Die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton bei der wichtigen Vorwahl im Bundesstaat Iowa, wo sie einen hauchdünnen Vorsprung vor Bernie Sanders erringen konnte. (Foto: imago/UPI Photo)
Hillary gegen Jeb

Yes, she can!

Gastbeitrag Nach Jahren der Spekulation ist klar: Hillary Clinton bewirbt sich um die demokratische Kandidatur als US-Präsidentin. Für den BAYERNKURIER werfen Richard Teltschik und Tanja Hofer von der Hanns-Seidel-Stiftung aus Washington einen Blick auf die frühere Außenministerin und First Lady, ihre potentiellen republikanischen Gegenkandidaten und Clintons Chancen, Anfang 2017 ins Weiße Haus einzuziehen.

Hillary Clinton kennt die Politik. Sie war First Lady im Weißen Haus, Senatorin von New York, Chefdiplomatin. Sie kennt die Welt besser als jeder, der sich je für das Präsidentenamt in den USA beworben hat. Insgesamt 112 Länder hat Clinton in ihren vier Jahren als US-Außenministerin bereist und flog dabei über eine Million Meilen. Weltweit soll sie an 1700 Meetings mit Außenministern und anderen wichtigen Staatsvertretern teilgenommen haben. Angesichts dieser Blianz stellte der Economist am 11. April fest, dass wohl kaum eine außenpolitische Krise auf Hillary zukommen könne, in der sie nicht schon mit allen beteiligten Parteien Tee getrunken habe.

Kein Freiticket ins Weiße Haus

Experten zufolge muss Clinton überzeugen, dass sie frische politische Ansätze zu bieten hat und bürgernah ist. Ihre Stärke als erfahrene und erprobte Politikerin ist allerdings gleichzeitig ihre Schwäche. Man kann sich kaum vorstellen, dass dieser Kandidatin, die seit Jahrzehnten zum Inventar der amerikanischen Politik gehört, noch etwas Neues einfällt. Wer Präsident werden möchte, gibt sich in den USA meist als Außenseiter, der Washington vom alten Mobiliar befreien wird – die Clintons seien allerdings ein Teil davon, schrieb der Tages-Anzeiger am 13. April. Hillary muss sich neu erfinden, denn selbst nach Jahren in der Öffentlichkeit, fragen sich viele bis heute, wofür sie steht, wer sie eigentlich ist. Charles Schumer, ihr früherer Senatskollege in New York, bezeichnete sie als die „undurchschaubarste Person, der Sie im Leben je begegnen werden“. Kritiker von rechts versuchen, Hillary Clinton auf eine machthungrige Diva zu reduzieren. Die Linke fürchtet, Clinton stehe der Wall Street zu nahe und habe sich vom Leben der einfachen Amerikaner schon vor langer Zeit entfernt.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Demokraten wird die Bilanz der Präsidentschaft Obamas sein. Er kämpft zur Zeit um sein Vermächtnis, das durchaus noch in Gefahr ist. Sollte der Oberste Gerichtshof der USA seine Gesundheitsreform kippen, sollten die Handelsabkommen mit Asien und Europa scheitern und sollte das Nuklearabkommen mit dem Iran platzen, blieben dem Präsidenten keine großen Leuchtturmprojekte. Schon jetzt ist die Enttäuschung bei wichtigen Wählergruppen, wie der schwarzen Bevölkerung und den Latinos, groß, die Obama entscheidend zum Sieg verholfen hatten. Obama konnte nur wenig für sie erreichen und hat sich nur marginal für sie eingesetzt. Die Gefahr für Hillary besteht, dass diese Wähler 2016 enttäuscht zu Hause bleiben.

Außenpolitisch distanziert Hillary sich jetzt schon von Obama, der den Eindruck hinterläßt, jegliches außenpolitisches Risiko zu scheuen und lieber aus den hinteren Reihen zu führen. Auf die Frage, was sich politisch unter einer Präsidentin Clinton am deutlichsten ändern würde, nannte die ehemalige Stabschefin der First Lady im Weißen Haus und Sonderbeauftragte im Wahlkampf, Melanne Verveer, als erstes eine energischere Außenpolitik. Hillary Clinton stimmte seinerzeit etwa für den Einmarsch amerikanischer Truppen in den Irak, war für eine Aufstockung des Militäreinsatzes in Afghanistan und drängte darauf, die Rebellen in Syrien mit Waffen zu unterstützen. Analysten sehen in der Entscheidungsschwäche und Risikoaversität der USA unter Obama einen der Gründe, warum aggressive Kräfte in Ländern wie Russland, China oder Iran zunehmend Aufwind haben und versuchen, ihre Machtbereiche auch unter Verletzung internationaler Normen auszubauen. Dies könnte sich unter Hillary Clinton ändern.

