„Fix ist Fix“ – Union pocht auf Asylpaket II
Neuer Ärger in der Koalition um die Aussetzung des Familiennachzugs für bestimmte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Union beharrt auf das Asylpaket II und lehnt Zugeständnisse an die SPD ab. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) geht trotz der Kontroversen davon aus, dass der Gesetzentwurf "unverändert" in den Bundestag eingebracht wird.
Wankelmütige SPD

„Fix ist Fix“ – Union pocht auf Asylpaket II

Neuer Ärger in der Koalition um die Aussetzung des Familiennachzugs für bestimmte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die Union beharrt auf das Asylpaket II und lehnt Zugeständnisse an die SPD ab. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) geht trotz der Kontroversen davon aus, dass der Gesetzentwurf "unverändert" in den Bundestag eingebracht wird.

Das Asylpaket II, das am Mittwoch im Kabinett verabschiedet wurde, sorgt erneut für Ärger. Es geht um die Frage, ob es bestimmten minderjährigen Flüchtlingen verboten werden soll, ihre Eltern nach Deutschland nachzuholen. SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel hatte dem ARD-Hauptstadtstudio gesagt, dies sei mit ihm nicht abgesprochen gewesen – und damit am ersten Februarwochenende Irritationen beim Koalitionspartner ausgelöst. Jetzt sollen Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) laut Bundesinnenministerium „Anfang der Woche“ klären, ob und in welchem Umfang minderjährige jugendliche Flüchtlinge Familienangehörige nach Deutschland nachholen können.

Vereinbarung im Asylpaket II

Im Asylpaket II wurde vereinbart, dass für Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt wird. Es handelt sich um jene, die sich nicht auf das Grundrecht auf Asyl berufen können und auch keinen Schutzstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen, aber dennoch wegen Gefahr für Leib und Leben vorläufig in Deutschland bleiben dürfen. Nicht mehr eigens erwähnt ist in dem Gesetz der sogenannte Elternnachzug. Das ist die Regelung, wonach unbegleitete jugendliche Flüchtlinge ihre Eltern nachholen dürfen, wenn ihr Asylverfahren abgeschlossen ist. Der Elternnachzug gilt im Aufenthaltsgesetz bisher auch für allein geflüchtete Jugendliche mit subsidiärem Schutz – also für solche, die weder unter die Genfer Flüchtlingskonvention fallen noch individuell verfolgt wurden. In einem Entwurf des Asylpakets II vom November hieß es hierzu, der Elternnachzug bleibe auch weiter unangetastet. Im Entwurf vom Januar ließ das Bundesinnenministerium diese Formulierung jedoch weg. Doch weder das SPD-geführte Justizministerium noch das für das Thema eigentlich zuständige SPD-geführte Familienministerium protestierten dagegen. Verabschiedet wurde im Kabinett dann eine Formulierung, die so verstanden werden kann, dass auch allein geflohene Jugendliche mit subsidiärem Schutz nun zwei Jahre lang keine Familie nachholen können.

Bundesfamilienministerium räumt Fehler ein

Das Bundesfamilienministerium hat nun eigene Fehler bei der Abstimmung über das Asylpaket II eingeräumt. Die Veränderung am Gesetzentwurf im Vergleich zu einem früheren Text sei ihrem Ministerium zwar aufgefallen, die Tragweite der Veränderung sei aber falsch eingeschätzt worden, sagte Sprecherin Verena Herb. Zwar habe die Abstimmung zwischen den Ministerien über den Gesetzentwurf auf Fachebene stattgefunden, die Hausleitung und der zuständige Staatssekretär seien aber informiert gewesen. Letzterer trage letztlich die Verantwortung. Auf die Frage, ob es im Ressort von Familienministerin Manuela Schwesig nun personelle Konsequenzen geben werde, sagte Herb: „Da würde ich jetzt nicht von ausgehen, nein.“

„Kein neues Geschäftsmodell der Schlepper“

Die SPD-Fraktion kritisiert an dem Asylpaket II, dass der familiäre Schutz infrage gestellt wird. „Die familiäre Zusammenführung gibt gerade gefährdeten Jugendlichen Halt“, sagte die SPD-Familienpolitikerin Carola Reimann. Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl (CDU) beharrte jedoch auf strengeren Regeln. Der Bild am Sonntag sagte er, man habe „erwarten können, dass die SPD-Ressorts die Gesetzesentwürfe auch genau lesen“. Die Union wolle nicht, „dass es das neue Geschäftsmodell der Schlepper wird, Teenager zu schleusen, die dann ihre Eltern nachholen“. „Wer den uneingeschränkten Familiennachzug zu Minderjährigen will, der schafft einen Anreiz dafür, Kinder alleine auf eine lebensgefährliche Reise zu schicken – das ist nicht human, sondern unverantwortlich“, sagte auch Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU) mit Blick auf die SPD der „Rheinischen Post„. CSU-Fraktionschef Thomas Kreuzer forderte die SPD auf, Zusagen einzuhalten und den Schlingerkurs in der Asylpolitik aufzugeben.

