Ist mit Glyphosat eine unerlaubte und gesundheitsgefährdende Zutat im Bier? Beim Anbau von Gerste (Bild) oder Hopfen könnte es zur Kontaminierung kommen. Bild: Bayerischer Brauerbund e.V.
Glyphosat

Spuren im Bier

Beliebte deutsche Biere sollen laut einer Untersuchung mit Glyphosat belastet sein - ein Stoff, dessen gesundheitliche Gefahr noch nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte. Kein Wunder, dass jetzt heftig diskutiert wird: Anfang März entscheidet die EU über die erneute Zulassung des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat.

Voraussichtlich im März muss Deutschland auf europäischer Ebene über eine erneute Zulassung von Glyphosat entscheiden. Das ruft Umweltschützer auf den Plan, denn der Unkrautvernichter steht unter dem Verdacht, krebserregend zu sein. Jetzt hat das Münchner Umweltinstitut beim Test von 14 der beliebtesten Biermarken Deutschlands Spuren des Pestizid Glyphosat gefunden. Die Werte lagen zwischen 0,46 und 29,74 Mikrogramm pro Liter und damit im extremsten Fall fast 300-fach über dem gesetzlichen Grenzwert für Trinkwasser von 0,1 Mikrogramm. Den höchsten Wert wies mit 29,74 Mikrogramm pro Liter danach die Marke Hasseröder Pils auf, danach folgten Sorten Jever Pils (23,04), Warsteiner Pils (20,73), Radeberger Pilsner (12,01), Veltins Pilsener (5,78), Oettinger Pils (3,86), König Pilsener (3,35), Krombacher Pils (2,99), Erdinger Weißbier (2,92), Paulaner Weißbier (0,66), Bitburger Pils (0,55), Beck’s Pils (0,50) und Franziskaner Weißbier (0,49). Das beste Ergebnis erzielt unter den Testbieren noch Augustiner Helles mit nur 0,46 Mikrogramm je Liter. Einen Grenzwert für Bier gibt es nicht. Das Umweltinstitut startet zu den Ergebnissen eine Online-Aktion, mit der man sich direkt an die Hersteller der getesteten Biere wenden kann.

Doch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) gibt vorerst Entwarnung.

Bei 1000 Liter Bier am Tag wird’s kritisch

Glyphosatrückstände in Bier seien aus wissenschaftlicher Sicht plausibel und grundsätzlich erwartbar, da Glyphosat ein zugelassener Pflanzenschutzmittelwirkstoff sei, teilte das nicht ganz unumstrittene Bundesinstitut für Risikobewertung auf Anfrage mit. Selbst die höchsten Werte von rund 30 Mikrogramm pro Liter seien so niedrig, dass die rechnerisch resultierende Aufnahmemenge bei einem Erwachsenen mehr als 1000-fach niedriger liegen würde als die derzeit als unbedenklich geltenden Aufnahmemengen.

Erst die Muttermilch, nun das Bier – was kommt als Nächstes? Die Grünen begründen ihren Antrag mit Spuren des Pflanzenschutzmittels in Lebensmitteln, aktuell mit Rückständen im Bier, was aber erst gesundheitsschädlich ist, wenn man davon 1000 Liter am Tag trinkt.

 Marlene Mortler, Sprecherin der CSU-Landesgruppe für Ernährung und Landwirtschaft

Zudem gibt es massive Kritik an dem Test, unter anderem vom Deutschen Brauer-Bund (siehe dazu Kasten unten), der ihn für zweifelhaft hält.

Mittel ist stark umstritten

Debatten um die gesundheitliche Gefahr des Mittels wurden bereits im letzten Jahr ausgefochten (der Bayernkurier berichtete). Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO hatte Glyphosat Ende Juli 2015 in einem Bericht als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Knapp ein halbes Jahr später nimmt die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit an, es ist „wahrscheinlich nicht krebserregend“. Ein Expertengremium sei zu dem Schluss gekommen, dass der Stoff vermutlich keine krebserregende Bedrohung für den Menschen darstelle, heißt es in einem in Parma veröffentlichten Gutachten Ende November 2015.