Die Jahre als Außenministerin, insbesondere die laufenden Ermittlungen um den Terroranschlag auf die Botschaft in Libyen 2012, könnten ihr allerdings im Wahlkampf in die Quere kommen. Missgriffe wie die Verwendung ihres persönlichen E-Mail-Kontos für offizielle Kommunikation als Außenministerin oder das Spendensammeln der Clinton-Stiftung bei diversen Autokraten auch während ihrer Zeit als Außenministerin, haben Clinton politisch zugesetzt. Die Republikaner, unterstützt von Fox News, nutzen diese Schwächen umfangreich, um Hillarys Glaubwürdigkeit zu untergraben. Zudem fürchten die Amerikaner, eine weitere politische Dynastie, begründet von diesem oft als machthungrig wahrgenommenen Paar, könnte dem politischen Gefüge der USA schaden. Hillary Clinton ist anfällig und die Super PACs (Political Action Committees) der Republikaner werden Unsummen ausgeben, um ihr Image zu zerstören. Sie hat noch lange kein Freiticket ins Weiße Haus.

Kandidatenrennen bei den Republikanern

Die Republikaner gehen selbstbewusst mit viel Geld in den Wahlkampf. Nur wenige Stunden nach der Bekanntgabe der Kandidatur Clintons als demokratische Präsidentschaftsbewerberin reagierten die Republikaner mit einer „Stop-Hillary“-Kampagne. Generell wird die Außenpolitik von Clinton und Obama kritisiert. Diese habe „die Beziehungen zu unseren Verbündeten beschädigt und unsere Feinde angespornt“, so der ehemalige Gouverneur von Florida Jeb Bush.

Jeb Bush, Sohn und Bruder ehemaliger amerikanischer Präsidenten, hat Mitte Juni ebenfalls seine Kandidatur bekannt gegeben und mehrere US-Medien sehen bereits einen „Kampf der Dynastien“ zwischen den Familien Clinton und Bush heraufziehen. Auch wenn Jeb Bush als einer der aussichtsreichsten Kandidaten der Republikaner gepriesen wird, bestehen noch allerlei Hürden bis zur endgültigen Entscheidung. Die Kampagne soll hauptsächlich unter seinem Vornamen laufen, denn viele Amerikaner sehen in Jeb Bush bisher nur eine jüngere Ausgabe von George H.W. und George W. Bush. Auch jüngste Umstrukturierungen des Wahlkampfteams oder widersprüchliche Aussagen bezüglich des Irakeinsatzes haben seinen Zustimmungswerten bereits geschadet. Dennoch halten ihn viele für den wohl gefährlichsten Gegner Hillary Clintons. Im stark nach rechts gerutschten Spektrum der republikanischen Partei arbeit er intensiv an einem moderaten Image. Jeb Bush unterscheidet sich bei Themen wie der illegalen Immigration und der Bildung deutlich von konservativeren Kandidaten – gar nicht zu sprechen von der Tea Party. Er fordert etwa eine vereinfachte legale Einwanderung und nationale Bildungsstandards, was beides an der republikanischen Basis kontrovers gesehen wird. Auch startete Jeb Bush bereits vor der offziellen Ankündigung seiner Kandidatur eine ambitionierte Spendenkampagne und kann hierbei natürlich auf die Netzwerke seines Vaters und Bruders zurückgreifen.

Die Vorwahl bietet jedoch eine breite Palette an Kandidaten der republikanischen Partei. Bei bis zu 20 wahrscheinlichen Bewerbern haben bisher ein Dutzend ihre Kandidatur erklärt. Darunter sind Senator Ted Cruz, der Liebling der Tea-Party-Bewegung, und Rand Paul, der in vielem auch mit der Tea-Party sympathisiert, außenpolitisch aber um isolationistische Positionen laviert. Gute Chancen könnte auch Marco Rubio haben, als erst 44jähriger Senator aus Florida ein frisches Gesicht, allerdings mit sehr konservativen, Tea-Party-konformen Ansichten. Ein weiterer potentieller Überraschungskandidat könnte auch Scott Walter sein. Der Governeur von Wisconsin ist ein begnadeter politischer Taktiker und hat gegen größte Widerstände Durchsetzungskraft bewiesen, was ihn in der republikanischen Partei sehr beliebt macht. Er hat klare konservative Ansichten, reagiert aber durchaus pragmatisch, wenn er dafür keine Mehrheit sieht – anders als manche Tea-Party-Ideologen. Kandidaten wie der Neurochirurg Ben Carson oder die ehemalige Hewlett-Packard-Chefin Carly Fiorina spielen eher eine Nebenrolle. Das Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur hat im Gegensatz zu den Demokraten ernsthaft begonnen, das Kandidatenfeld ist groß und bisher hat keiner der aussichtsreicheren Kandidaten einen signifikanten Vorsprung in den Umfragen. Daher ist der Ausgang alles andere als klar.

