Entfremdung vom Westen: Russlands Präsident Wladimir Putin. (Bild: Imago/Itar-Tass/Mikhail Metzel)
Seehofer in Russland

Brücken bauen

Gastbeitrag Bayern und Russland werden ihre Zusammenarbeit ausbauen. Darüber einigten sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und Staatspräsident Wladimir Putin in Moskau. Mit Blick auf die Lage in Syrien und in der Ostukraine warb der CSU-Parteivorsitzende für eine Intensivierung des Dialogs mit dem Kreml, ohne dessen Mitwirkung sich wesentliche Probleme der Weltpolitik nicht lösen ließen.

Die große Wertschätzung Putins für Bayern und die Leistungen seiner Bürger öffnet dem Freistaat neue Türen in Moskau. Als bisher einziges Bundesland bettet Bayern seine Kooperation mit der Russischen Föderation in feste Strukturen ein. Die Zusammenarbeit wird sich auf die Bereiche Bildung, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft erstrecken. Seehofer erklärte, dass er damit auch eine Antwort auf den spürbar geschrumpften bayerisch-russischen Handel geben wolle. Natürlich gehe es um die Erschließung von Märkten zum Wohle der Menschen in Bayern. Und außerdem schaffe Zusammenarbeit Vertrauen auf beiden Seiten und baue Brücken, betonte der CSU-Vorsitzende, der von Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber nach Moskau begleitet wurde.

Die Osteuropa-Strategie

Seehofer zeigte sich vorsichtig zuversichtlich, dass die Aufhebung der Sanktionen gelingen könnte, auch wenn der Weg dorthin noch schwierig sei. Jedenfalls habe er Grund zu der Annahme, dass auch Russland wisse, dass es Aufgaben erfüllen müsse. Seehofer sprach von einem „Zurück zur Normalität und zu Vertrauen, ohne dass wir Rechtsstandpunkte aufgeben“. Er wolle den Abbau der Sanktionen in absehbarer Zeit, „sobald Umstände vorliegen, welche die Handelsbeschränkungen überflüssig machen“. Auch die Ukraine müsse ihre Hausaufgaben erledigen, unterstrich Seehofer. Darüber werde er in Kürze mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Petr Poroschenko in München sprechen. Die Intensivierung der Beziehungen zu Moskau stellte der bayerische Ministerpräsident in die Osteuropa-Strategie des Freistaates. Zu einem „sowohl als auch“ gehörten neben der Aussöhnung mit Tschechien oder der Kooperation mit Bulgarien ebenso gute Beziehungen mit Russland, so Seehofer.

Moskau ist Teil der Lösung

Den Bürgerkrieg in Syrien bezeichnete der CSU-Vorsitzende als die zentrale Ursache für die Flucht Hunderttausender aus dem Nahen Osten. Russland sei ein wichtiger Partner, ohne den die Stabilisierung der Situation nicht gelinge, so Seehofer. Das Gespräch mit Putin habe bestätigt, dass der russische Präsident es begrüße, wenn nach einer Phase der Beruhigung in Syrien Wahlen durchgeführt werden könnten. Gleichfalls sei der Weg dorthin noch streitig. Stoiber bezeichnete Moskau als Teil der Lösung und würdigte den Dialog mit Putin als einen „Wert an sich“.

Auch mit der Stadt Moskau will Bayern seine langjährige Zusammenarbeit wieder intensivieren. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichneten Seehofer und Oberbürgermeister Sergej Sobjanin. Perspektivisch steht eine solches Rahmenabkommen auch mit dem Moskauer Gebiet im Raum, wie ein Gespräch mit dem stellvertretenden Regierungschef Denis Butsaew ergab. Dieser Schritt könnte bereits in der zweiten Jahreshälfte erfolgen, wenn Seehofer seine Unterredungen in der russischen Hauptstadt in Begleitung einer großen bayerischen Delegation fortsetzen wird.

 

Der Russland-Besuch

Bei dem Gespräch in Putins Residenz vor den Toren Moskaus befürwortete der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer angesichts vieler ungelöster Krisen auf der Welt den Schulterschluss mit dem russischen Präsidenten: „Wir wollen mit ehrlichem Herzen unseren Beitrag leisten, dass wir in schwierigem politischem Umfeld wieder ein Stück Vertrauen und Normalität herstellen.“ Dabei arbeite man mit der Bundesregierung zusammen, nicht gegen sie. „Wir sind der Überzeugung, dass das alles nur miteinander zu lösen ist, nicht im Konflikt“, so Seehofer zu den Problemen in der Ukraine, in Syrien und in der Flüchtlingskrise. Putin erwiderte: „Die Probleme von heute betreffen uns alle.“ Seehofer betonte, dass Russland im Ukraine-Konflikt seine „Hausaufgaben“ zu machen habe. Es sei „auch deutlich gemacht worden, dass auch die russische Seite Aufgaben erfüllen muss“. Seehofer sprach insgesamt von einem „recht intensiven Gespräch in einer sehr guten Atmosphäre“. Er sagte aber auch: „Man konnte keine Zweifel haben, wer wo steht.“

„Jeder Ministerpräsident hat die verdammte Pflicht, sein Land überall auf der Welt zu vertreten.“

Horst Seehofer

Zu den westlichen Sanktionen gegen Russland sagte Seehofer auf dem Flug nach Moskau: „Sie haben für uns in Bayern massive negative Rückwirkungen: für die bayerische Wirtschaft, auch für die bayerische Landwirtschaft.“ Auch die russische Wirtschaft habe Schaden genommen. Deshalb sollte es im Interesse aller Beteiligten sein, „in überschaubarer Zeit“ zu Veränderungen zu kommen, „in Schritten oder in einem Schritt“, betonte er. „Und dafür werde ich werben.“ Putin verwies – wie auch Seehofer – auf die engen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Bayern. 20 Prozent des deutsch-russischen Handels entfielen auf Bayern, 50 Prozent aller Investitionen aus Deutschland kämen aus dem Freistaat, erklärte Putin und sagte zu Seehofer: „Deshalb sind Sie ein besonderer Gast.“ Seehofer sagte, sowohl ihn als auch Putin erfüllten die rückläufigen Handelszahlen mit Sorge. Er verteidigte seine Moskau-Reise gegen die größtenteils scheinheilige und überzogene Kritik und verwies auf seinen Amtseid. „Jeder Ministerpräsident hat die verdammte Pflicht, sein Land überall auf der Welt zu vertreten.“ Die bayerische Wirtschaft begrüßte die Reise. „Der Dialog darf nicht abreißen. Russland ist für uns ein sehr wichtiger Handelspartner“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, Bertram Brossardt, der Deutschen Presse-Agentur. Er wandte sich gegen die Sanktionen gegen Moskau, von der viele Firmen in Bayern betroffen seien. Sie hätten politisch nichts verändert.