Verseuchte Muttermilch?

Im Sommer 2015 sorgte bereits eine stichprobenartige Untersuchung im Auftrag der Grünen von Muttermilch 16 stillender Frauen für Furore. Dabei wurden Glyphosat-Mengen zwischen 0,210 und 0,432 Nanogramm pro Milliliter Milch gemessen – für Trinkwasser sind den Angaben zufolge 0,1 Nanogramm zulässig. Ein Nanogramm ist ein milliardstel Gramm. Das Bundesinstitut für Risikobewertung erklärte jedoch, das bedeute „nicht zwangsläufig, dass ein gesundheitliches Risiko besteht“. Der Trinkwasser-Wert gelte generell für alle Pestizide. Alles mal wieder grüne Panikmache also? Ein unabhängiges Analyseverfahren, das die Ergebnisse bestätigt hatte, gab es jedenfalls nicht. Und der Test entpuppte sich als unzureichend: Eine vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nach dem grünen Test in Auftrag gegebene Studie hat Anfang Februar 2016 bestätigt, dass in Muttermilch keine Rückstände des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat nachweisbar sind. Das BfR beauftragte europaweit renommierte Forschungslabore, zwei unabhängige Analyseverfahren mit hoher Sensitivität (75-mal empfindlicher als die im grünen Test sowie die beim Test des Umweltinstituts angewandte ELISA-Methode) zu entwickeln und damit 114 Muttermilchproben aus Niedersachsen und Bayern zu untersuchen. Aufgrund der physikalisch-chemischen Eigenschaften von Glyphosat (nur wasser-, nicht fettlöslich) war nämlich kein relevanter Übergang des Wirkstoffes in Muttermilch zu erwarten und, wie bei Kuhmilch, wissenschaftlich auch bisher nicht belegt. In keiner der untersuchten Muttermilchproben wurden nun Rückstände des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat oberhalb der Nachweisgrenze gemessen. Aber selbst wenn die grünen Werte zutreffend wären: Auch hier müsste jeder Säugling sehr, sehr viel Muttermilch trinken, nämlich jeden Tag 3750 Liter Muttermilch, um überhaupt an den Grenzwert heran zu kommen.

Bayerns Landwirte nutzen Glyphosat

Keine Frage, Grenzwerte können falsch sein. Für Glyphosat sollte deshalb vor weiteren Tests keine Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt werden. Möglicherweise wird der Stoff auch erst durch Zusatzstoffe gefährlich, da es nie in Reinform eingesetzt wird. Aber Glyphosat ist seit 1970 weltweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln, da hätten sich doch Folgekrankheiten mittlerweile deutlich zeigen müssen. Anlass zur Panik besteht nicht. Im Jahr 2014 wurden allein in Deutschland rund 5400 Tonnen davon auf Äckern und in Gärten verspritzt. Auch die Landwirte in Bayern verwenden es und zwar auf rund 40 Prozent der Ackerflächen, schreibt der Bayerische Rundfunk.

EU für Zulassung

Die EU-Kommission will die Zulassung des umstrittenen Pflanzengifts Glyphosat um 15 Jahre verlängern. Aus Kreisen der Kommission wurde bekannt, die Entscheidung werde am 7. und 8. März in einem Ausschuss zusammen mit Experten und Vertretern der EU-Mitgliedstaaten fallen. Die Zulassung in Europa läuft im Sommer aus.

Zu den Glyphosatspuren im Bier erklärte der Deutsche Brauer-Bund:

Wie das Umweltinstitut in seiner Veröffentlichung selbst feststellt, finden sich Spuren von Glyphosat „inzwischen fast überall“. Glyphosat ist seit Jahrzehnten als Wirkstoff in einer Reihe von in Deutschland und weltweit zugelassenen Pflanzenschutzmitteln enthalten, aus deren Anwendung sich bekanntlich Rückstände in Ernteprodukten und Lebensmitteln ergeben können. Unzählige Studien haben diese Spuren für gesundheitlich unbedenklich erklärt. Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stuft die in Lebensmitteln nachgewiesenen Spuren wie andere europäische und internationale Institute als gesundheitlich unbedenklich ein. Der Deutsche Brauer-Bund vertraut der Einschätzung der unabhängigen Wissenschaftler. (…)

Zu keiner Zeit konnten Überschreitungen der zulässigen Rückstandshöchstwerte bei Glyphosat festgestellt werden.