Keine ernsthafte Konkurrenz bei den Demokraten

Clinton ist derzeit im parteiinternen Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur ohne ernsthafte Konkurrenz. In den Umfragen kann sie mehr als 60% der Vorwahl-Stimmen auf sich vereinen. Clintons bisher einzigem offiziellen Konkurrenten, dem radikalen und wenig bekannten Senator des Staates Vermont, Bernie Sanders, werden kaum Chancen gegen Clinton zugesprochen. Elizabeth Warren, die gerade auch beim Thema Handelsabkommen Präsident Obama klar widerspricht und sich damit beim linken Flügel der Demokraten beliebt gemacht hat, wird nach eigenen Aussagen nicht gegen Hillary antreten, obwohl sie von der Parteibasis immer wieder dazu aufgefordert wurde. Der amtierende Vizepräsident Joe Biden hat eine Kandidatur so gut wie abgelehnt und alle anderen potenziellen demokratischen Bewerber haben Experten zufolge praktisch keine Chance, Clinton auszubooten. Doch genau das macht viele Unterstützer nervös. Es werden Erinnerungen an 2008 wach, als ihr der Sieg ebenfalls vorschnell bescheinigt wurde, um dann im parteiinternen Wettkampf von einem bis dahin auf nationaler Bühne weitgehend unbekannten Senator aus Chicago namens Barack Obama überholt zu werden. Amtsinhaber Barack Obama stärkt heute seiner Parteifreundin demonstrativ den Rücken. Er erklärte kurz nach der Bekanntgabe ihrer Kandidatur, Clinton sei eine hervorragende Außenministerin gewesen und fügte hinzu: „Sie ist eine Freundin. Ich bin sicher, sie würde eine grandiose Präsidentin abgeben“. Die Leute, die im Team von Obama 2008 Clinton besiegt haben, gehören nun zu ihren größten Unterstützern. Bei den Wahlen 2016 kann Hillary auf die komplette Infrastruktur und das Know-How zurückgreifen, die Obama 2008 zur Wahl und 2012 zur Wiederwahl verhalfen. Ein Aktionskomitee „Ready for Hillary“ ist schon seit längerem aktiv und bereitet den Boden für das Geldsammeln und die Rekrutierung von freiwilligen Helfern. Hillary und Bill Clinton feilten zudem jahrzehntelang an einem Netzwerk von Unterstützern und Spendern. Umfragen bescheinigen Hillary Clinton derzeit einen zweistelligen Vorsprung, ganz egal, wer ihr Gegenkandidat bei den Republikanern werden sollte. Manch ein Wettbüro berechnet ihre Chance auf mehr als 90 Prozent. Das Online-Magazin Politico bezifferte die anvisierten Kosten für ihre anstehende Kampagne auf bis zu zwei Milliarden Dollar. Das entspricht 1,86 Milliarden Euro an Spendengelder, die gesammelt werden müssen. Mit Bill Clinton hat sie allerdings einen begnadeten Fundraiser an ihrer Seite, der alleine 2013 fast 200 Millionen Dollar für die Familienstiftung gesammelt hat.

Wahlkampf um den amerikanischen Traum

Obwohl Clinton innerhalb der demokratischen Partei kaum gefährdet erscheint, muss sie dennoch einen echten innenparteilichen Wahlkampf führen. Dies insbesondere, um einen linken Aufstand gegen ihre eher wirtschaftsnahe Positionen zu verhindern. Etwas überraschend waren entsprechend die sozialpopulistischen Töne, die Clinton in ihrem Kampagnenvideo zur Verkündung ihrere Bewerbung, anschlug: „Die Amerikaner haben sich erfolgreich durch harte wirtschaftliche Zeiten gekämpft,“ sagte sie, „aber die Karten sind immer noch gezinkt, um die da oben zu bevorteilen.“ Aus diesem Grund bräuchten die Amerikaner einen Champion, der sich für sie einsetze, „und ich möchte dieser Champion sein“. Es wird sich zeigen, inwieweit sie damit das Herz der linken Basis gewinnen wird. Sicher ist, dass sie sich als Kandidatin der Mittelschicht profilieren möchte. Erschien Clinton 2008 schier unnahbar, stets umgeben von Mitarbeitern, Geheimdienstlern und Bodygards, will sie jetzt den Wählern näher kommen. Ihre Auftritte werden daher zunächst wohl ohne große Kameraaufgebote und vor kleinem Publikum stattfinden. Ihre Kampagne wird Clinton nicht nur auf die wirtschaftlichen Sorgen der Mittelschicht zuschneiden. Es wird erwartet, dass sie über die Gleichberechtigung der Frauen spricht, sich als Vorkämpferin der Frauenrechte inszeniert, die sich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einsetzt. Der gerade für die Mittelschicht brüchig gewordene amerikanische Traum ist ein Thema, das diesen Wahlkampf voraussichtlich bestimmen wird. Wer diesen Traum für die Mittelschicht und aufstrebende Einwanderer am treffendsten definiert und die besten Lösungen für die Probleme dieser Gruppen anbietet, hat eine Chance, Anfang 2017 ins Weiße Haus einzuziehen.

Aus Washington Richard Teltschik und Tanja Hofer / Hanns-Seidel-Stiftung