Schweden meldet: Alle Betten belegt. Das Land kann keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Bild: Imago/Manngold
Schweden

„Wir schaffen das nicht!“

Schweden gerät in der Flüchtlingskrise an den Rand seiner Belastungsfähigkeit: Das Land ist nach eigenen Angaben nicht mehr in der Lage, alle Flüchtlinge unterzubringen. Und im Gegensatz zu Deutschland setzt es ein klares Signal in die Welt: "Wir haben nicht genug Betten", verkündete die Einwanderungsbehörde. Und auf dem Balkan schließen sich die Grenzen für einen Teil der Flüchtlinge.

Schweden ist nach eigenen Angaben nicht mehr in der Lage, alle ankommenden Flüchtlinge unterzubringen. „Wir haben nicht genug Betten“, erklärte der Vizechef der Einwanderungsbehörde, Mikael Ribbenvik, am Donnerstag. Viele Flüchtlinge müssten daher nun selbst eine Unterkunft finden. Priorität bei der Suche nach Unterkünften haben für die schwedische Behörde jetzt Familien mit Kindern.

Als Reaktion auf die jüngste Krise hat die Regierung die Grenzkontrollen wieder verstärkt. Der Ansturm bringt das Land ausgerechnet kurz vor dem harten skandinavischen Winter in eine Notlage, die wohl bald auch für Deutschland verkündet werden muss – vorausgesetzt, Bundeskanzlerin Angela Merkel kann sich endlich zu einem solchen Signal aufraffen.

Jeder Quadratmeter wird belegt

Tausende Flüchtlinge sollen in Schweden in Zelten oder sogar in Unterkünften für Skitouristen und umgebauten Freizeitparks untergebracht werden. Das Land hat in den vergangenen Jahren im Vergleich zu seiner Einwohnerzahl von zehn Millionen mehr Flüchtlinge aufgenommen als jedes andere europäische Land, auch als Deutschland. Dieses Jahr wird mit der Ankunft von 190.000 Flüchtlingen gerechnet.

Schärfere Sicherheitsgesetze

Nach den Anschlägen von Paris verschärft Schweden außerdem seine Sicherheitsgesetze. Die jüngst verlängerten Grenzkontrollen sollen hier die Terrorgefahr eindämmen und zugleich dazu dienen, der hohen Flüchtlingszahlen Herr zu werden. Das Land ist nach eigenen Angaben mit diesem Ansturm überfordert.

Bis vorerst zum 11. Dezember müssen Einreisende nun an der Grenze ihren Pass vorzeigen, wie Regierungschef Stefan Löfven erklärte. Auf EU-Ebene will sich Schweden dafür einsetzen, dass bei der Einreise in die EU biometrische Daten wie Fingerabdrücke kontrolliert werden. Den Vorschlag werde sein Land am Freitag beim Treffen der Innen- und Justizminister in Brüssel machen, so Löfven. Anfangs waren die Grenzkontrollen nur wegen der enorm hohen Flüchtlingszahlen eingeführt worden. Diese Zahl hat sich jedoch kaum verringert.

Die Überwachung in Schweden wird verstärkt.

Das traditionell gastfreundliche Multikulti-Land, das selbst Problemviertel in seinen Städten ähnlich Berlin-Neukölln oder Duisburg-Marxloh bisher geflissentlich „übersah“, scheint sich durch die Flüchtlingswelle grundlegend zu ändern. Dafür hat auch das Erstarken der rechtsnationalen Partei der „Schwedendemokraten“ gesorgt. Ministerpräsident Löfven kündigte jetzt zusätzlich ein Gesetzespaket an, um Anschlagspläne künftig schneller und besser aufdecken zu können. Dazu sollen die Geheimdienste und Justizbehörden neue Befugnisse bekommen, um die Internetkommunikation über Kanäle wie Skype oder Viber abhören zu können. Mit Trojaner-Programmen sollen sie auch in verschlüsselte Kommunikation eindringen können. Zudem soll es möglicherweise eine stärkere Kameraüberwachung zum Beispiel vor Medienhäusern, Gebäuden von religiösen Gemeinschaften und Flüchtlingslagern geben.

Neue Straftatbestände

Das Gesetzespaket sieht zudem die Einführung neuer Straftatbestände vor. In Schweden soll es danach in Zukunft strafbar sein, mit der Absicht eines Terroranschlags ins Ausland zu reisen oder ein Terror-Ausbildungslager zu besuchen. Die Polizei schrieb bereits wegen der „Planung eines Terrorakts“ einen Verdächtigen zur Fahndung aus. Medienberichte, wonach es sich um einen 25 Jahre alten Iraker mit Kampferfahrung in Syrien handelt, wurden von der Polizei bestätigt. Am Donnerstag nahmen die schwedischen Behörden den Mann fest, der möglicherweise einen Anschlag in dem skandinavischen Land geplant haben könnte. Der Iraker, der über Syrien ins Land gekommen sein soll, sei in einer Unterkunft für Asylbewerber in der nordöstlichen Ortschaft Boliden in Gewahrsam genommen worden, teilten die Behörden mit. Die Festnahme sei ohne Zwischenfälle verlaufen.

Nach Informationen der Sicherheitspolizei sind rund 300 Personen aus Schweden nach Syrien oder in den Irak gereist, um für die Terrormiliz IS zu kämpfen. Unerfreulich dabei ist: Rund 120 seien bereits zurückgekehrt.

Schweden war wahrscheinlich zu naiv.

Stefan Löfven, schwedischer Ministerpräsident

Schweden hatte bereits am Mittwoch seine Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Es wurde die zweithöchste Terrorwarnstufe für Schweden ausgerufen, weil die Sicherheitsbehörden eine größere Bedrohung für das Land sahen als bislang angenommen. „Schweden war wahrscheinlich zu naiv“, sagte Ministerpräsident Löfven. Es sei für viele Schweden „schwer zu akzeptieren, dass in unserer offenen Gesellschaft Menschen leben, schwedische Staatsbürger, die mit Mördern“ und der Barbarenmiliz IS sympathisierten.

Auch auf dem Balkan wird die Lage prekär

Einige Balkanstaaten haben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR ab sofort die Einreise von Flüchtlingen beschränkt: Nur noch Menschen aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan werden aufgenommen, alle anderen Nationalitäten werden abgewiesen. Nachdem Slowenien angekündigt hatte, nur noch Flüchtlinge aus den genannten Kriegsländern ins Land zu lassen, zogen Mazedonien, Serbien und Kroatien nach. Damit ist die Balkan-Route für Hunderte Flüchtlinge aus dem Iran, Bangladesch, Eritrea, Somalia oder Pakistan geschlossen. Die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Belgrad, Melita Sunjic, sagte, nur noch Asylbewerber aus Syrien, dem Irak und Afghanistan sollten passieren dürfen. Flüchtlinge aus asiatischen oder den allermeisten afrikanischen Ländern würden also zurückgewiesen.

Dies war genau der Dominoeffekt, den viele befürchtet – oder auch erhofft – hatten.