Polizeigewalt gegen Bayern-Fans in Turin?
Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistags und Landrat von Deggendorf, wurde Zeuge von Übergriffen und Schikanen gegen Fans des FC Bayern München. In einem Brief hat er jetzt die Bundeskanzlerin aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass derartige Vorfälle künftig unterbleiben.
Christian Bernreiter

Polizeigewalt gegen Bayern-Fans in Turin?

Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistags und Landrat von Deggendorf, wurde Zeuge von Übergriffen und Schikanen gegen Fans des FC Bayern München. In einem Brief hat er jetzt die Bundeskanzlerin aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass derartige Vorfälle künftig unterbleiben.

„Willkür“ und „körperliche Gewalt“ – es sind schwere Vorwürfe, die der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter gegen italienische Polizei und Ordnungskräfte erhebt. Bernreiter war mit zahlreichen anderen Fußball-Fans zum Champions-League-Auswärtsspiel des FC Bayern nach Turin gereist und dort Zeuge von, wie er sagt, „unglaublichen Vorgängen“ geworden. Teilweise habe „große Gefahr für Leib und Leben“ der Schlachtenbummler bestanden. Die Gewalt, die er erlebt habe, so Bernreiter, sei „ganz klar von der Polizei“ ausgegangen. In einem Brief hat er sich deshalb jetzt an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt. Er bitte sie, schreibt Bernreiter, „dass Ihre zuständigen Stellen das Thema aufgreifen und versuchen, dass ein solches provozierendes und ungeschicktes Verhalten staat­licher Organe von EU-Mitgliedsländern in Zukunft unterbleibt“. Bernreiter weiter: „Es geht ganz klar um die Sicherheit von unbescholtenen Bürgern.“

Gepackt und geschüttelt

Bernreiter selbst musste 180 Minuten vor dem Stadion ausharren, weil seine ursprünglich auf seinen Sohn ausgestellte Eintrittskarte nachträglich auf ihn umgeschrieben worden war. Dort habe er das Verhalten der italienischen Polizei und Ordnungskräfte „aus nächster Nähe beobachten“ können. In seinem Brief an die Bundeskanzlerin beschreibt Bernreiter einige der Vorfälle detailliert:

  • Ab 18 Uhr (Spielbeginn 20.45 Uhr) bildeten sich lange Schlangen. Das lief geordnet, bis die ersten – so wie ich – wegen der Namensänderung auf der Karte abgewiesen wurden und am Zaun neben dem Zugang warten sollten. Die Sicherheitskontrolle war sehr streng, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Es mussten allerdings sogar die Schuhe ausgezogen werden, was zu etlichen vor Polizisten knieenden Personen führte. Der Anblick war demütigend und heizte die Stimmung auf.
  • Die Eskalation begann, als bei einem vermutlichen Ultra-Fan ein Transparent aus Plastikplane, das um den Bauch gewickelt war, entdeckt wurde. Dieser Fan, der keinen Widerstand leistete, wurde von einem Polizisten mehrfach in den rückwärtig begrenzenden Zaun geschubst und dann mit der ganzen Hand an der Kehle gepackt und mehrfach geschüttelt. Das brachte die Menge zum Toben. Alle die vor dem Zaun standen, wurden nun durch die drückende Menschenmenge voll gegen den Zaun gedrückt. Es war schwer, Luft zu bekommen.
  • Das Transparent wurde auf den Boden gelegt und von vielen Polizisten betrachtet. Mehrere Bekannte des Ultra-Fans drängten zum Zaun und versuchten, das Transparent herauszuziehen, was gelang. Der Ultra-Fan selbst musste mindestens 15 Minuten „in der Ecke stehen“.
  • Kurz darauf wurde bei einem anderen Fan eine ganz normale Fahne, die im Stadion aufgehängt werden sollte, von den Sicherheitskräften betrachtet. Diese Fahne sollte weggenommen werden, was die Menge noch mehr aufbrachte. Die innen neben den Sicherheitskräften anwesenden Ordner des FC Bayern erklärten wiederholt, dass mit dieser Fahne alles in Ordnung sei. Daraufhin wurden die Ordner des FC Bayern des Stadions verwiesen. Nun eskalierte die Sache vollends! Bayern-Ultras stürmten über den Zaun, was zu Tumulten führte. Diese Situation konnte ich und auch andere nutzen, um aus der Gefahren­zone zu gelangen.
  • Nun wurde ca. 15 Minuten gar niemand ins Stadion gelassen. Von der Rück­seite drängten viele Polizisten mit Helm, Schild und Schlagstock nach. Ein unbeschreibliches Gefühl! Im Gespräch mit den Sicherheitskräften und Ordnern wurde mir mehrfach bestätigt, dass sie jetzt eine große Gefahr für Leib und Leben sehen. Je näher der Spielbeginn rücke, umso unkontrollierbarer wird die Situation. Gott sei Dank bewahrten viele die Ruhe und auch Hitzköpfe konnten im Zaum gehalten werden. Als die Meldung verbreitet wurde, dass alle ins Stadion kommen, wenn auch mit Foto durch die Sicherheitskräfte, löste sich die Gefahrensituation allmählich auf, wenn auch große Verärgerung und Wut bei den meisten vorhanden war. Ich selbst wurde von etlichen Fans erkannt und beschimpft, weil die Politik wieder einmal versagt habe und ich nicht durchsetzen konnte, dass sie ins Stadion kommen…

Gefahr für Leib und Leben

In seinem Brief an die Bundeskanzlerin schreibt Bernreiter, dass ihm ähnliche Vorfälle auch aus Neapel, Mailand und Rom berichtet worden seien. „Unbescholtene deutsche Staatsbürger, die fleißig arbeiten und sparen, dass sie sich ein solches Event leisten können, haben es nicht verdient, dass man in Europa so mit ihnen umgeht und sie sogar einer großen Gefahr für Leib und Leben aussetzt“, klagt der Deggendorfer Landrat.  Angesichts dessen, was er in Italien erlebt habe, könne und wolle er nicht schweigen. „Wenn ein Unglück passiert, ist es zu spät!“, schließt Bernreiter seinen Brief an die Bundeskanzlerin.

Beim Hinspiel im Champions-League-Achtelfinale in Turin hatten es zahlreiche Bayern-Anhänger erst nach Anpfiff auf die Tribünen geschafft. Fans berichteten von peniblen Ausweiskontrollen und Durchsuchungen. Eine Juve-Sprecherin erklärte dazu, es habe die üblichen, für eine Champions-League-Partie vorgesehenen Kontrollen gegeben.