Millionen Menschen strömten in Myanmar zu den Wahlurnen. Die Begeisterung war im ganzen Land spürbar. (Foto: imago/Koydo News)
Wahl in Myanmar

Demokratie vor dem Erdrutschsieg?

In Myanmar steht die Nationalliga für Demokratie (NLD) von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi vor einem historischen Sieg. Laut aktueller Hochrechnungen soll die Partei bei der ersten freien Wahl seit einem Vierteljahrhundert ganze 70 Prozent der Mandate errungen haben.

Es sind die ersten freien Wahlen in Myanmar seit 25 Jahren und es deutet alles auf einen politischen Umbruch in dem südostasiatischen Staat hin. Noch ist die Auszählungen aller Stimmen nicht beendet, doch Wahlbeobachter sprechen von einem Erdrutschsieg für die NLD und ihre Vorsitzende, die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Gute 70 Prozent der Mandate sollen auf ihre Partei entfallen.

Bisherige Regierung räumt Niederlage ein

Htay Oo, Parteichef der militärnahen USDP, deren Führungsspitze aus ehemaligen Junta-Generälen besteht, gab sich bereits am Montag geschlagen. „Wir haben sämtliche Sitze in der Region des Irrawaddy-Delta verloren“, so Htay Oo. Die Deltaregion galt bisher als einer der Machtkerne seiner Partei. Im ganzen Land habe es mehr Niederlagen als Siege gegeben, erklärte der Parteichef.

Nach Angaben der EU-Wahlbeobachter um Delegationsleiter Alexander Graff Lambsdorff lief die Wahl in Myanmar weitegehend in geordneten Bahnen ab. Vor den landesweit 40.000 Wahllokalen bildeten sich teils lange Warteschlangen. In einigen Wahlkreisen soll die Wahlbeteiligung bei 80 Prozent gelegen haben. Insgesamt waren 30 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen.

Es gab Mängel, aber es sieht nicht so aus, als ob der Prozess der Stimmabgabe in Frage zu stellen ist.

Alexander Graff Lambsdorff, Delegationsleiter EU-Wahlbeobachter

Eine echte Demokratie allerdings gibt es noch lange nicht: Trotz der freien Wahlen sind ein Viertel der Sitze im Parlament Myanmars für das Militär reserviert. Aus diesem Grund braucht die NLD drei Drittel der Mandate, um eine einfache Mehrheit zu bekommen.

Favoritin – aber nur auf dem Papier

Sowohl Präsident Thein Sein (USDP) als auch Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing haben vor der Wahl versprochen, das Ergebnis in jedem Fall auch anzuerkennen. Unter der Bevölkerung war am Sonntag jedoch weiter die Skepsis spürbar – viele Menschen glauben nicht so recht an das Versprechen der Militärs.

Aung San Suu Kyi ist das Aushängeschild der NLD. Die 70-Jährige setzt sich seit den 80er Jahren für eine friedliche Demokratisierung ihres Heimatlandes ein. Bereits bei den Wahlen 1990 trug die NLD den Sieg davon. Doch die Militärregierung ignorierte das damalige Ergebnis und hielt unbeirrt an der Macht fest. Wegen ihres politischen Engagements wurde Aung San Su Kyi dreimal unter Hausarrest gestellt – 1989 bis 1995, 2000 bis 2002 sowie 2003 bis 2010.

Da Aung San Suu Kyi mit einem Briten, dem Tibetologen Michael Aris, verheiratet ist und ihre beiden gemeinsamen Söhne einen ausländischen Pass besitzen, kann sie selbst nicht Staatschefin in Myanmar werden. Die Änderung des entsprechenden Paragrafen in der Verfassung wäre nur mit Zustimmung des Militärs möglich. Dieses hatte den Paragrafen allerdings 2008 extra für Aung Sann Suu Kyi in die neue Verfassung eingefügt, um ihr allzu große politische Freiheiten nicht zuzugestehen. Trotzdem will sie bei einem Sieg ihrer Partei die politischen Geschicke in Myanmar weiter mitbestimmen. In diesem Fall wolle sie „über dem Präsidenten stehen“ – und würde auf diese Weise die Verfassungsklausel umgehen. Wie genau ihr Plan aussehe, wollte sie im Vorfeld der Wahl nicht verraten.

In der Parteizentrale der NLD herrscht vor dem offiziellen Wahlergebnis Bescheidenheit. Auch wenn der Ausgang der Wahl im Prinzip klar sei, solle niemand herumprahlen hieß es – das verletze die Gefühle der Gegner.

Bleibt friedlich und ruhig.

Aung San Suu Kyi, Parteivorsitzende der NLD

Der lange Weg zur Demokratie

Myanmar gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Seit 1962 stand es unter Militärherrschaft, Bestechung und Korruption gehören in allen Schichten der Gesellschaft bis heute zum Alltag. Erst 2011 begann das Land, in dem die meisten Menschen Buddhisten sind, sich von seiner Militärdiktatur zu lösen.

Für die politischen und wirtschaftlichen Fortschritte wurde Myanmar auch international immer wieder gelobt. Kritisiert wurde jedoch immer wieder der Umgang mit der muslimischen Minderheit. Und mittlerweile ist auch der Reformprozess wieder ins Stocken geraten. Somit bleibt der Ausgang dieses halbdemokratischen Abenteuers fraglich.