Der türkische Autokrat Recep Erdogan. (Bild: Imago/Xinhua)
Umfrage

Kein Vertrauen in die Türkei

Jeder Zweite ist gegen den Beitritt der Türkei in die EU und 70 Prozent der Deutschen lehnen Reiseerleichterungen für türkische Bürger ab. Eine Umfrage vor dem EU-Gipfel macht die Befürchtungen der Deutschen vor den Verhandlungen mit der Türkei deutlich. Während die Bundeskanzlerin versucht Bedenken zu zerstreuen, zieht die CSU eine rote Linie.

Die große Mehrheit der Deutschen hat nach einer Umfrage wenig Vertrauen in die Hilfe der Türkei bei der Reduzierung der Flüchtlingszahlen. Das ergab eine Erhebung des YouGov-Instituts für die Deutsche Presse-Agentur vor dem EU-Gipfel. Demnach halten 71 Prozent diese Erwartung für unrealistisch. Nur 21 Prozent glauben, dass es gelingt, mit Unterstützung der Türkei den Flüchtlingszuzug zu begrenzen.

Jeder Zweite gegen EU-Beitritt

Auf dem Gipfel in Brüssel wird erneut mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu über die Milliardenforderung verhandelt. Die von Ankara als Gegenleistung geforderten sechs Milliarden Euro halten nur 20 Prozent der Befragten für gerechtfertigt. 67 Prozent meinen, diese Summe sei nicht angemessen. Große Skepsis gibt es auch beim Wunsch der Türkei, die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union zu beschleunigen: Vier Prozent sind der Meinung, dass die Türkei zügig in die EU aufgenommen werden sollte. 38 Prozent meinen, dass davor noch weitere Anforderungen erfüllt werden müssen. Jeder Zweite (49 Prozent) sagt, dass die Türkei gar nicht in die EU gehört.

70 Prozent gegen Visafreiheit

Die von der Türkei als Gegenleistung für ihre Hilfe in der Flüchtlingskrise geforderten Reiseerleichterungen für türkische Bürger werden von einer großen Mehrheit abgelehnt. 70 Prozent der Befragten sind dagegen, dass Türken ohne Visum in die EU einreisen können. 18 Prozent sind dafür.

Die Türkei muss alle Bedingungen erfüllen, da gibt es keine Abstriche.

Angela Merkel, Bundeskanzlerin

Kanzlerin Angela Merkel versuchte noch einmal, Bedenken gegen die angestrebte Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingspolitik zu zerstreuen. „Die Türkei muss alle Bedingungen erfüllen, da gibt es keine Abstriche“, sagte die Kanzlerin. Die Gespräche mit der Türkei über den Schutz der Außengrenzen seien nicht mit einem „Ja zur Mitgliedschaft in der Europäischen Union verbunden“. Auch für die von Ankara gewünschten Erleichterungen bei der Visumspflicht gelte, dass „alle Bedingungen wirklich erfüllt“ sein müssten.

CSU zieht rote Linien

Die CSU lehnt eine völlige EU-Visafreiheit mit der Türkei ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfe weder einer Vollmitgliedschaft der Türkei, einer völlige Visafreiheit noch einseitigen Flüchtlingskontingenten nur für Deutschland zustimmen, sagte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. Was die CSU tun will, wenn die EU weitergehende Absprachen treffen sollte, sagte Hasselfeldt nicht. Durch eine Visafreiheit drohe, dass durch nach Deutschland kommende türkische Kurden ein neues Problem entstehe. Die EU dürfe sich die Bedingungen für die Zusammenarbeit in der Flüchtlingsfrage nicht von der Türkei diktieren lassen. Hasselfeldt bezeichnete es zudem als wünschenswert, die Türkei zu einem „sicheren Herkunftsland“ zu erklären, um Flüchtlinge und Migranten besser zurückschicken zu könne. Angesichts der innenpolitischen Entwicklung des Landes sei diese Einstufung aber fraglich geworden.

Die EU hatte mit der Türkei bereits am 29. November 2015 einen Migrationspakt beschlossen, der die Visafreiheit für Türken bis Oktober vorsieht. Voraussetzung ist aber die Erfüllung von 72 Kriterien durch die Türkei. Jetzt hat die Türkei der EU angeboten, alle Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, die über das Land und Griechenland in die EU einreisen. Dafür fordert die Regierung in Ankara unter anderem Visafreiheit schon bis Juni.

Warum die Türkei nie Mitglied werden sollte

Kein Wunder, dass die Deutschen an einem erfolgreichen EU-Beitritt der Türkei zweifeln: Die schiere Größe des Landes, die geographische Lage, die Rückständigkeit der Infrastruktur und der Kultur, die fortlaufenden Demokratie- und Menschenrechtsverstöße, der Krieg gegen die Kurden im Osten des Landes, der Islamismus der herrschenden Partei AKP sowie das neo-osmanische Hegemoniestreben von „Sultan“ Erdogan: Die Türkei darf nie Mitglied der EU werden. Lesen Sie hier einen Kommentar von Wolfram Göll.

dpa/AS