Blumengebinde vor der Unglücksstelle in Bad Aibling. (Bild: Bayerische Staatskanzlei)
Bad Aibling

Eine Tragödie für das ganze Land

Nach dem Zusammenstoß zweier Züge nahe Bad Aibling mit zehn Toten und 90 Verletzten ist die Erschütterung in Bayern und ganz Deutschland groß. Politikvertreter sprechen von einer "schrecklichen Katastrophe", die Aufräumarbeiten laufen. Unterdessen ist die Suche nach der Ursache des Unglücks in vollem Gange.

Bei einem Zugunglück in der Nähe des oberbayerischen Bad Aibling sind am Morgen mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Das sagte ein Sprecher der Bundespolizei. 18 Menschen wurden schwer, 63 Reisende leicht verletzt.  Außerdem wurde noch eine Person vermisst, wie die Polizei mitteilte.

Bei dem Zusammenstoß zweier Nahverkehrszüge auf einer eingleisigen Strecke war ein Zug entgleist, mehrere Waggons stürzten um. Die Ursache für den Unfall auf der auch Mangfalltalbahn genannten Strecke war zunächst unklar. Sie wird mit Hilfe des „Punktförmigen Zugbeeinflussungssystems“ kontrolliert – „ein System, das automatisch dafür sorgen soll, dass das Aufeinandertreffen von Zügen nicht stattfindet, indem Züge zwangsgebremst werden, wenn sie unberechtigt auf einer Strecke sind, Signale überfahren oder Ähnliches“, sagte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. Auf der Unfallstrecke war das System erst in der vergangenen Woche kontrolliert worden – alles schien einwandfrei. Kurz nach 7 Uhr morgens war es jedenfalls auf Höhe des Klärwerks Bad Aibling zu dem Zusammenstoß gekommen. Bei den betroffenen Zügen handelt es sich um „Meridian“-Züge der Bayerischen Oberlandbahn.

Der größte Teil der Opfer dürften Berufspendler sein: Die Strecke, die von Rosenheim über Bad Aibling und Holzkirchen nach München führt, ist bei Pendlern sehr beliebt. Gottseidank befanden sich aufgrund der Faschingsferien keine Schüler in den Zügen. Die zwei Lokführer zählten zunächst nicht zu den Todesopfern. Es sei aber „nach menschlichem Ermessen“ nicht vorstellbar, dass sie den Zusammenprall überlebt hätten, sagte der Polizeisprecher.

Unfallort schwer zugänglich

Die Rettungsaktionen gestalten sich bisweilen sehr schwierig, weil die Unglücksstelle in einem Waldstück an einer Hangkante neben dem Flüsschen Mangfall liegt. Wie die Behörden mitteilten, ist der Zugang zum Unfallort „sehr beengt“, da die Gleise direkt am Ufer der Mangfall entlang führen. Die Menschen müssen daher mit Hubschraubern ausgeflogen oder ans andere Ufer des Flusses gebracht werden. Rund 700 Rettungskräfte kümmerten sich um die Verletzten. Helikopter brachten die Schwerverletzten in Krankenhäuser, wo sämtliche geplanten Operationen sofort abgesagt wurden, um Kapazitäten für die Versorgung der Opfer zu schaffen. Dabei wurden die deutschen Einsatzkräfte von Hubschraubern aus dem benachbarten Österreich unterstützt. Wasserwacht und Bergwacht waren ebenfalls im Einsatz.

Unterdessen wurden die geplanten Faschingsfeierlichkeiten in der Region aus Respekt vor den Opfern und Verletzten abgesagt.

Die Polizei in Rosenheim hat ein Bürgertelefon eingerichtet, bei dem sich Angehörige potentiell Betroffener informieren können. Die Telefonnummer lautet 08031 / 2003180. Außerdem hat das betroffene Zugunternehmen „Meridian“ eine Notrufnummer eingerichtet: 0385 / 43084390.

