Hilfe für die Krim: Russische Arbeiter bringen Generatoren auf die Schwarzmeer-Halbinsel, auf der am Wochenende die Stromversorgung zusammengebrochen ist. Mehrere Masten waren von Unbekannten gesprengt worden. Bild: Imago/ITAR-TASS
Ukraine-Konflikt

Russland sitzt am längeren Hebel

Der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nimmt wieder an Schärfe zu. Nachdem Unbekannte auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim die Stromversorgung lahmgelegt haben, dreht Moskau Kiew wieder einmal den Gashahn zu. Die Ukraine nimmt das gelassen und geht auf Konfrontationskurs. Das könnte sich rächen.

In den vergangenen Monaten hatte sich beinahe so etwas wie Entspannung zwischen den Ländern angedeutet. Im September schlossen Russland und die Ukraine ein Abkommen, das die Gasversorgung bis März 2016 garantieren sollte. Seit dieser Woche wollen beide Seiten davon nichts mehr wissen. Auf der Krim explodierten Sprengladungen an Strommasten, die umstürzten. Die Menschen auf der Schwarzmeer-Halbinsel saßen im Dunkeln, seit vergangenem Wochenende werden die rund zwei Millionen Bewohner über Generatoren mit Strom versorgt. Wer hinter den Anschlägen steckt, ist unklar, unter Verdacht stehen protestierende Krimtataren und ukrainische Nationalisten.

Es gibt weder neue Vorauszahlungen, noch neue Bestellungen. Deshalb haben wir die Lieferungen eingestellt

Gazprom-Chef Alexej Miller

Russland stellte nach dem Vorfall die Gaslieferung an den ungeliebten Nachbarn ein. Als Grund dafür nannte der russische Staatskonzern Gazprom aber nicht die Sabotage auf der Krim, sondern fehlendes Geld: „Es gibt weder neue Vorauszahlungen, noch neue Bestellungen. Deshalb haben wir die Lieferungen eingestellt“, wird Gazprom-Chef Alexej Miller zitiert. Er soll zudem vor „ernsten Risiken“ für die Gasversorgung West-Europas gewarnt haben. Die Sorge teilte die EU-Kommission aber nicht: „Die Kommission macht sich keine besonderen Sogen über den Gasfluss“, erklärte eine Sprecherin.

Ukraine garantiert Gasfluss nach Westeuropa

Die Ukraine quittierte den Gas-Liefer-Stopp Russlands mit einem müden Lächeln. Der heimische Energieversorger Naftogaz verfüge über genügend Gas-Vorräte, Lieferungen seien vorerst nicht nötig, hieß es. Zugleich versicherte das ukrainische Staatsunternehmen, den Transit russischen Gases durch die Ukraine weiterhin zu gewährleisten. Und zwar unabhängig davon, „ob es der Ukraine geliefert wird oder nicht“.

Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt

Während das Gas also weiter über ukrainisches Territorium nach Westeuropa strömen darf, müssen russische Flugzeuge ab sofort Umwege in Kauf nehmen. Kiew sperre den Luftraum für alle zivilen Fluggesellschaften des Landes, erklärte Ministerpräsident Asenij Jazenjuk bei der Kabinettsitzung am Mittwoch. Der Grund: Russland könne den Luftraum für Provokationen nutzen, fürchtet Jazenjuk. Vor gut einem Monat hatte die Ukraine bereits ein Landeverbot für russische Flugzeuge verhängt, Moskau reagierte seinerseits mit einem Verbot ukrainischer Airlines.

Im Verlauf eines Monats werden etwa 40 Prozent unserer Wärmekraftwerke ohne Kohle dastehen, wenn wir keine Lieferungen aus anderen Quellen einrichten

Wsewolod Kowaltschuk, Interimschef des ukrainischen Staatskonzerns Ukrenergo

Ob sich Kiew mit dem neuerlichen Konfrontationskurs gegen den Kreml einen Gefallen tut, steht auf einem anderen Blatt. Russland sitzt am längeren Hebel und hält mit seiner Kohle einen weiteren Trumpf in den Händen. Die Ukraine bekommt vor dem Beginn des Winters schon jetzt Lieferengpässe zu spüren: „Im Verlauf eines Monats werden etwa 40 Prozent unserer Wärmekraftwerke ohne Kohle dastehen, wenn wir keine Lieferungen aus anderen Quellen einrichten“, zitieren Zeitungen den Chef des Staatskonzerns Ukrenergo. Russische Medien berichten derweil, dass die Kohleexporte in die Ukraine am Dienstag eingeschränkt worden sind.

Russland bindet Krim an sein Stromnetz an

Die Krim soll dagegen in Zukunft direkt aus Russland mit Strom versorgt werden, und das schon vor Weihnachten. Präsident Wladimir Putin ordnete an, dass bis 20. Dezember eine Leitung über die Meerenge von Kertsch eingerichtet wird. Eine zweite soll bis Sommer 2016 folgen. Für den Stromausfall machte Putin die Ukraine mitverantwortlich. Sie habe die Sabotage stillschweigend hingenommen, sagte der Kreml-Chef.