Beim Großteil der bayerischen Bevölkerung kommt das Betreuungsgeld Umfragen zufolge gut an. Die SPD versucht allerdings offenbar, das Projekt zu blockieren. (Foto: Imago/Christian Ohde)
Landesbetreuungsgeld

SPD verzögert auf Kosten der Familien

In der CSU-Landtagsfraktion wächst der Unmut über das Verhalten der SPD bei der Einführung des Betreuungsgeldes im Freistaat. Der Vorwurf: Die Sozialdemokraten würden mit einer "Verzögerungspolitik" versuchen, die Einführung der Leistung auf die lange Bank zu schieben. Die Leidtragenden, kritisieren Staatsministerin Müller und verschiedene CSU-Abgeordnete, sind die bayerischen Familien.

Schon im November 2015, nachdem das Verfassungsgericht die bundesweite Lösung formell für unzulässig erklärt hatte, weil der Bund nicht zuständig dafür ist, beschloss das Bayerische Kabinett die Einführung des Betreuungsgeldes auf Landesebene. Sozialministerin Emilia Müller sprach damals von einem „Versprechen“, das man den Familien in Deutschland gegeben hatte – und das man nun zumindest für die Mütter und Väter in Bayern einhalten wolle.

CSU-Politiker verlieren Geduld mit der SPD

Seitdem wird das Bayerische Betreuungsgeld im Landtag debattiert. Und so langsam geht manchen Mitgliedern der CSU-Fraktion die Geduld aus. Der Stein des Anstoßes: Das Verhalten der SPD. Diese fordert nämlich eine Anhörung verschiedener Fachverbände im Sozialausschuss, bevor es zu einer Abstimmung im Maximilianeum – und damit zur wahrscheinlichen Einführung des Betreuungsgeldes – kommen kann. Eine weitere Anhörung für eine Leistung, die bereits bundesweit über Monate hinweg ausgegeben wurde und bei deren Einführung schon alles angehört wurde, was Rang und Namen hatte? Eine Anhörung für eine Leistung, über die jahrelang in aller Ausführlichkeit gestritten und diskutiert wurde?

Verzögerungstaktik

Der Wunsch der SPD sorgt deshalb beim Ausschussvorsitzenden Joachim Unterländer (CSU) für Unverständnis und Empörung. Die betroffenen Verbände seien bereits über das Bayerische Kabinett angehört worden, teilte Unterländer in einem Statement mit. Viele der Anregungen aus diesen Gesprächen seien dabei in den Gesetzgebungsprozess eingeflossen. Noch nicht genug: die SPD hatte bereits selbst eine Veranstaltung zum Betreuungsgeld im Parlament durchgeführt.

Die SPD macht Verzögerungspolitik auf dem Rücken bayerischer Familien.

Joachim Unterländer

Unterländer vermutet hinter der SPD-Forderung daher eher eine Verschleppungsmethode, um das Betreuungsgeld auf die lange Bank zu schieben und die CSU zu „ärgern“. Mit ihrem Verhalten mache die SPD „Verzögerungspolitik“, kritisiert der CSU-Mann. Das Schlimme daran ist aus Sicht Unterländers, dass diese Politik „auf dem Rücken bayerischer Familien“ gemacht werde. Sie, so ist sich der Abgeordnete sicher, sind die Leidtragenden dieses Verhaltens. „Das alles dient nur dem Zweck, eine schnelle Einführung des Betreuungsgeldgesetzes zu verhindern.“ Allerdings dürfte es trotz der CSU-Kritik zu einer erneuten Anhörung kommen: Denn den Regelungen des Bayerischen Landtags zufolge ist die von der SPD geforderte Anhörung ein Minderheitenrecht und kann daher von den vier Sozialdemokraten im Ausschuss alleine durchgesetzt werden.

Mehr als 73 Prozent nahmen das Betreuungsgeld bislang in Anspruch

Die damit verbundene verschleppte Einführung der Leistung ruft auch bei der stellvertretenden CSU-Fraktionschefin Kerstin Schreyer-Stäblein harsche Kritik hervor: Mehr als 73 Prozent der anspruchsberechtigten Eltern in Bayern hätten das Betreuungsgeld angenommen, als es noch vom Bund gezahlt wurde, betonte Schreyer-Stäblein in einer Pressemitteilung. „Wir erwarten, dass es beim Bayerischen Betreuungsgeld 60.000 bis 70.000 Anträge gibt. Die Familien können sich bei der SPD bedanken, dass sie nun auf ihr Geld warten dürfen.“

Die Familien können sich bei der SPD bedanken, dass sie nun auf ihr Geld warten dürfen.

Kerstin Schreyer-Stäblein

Ursprünglich war die Einführung des Betreuungsgeldes für den 1. April geplant gewesen. „Dieser Zeitplan wird durch die zusätzliche Anhörung nicht mehr zu halten sein“, kritisiert die Vize-Fraktionschefin.

Zahlungen rückwirkend bis Anfang 2015

Das Konzept der Staatsregierung sieht vor, dass das Bayerische Betreuungsgeld rückwirkend bis zum 1. Januar 2015 beantragt werden kann. Es soll 150 Euro monatlich für höchstens 22 Lebensmonate betragen und kann ab dem 15. Lebensmonat eines Kindes beansprucht werden. Dies ist aber nur möglich, wenn die Familien keine nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und –betreuungsgesetz geförderte Kinderbetreuung in Anspruch nehmen. Um Anspruch auf das Landesbetreuungsgeld zu haben, müssen Eltern seit mindestens 12 Monaten im Freistaat leben und ihr Kind selbst betreuen.

Wer nun weitere Anhörungen fordert, hat offenbar jahrelang seine Hausaufgaben nicht richtig gemacht – oder verzögert gezielt.

Kerstin Schreyer-Stäblein

Damit all das greifen kann, muss aber nach dem Wunsch der CSU-Fraktion die SPD ihre Verzögerungstaktik aufgeben. „Zunächst muss das Gesetz erst einmal in Kraft treten“, sagt Kerstin Schreyer-Stäblein. „Und das wird jetzt durch das unsinnige Verhalten der SPD verzögert.“ Besonders wütend macht die Politikerin der Umstand, dass das Betreuungsgeld nun wahrlich kein neues Thema auf der politischen Agenda ist. „Das Betreuungsgeld wird bereits seit vier Jahren auf allen Ebenen diskutiert. Wer nun weitere Anhörungen fordert, hat offenbar jahrelang seine Hausaufgaben nicht richtig gemacht – oder verzögert gezielt.“

Auch Bayerns Sozialministerin Emilia Müller wünscht sich endlich Fortschritte: Auf BAYERNKURIER-Nachfrage sagte die CSU-Politikerin, die Staatsregierung wolle eine „echte Wahlfreiheit für alle Eltern in Bayern – egal, ob sie sich für eine Kita oder die Betreuung ihrer Kinder zuhause entscheiden.“ Deshalb wünsche sie sich als Familienministerin, dass das Gesetz möglichst bald verabschiedet werde. Die Umsetzung, sagte Müller, könne dann sofort beginnen.