Und auch der Blutspendendienst München hat wegen des Zugunglücks dazu aufgerufen, Blut zu spenden. Derzeit bestehe „akut ein deutlich erhöhter Bedarf an lebensrettenden Blutkonserven“, heißt es auf der Homepage. Spender sollten mobile Spendentermine wahrnehmen oder in die Blutspendezentrale kommen.

Innenminister Herrmann: „Schreckliches Unglück“

Bayerns Verkehrs- und Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat sich von dem schweren Zugunglück schockiert gezeigt. „Wir wissen nicht, ob nicht noch mehr Tote in den verkeilten Zügen gefunden werden. Das ist wirklich schrecklich“, sagte Herrmann in einer ersten Stellungnahme. Im Moment stehe die Bergung der Verletzten im Vordergrund. Die Frage nach den Ursachen des Unglücks komme erst danach. „Was hier schief gelaufen ist in der Abstimmung zwischen den einzelnen Startbahnhöfen, von denen die einzelnen Züge gekommen sind – das muss jetzt näher ermittelt werden.“

Der Geschäftsführer der Bayerischen Oberlandbahn, die die Zugstrecke betreibt, reagierte erschüttert: „Der Unfall ist ein Riesenschock für uns“, sagte Bernd Rosenbusch in einer ersten Reaktion. „Wir tun alles, um den Reisenden, Angehörigen und Mitarbeitern zu helfen.“

Ministerpräsident Seehofer: „Tragödie für ganzes Land“

Auch Ministerpräsident Horst Seehofer zeigte sich erschüttert über das Unglück mit mittlerweile bestätigten insgesamt neun Todesopfern: „Ich bin bestürzt und tief betroffen. Meine Gedanken sind bei den Opfern dieser schweren Katastrophe und ihren Angehörigen, denen ich mein tiefes Mitgefühl ausspreche. Mindestens acht Tote und Dutzende zum Teil Schwerverletzte haben wir heute zu beklagen. Das ist eine Tragödie für unser ganzes Land, die uns mit Trauer und Entsetzen erfüllt.“

Gleichzeitig dankte er bereits jetzt allen Helfern, die sich in Bad Aibling im Einsatz befinden: „Ihnen allen danke ich für ihr vorbildliches Handeln in einer äußerst schwierigen Situation und sage von Herzen Vergelt´s Gott! Die Ursachen dieses Unglücks müssen jetzt schnell aufgeklärt werden.“

Der eine Zug hat sich förmlich in den anderen hineingebohrt und die Kabine des zweiten Zuges komplett auseinandergerissen.

Alexander Dobrindt

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) spricht von einer „schweren Stunde in der Geschichte des Zugverkehrs in Deutschland“. Die Unfallstelle habe ein erschreckendes Bild abgegeben, sagte er auf einer Pressekonferenz in Bad Aibling. Wie Seehofer dankte auch er den rund 500 Rettungskräften: Sie seien bereits wenige Minuten nach dem Unfall vor Ort gewesen. „Der eine Zug hat sich förmlich in den anderen hineingebohrt und die Kabine des zweiten Zuges komplett auseinandergerissen“, berichtete der sichtlich betroffene Bundesverkehrsminister vor Journalisten. „Das sind Bilder, die einen natürlich auch sehr stark emotional belasten, weil man sich nicht vorstellen kann, dass solche Unglücke auch bei uns vorkommen können.“

Schlimmstes Zugunglück in Bayern seit 40 Jahren

Es ist das wahrscheinlich schlimmste Zugunglück in Bayern seit 1975. Damals waren bei Warngau zwei Züge frontal zusammengestoßen – 41 Menschen starben, 126 wurden verletzt.

In Deutschland ist es das schwerste Zugunglück seit Januar 2011. Damals starben zehn Menschen, als ein Nahverkehrszug bei Oschersleben in Sachsen-Anhalt mit einem Güterzug zusammenstieß.

(Quelle: dpa/dos/avd)