Diese von der SPD importierte Handlungsunfähigkeit wird immer mehr zum Problem der Bundesregierung. Das ist nicht nur Nahrung für die Demokratiefeinde, das sind Berge von Kraftfutter.

Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionschef

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer geht allerdings davon aus, dass das Asylpaket II trotz neuen Streits „unverändert“ in den Bundestag eingebracht wird. Diese Meinung teilt auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU).

Nach der Kabinettsentscheidung ist das Asylpaket II nicht mehr die Angelegenheit von zwei Ministern, sondern Sache des Parlaments. Fix ist fix. Wir dürfen wegen der SPD keine weiter Zeit verlieren. Die Bürger erwarten von uns eine schnelle Umsetzung des Pakets. Ein erneutes Aufschnüren wird es nicht geben. Nur durch eine zügige Umsetzung kann die SPD mit Gabriel an der Spitze wieder Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt beklagte Unzuverlässigkeit und Wankelmut beim Koalitionspartner. „Absprachen mit der SPD werden zur Zitterpartie. Schon zum zweiten Mal stellen die Sozialdemokraten den Kompromiss zum Familiennachzug infrage“, sagte sie der „Passauer Neuen Presse„. „Da stellt sich schon die Frage, was Absprachen und Treffen mit dem SPD-Parteivorsitzenden eigentlich noch wert sind.“

60.000 Flüchtlingskinder in Deutschland

In Deutschland leben derzeit nach Angaben von Hilfsorganisationen 60.000 unbegleitete Flüchtlinge unter 18 Jahren. Der Nachzug von Eltern werde „oft als Massenphänomen dargestellt“, laut Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Tatsächlich seien im vergangen Jahr nur 442 Eltern nachgekommen. Das sagte ein Vertreter des Verbandes der Süddeutschen Zeitung. Erstmals seit Beginn der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 sind mehr Frauen und Kinder auf dem Weg nach Europa als Männer. Die Grenze von Griechenland nach Mazedonien überquerten aktuell zu fast 60 Prozent Frauen und Kinder laut Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (Unicef). Im Vergleich zur Situation vor einem halben Jahr habe sich der Anteil der Kinder verdreifacht. Mehr als eine Million Asylbewerber sind im vergangen Jahr nach Europa gekommen, 27 Prozent von ihnen sind Kinder schätzt Europol. Besorgniserregend ist, dass sich von tausenden Flüchtlingskindern die Spur verloren hat (der Bayernkurier berichtete).

CDU fordert weitere Verschärfungen

Die CDU-Führung will zudem weitere Verschärfungen des Asylrechts. CDU-Vize Thomas Strobl fordert in der Welt, Asylbewerbern ein unbefristetes Aufenthaltsrecht künftig frühestens nach fünf Jahren und nur unter Bedingungen zu ermöglichen. Nach seinen Vorstellungen sollten Zuwanderer dafür „einigermaßen ordentlich Deutsch sprechen können“, Grundkenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung besitzen und keine Straftaten begangen haben. Zudem sollten sie nachweisen können, dass sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können. Die bestehende Regelung schaffe keine Integrationsanreize: „Wer als Flüchtling oder Asylbewerber anerkannt ist und hier drei Jahre lebt, darf unbefristet in Deutschland bleiben“, so Strobl – und das unabhängig etwa von Deutschkenntnissen oder einem Arbeitsplatz.

Streit über kriminelle Flüchtlinge

Nach Informationen der Bild-Zeitung aus Koalitionskreisen gibt es in der großen Koalition auch neuen Streit über dem Umgang mit straffällig gewordenen Flüchtlingen. Während die Union darauf dringe, dass Staatsanwaltschaften bei Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen schwerer Delikte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) informieren, wolle die SPD das erst nach Anklageerhebung zulassen. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Ansgar Heveling (CDU), sagte dem Blatt: „Sinnvoll ist, dass das BAMF mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens informiert wird, damit es frühzeitig Kenntnis über den Verdacht einer Straftat erhält, die Auswirkungen auf das Asylverfahren haben kann.“

dpa/AS