Recht für alle? Oder sind einige gleicher als die Anderen? Man denke nur zurück an die Plagiatsfälle in Doktorarbeiten. Doch wenn andere durch fehlerhafte Doktorarbeiten ihre Ämter und Mandate verlieren, warum sollte dann der Konsum harter Drogen wie ein Kavaliersdelikt behandelt werden?

Eine Randfrage

Hier braucht es für die Zukunft auch eine klare Position des Bundestages: Denn natürlich ist nicht ausgeschlossen, dass es weitere Abgeordnete gibt, die ebenfalls Drogen konsumieren.

Ganz nebenbei ist beispielsweise aber auch eine Randfrage zu klären: Ist Beck irgendwann nach Drogenkonsum Auto gefahren? Dass solches Verhalten andere Menschen gefährdet, bedarf keiner weiteren Erörterung. Auch wenn Beck als bekennender Fußgänger und Radfahrer gilt, bei der Kontrolle zu Fuß unterwegs war und vielleicht nicht mal ein Auto besitzt, bedarf auch dieser Punkt für einen Bundestagsabgeordneten der Aufklärung.

Das hohe Ross

Nun könnte man sagen, es ist doch auch vorbildlich, wenn man sich nach Drogenkonsum einer Therapie unterzieht, wie es beispielsweise Hartmann tat und Beck möglicherweise auch – so legen es seine Andeutungen über ärztliche Behandlung jedenfalls nahe. Ein Fehler liegt erst vor, wenn man ihn wiederholt, so heißt es schließlich. Nur weiß ja niemand, wie lange Beck schon Crystal Meth konsumiert hat. Und lässt sich ein länger dauernder Entzug für harte Drogen überhaupt mit dem Bundestagsmandat vereinbaren?

Seine Worte haben nicht viel erklärt, aber viele Fragen offengelassen.

Peter Tiede, Bild-Zeitung

Man vergisst auch leicht, auf welch hohem moralischen Ross gerade Volker Beck immer daher geritten kam. „Seine Worte haben nicht viel erklärt, aber viele Fragen offengelassen: Ist er drogenabhängig? War es ein Ausrutscher? Waren die Drogen nur für ihn oder auch für andere? Hat er ein schlechtes Gewissen? Wenn Beck wirklich zurück will in die Politik, dann muss er all das erklären. So gilt: Beck, der Moralist, legt an sich selbst zu niedrige Maßstäbe an“, fragt zurecht Bild-Kommentator Tiede. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl legte Beck nahe, nach seinen Ämtern auch sein Bundestagsmandat niederzulegen: „Volker Beck hat bei uns Kollegen immer sehr hohe moralische Maßstäbe angelegt. Das möge er jetzt bitte auch bei sich selbst tun.“

Der selbstgerechte Geiferer

Rücksicht auf den selbstgerechten Alt-Linken Beck muss man jedenfalls nicht nehmen, diese Eigenschaft war ihm selbst nie zu eigen. Auch einen fairen und respektvollen Umgang, wie seine Parteifreunde scheinheilig für ihn einfordern, hat er selber selten gewährt. „Stoiber betätigt sich beim Aufstieg der AfD als Liftboy für Salonrassisten. Wer unreflektiert den rechten Müll der AfD in CSU-Parolen übersetzt, der legitimiert deren Hetze und schafft Akzeptanz für Menschenfeindlichkeit“, geiferte Beck erst kürzlich, als Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber Angela Merkels Flüchtlingspolitik kritisierte. Abgesehen von dem üblichen und lahmen linken Totschlagargument, dass man rechten Hetzern schon dann die Steigbügel hält, wenn man nicht jeden Flüchtling mit einem Küsschen begrüßt, vergiftete die Wortwahl von Beck immer wieder das politische Klima in unerträglicher und vor allem in unnötiger Weise. „Idioten“ und „Schwachköpfe“ nannte der ach so feingeistige Beck beispielsweise CDU-Politiker beim Evangelischen Kirchentag 2015 in Stuttgart.

Ein Abgeordneter muss kein Heiliger sein.

Schadenfreude ist dennoch nicht angebracht. Zu den Nebenwirkungen von Crystal Meth zählen unter anderen paranoide Wahnvorstellungen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie akustische Halluzinationen und Aggressivität. Das ist ein hartes Schicksal. Jedenfalls ist Beck offenbar ein Süchtiger, er braucht Hilfe und die sollte er sich bei Ärzten holen – eine Therapie ohne den Stress und den Druck als Bundestagsabgeordneter.

Ein Abgeordneter muss zwar kein Heiliger sein, schließlich soll der Bundestag ein Querschnitt des Volkes sein, in dem es nur wenige Heilige geben dürfte. Schwächen sind also erlaubt. Aber harte Drogen zu besitzen, ist strafbar, das wusste auch der Grüne Beck. Und Straftaten vertragen sich schlecht mit dem Status eines Volksvertreters, selbst wenn man mit einer Geldstrafe und einem eingestellten Verfahren davon kommt. Darum sollte Beck sein Mandat abgeben.