Der DBB weist den Vorwurf des Umweltinstitutes, die Brauereien würden ihre Rohstoffe nicht ausreichend kontrollieren, als absurd und völlig haltlos zurück. Die Brauereien in Deutschland betreiben – ebenso wie die vorgelagerten Stufen der Malz- und Hopfenerzeugung – einen hohen Aufwand, um die vier natürlichen Rohstoffe Wasser, Malz, Hopfen und Hefe, die nach dem Reinheitsgebot zum Brauen verwendet werden, auf mögliche Schadstoffe zu kontrollieren. So hat der Deutsche Brauer-Bund ein eigenes Monitoringsystem für Braumalz. Unser Monitoring zeigt, dass die gemessenen Werte stets deutlich unter den Höchstgrenzen liegen. Zu keiner Zeit konnten Überschreitungen der zulässigen Rückstandshöchstwerte bei Glyphosat festgestellt werden.

Daneben gibt es staatliche Kontrollen und weitere Eigenkontrollen der Brauereien, die dafür Sorge tragen, dass keine Schadstoffe Eingang finden in die Produktion. Die vom Umweltinstitut verbreiteten Testergebnisse sind deshalb nicht nachvollziehbar und nicht glaubwürdig. Da uns weder die vollständige Untersuchung vorliegt, noch die Analysemethoden hinreichend belegt wurden, müssen wir die Seriosität der Untersuchung ernsthaft in Zweifel ziehen. Auch das dargestellte „Ranking“ der Biere ist absolut unseriös, stellt doch das Umweltinstitut selbst fest, dass der Test nur auf einer „kleinen Anzahl von Proben“ beruht und „keine generelle Aussage über die Belastung des Bieres einer bestimmten Marke“ zulässt. (…)

Auch das dargestellte ‚Ranking‘ der Biere ist absolut unseriös, stellt doch das Umweltinstitut selbst fest, dass der Test nur auf einer ‚kleinen Anzahl von Proben‘ beruht.

In Deutschland ist der Einsatz von Glyphosat beim Anbau von Getreide zu Brauzwecken nicht zugelassen. Gleichwohl kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich Glyphosat-Rückstände auch in Braugetreide oder Braumalz nachweisen lassen, da diese entweder durch Abdrift von zulässigen Anwendungen auf benachbarten landwirtschaftlichen Flächen oder den im Ausland bei Braugetreide teilweise zulässigen Einsatz von glyphosathaltigen Produkten verursacht sein können. Da die deutsche Landwirtschaft allein nicht in der Lage ist, den Braugerstenbedarf der deutschen Brauereien zu decken, werden ca. 50 Prozent des hierzulande verwendeten Braugetreides bzw. Braumalzes aus dem Ausland, vor allem Frankreich und Dänemark, importiert. (…) Bei der Verwendung von vermälztem Getreide bzw. Malz in Bier ergibt sich, im Vergleich zum direkten Verzehr von Getreide, eine beachtliche Verdünnung. Analysen zeigen, dass im Falle einer möglichen Belastung lediglich zwei Prozent des ursprünglich auf der Gerste befindlichen Glyphosats letztlich bis ins Bier gelangen können. (…) Die vom Münchner Umweltinstitut beauftragte Studie erscheint schon deshalb fragwürdig, weil sie das gebraute Bier – ein Lebensmittel, das aus Getreide hergestellt wird – unzulässigerweise mit Trinkwasser vergleicht. Auch wird hier von einem „Grenzwert“ gesprochen, obwohl es für Trinkwasser lediglich einen „Vorsorgewert“ gibt, der aber keinerlei Aussage zur gesundheitlichen Bedeutung trifft. Im Übrigen ist selbst der Vorsorgewert für Babynahrung um den Faktor 100 höher als jener für Trinkwasser.

 

(dpa/AS/avd)