"President-elect" Donald Trump (Imago/ZUMA Press)
USA

Trump und der Politikwandel

Gastbeitrag Er ist noch gar nicht offiziell im Amt, dennoch bestimmt Donald Trump bereits jetzt die Berichterstattung und setzt demonstrative Zeichen des Wechsels. Wie der neue Präsident Amerika wieder zu Größe bringen will und was damit auch auf Europa zukommt, analysiert Christian Forstner. "Es stehen unruhige Zeiten bevor", sagt der Leiter der Verbindungsstelle Washington der Hanns-Seidel-Stiftung.

Die offizielle Amtseinführung des neuen Präsidenten erfolgt am 20. Januar. Inoffiziell ist Donald Trump bereits seit dem 9. November im Amt. Sobald sein Wahlsieg feststand, sprach in Washington kaum noch jemand von Barack Obama. Trump beherrscht das Mediengeschäft auch ohne Wahlkampf, er bestimmte die Agenda und inszenierte seine Regierungsbildung wie eine Celebrity-Show. Die Kandidaten fuhren im Trump-Tower oder im Club-Haus von Trumps erlesenen Golfplätzen vor und gaben dem Auswahlprozess den Augenschein eines Castings im Rahmen der Reality-Show „Make America Great Again.“

US-Gesellschaft kennt kaum Sozialneid

Der neu gewählte Präsident stellte ein Kabinett zusammen, das gemischte Reaktionen hervorrief. Trump-kritische Journalisten verwiesen darauf, dass Trumps Minister keine Regierungserfahrung hätten, den Washingtoner Politikbetrieb nicht kennen würden, überwiegend aus dem Militär und der Business-Elite kämen sowie verschiedene, miteinander nicht in Einklang zu bringende Politikansätze verfolgen würden. In der Tat verschaffen sich viele unterschiedliche Stimmen Gehör: Die einen fordern ein starkes Militär, andere ein Infrastrukturprogramm, dritte bestehen auf einer Haushaltskonsolidierung. Trump-Freunde, wie der frühere Repräsentantenhaus-Sprecher Newt Gingrich, priesen hingegen die Auswahl der neuen Minister, sie sprechen von einem Kabinett der Gewinner. Trumps Regierungsmannschaft ist geprägt von Generalen und Milliardären, es sind Macher mit eigenständigen Ansichten, die durch Karrieren im Militär oder Erfolge in der Privatwirtschaft auf sich aufmerksam gemacht haben. Bedenkt man, dass die US-Gesellschaft kaum Sozialneid kennt, am amerikanischen Traum des Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär festhält sowie Armee- und Unternehmensvertreter einen durchwegs guten Ruf genießen, ist Trumps Regierungsbildung ein geschickter Schachzug.

Trump setzte ein demonstratives Signal des Wechsels und bindet die einzelnen Gruppen in seine Regierungsmannschaft ein.

Christian Forstner, Washington

Reince Priebus ist als Stabschef im Weißen Haus oberster Vertreter des Parteiestablishments. Hinzu kommen die Generale aus dem militärischen Establishment, die für den nötigen Rückhalt in den außen- und sicherheitspolitischen Kreisen sorgen. Der Medienprofi Stephen Bannon ist Trumps Chef-Ideologe und Sprachrohr des Lagers der demagogisch eingefärbten Populisten, die Trumps Wahlerfolg als Teil einer globalen Anti-Establishment-Welle begreifen. Einen engen Zirkel von Vertrauten bildet zudem Trumps Familie, zuvorderst seine Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner, die beide auch weiterhin großen Einfluss auf den Präsidenten haben werden. Somit kristallisieren sich diverse Machtgruppen heraus, die Regierungspolitik gestalten werden. Über allen steht der Präsident mit seinem „Macher-Anspruch“ und „Winner-Image“.

Sein Regierungsstil wird ich-bezogen sein, pragmatisch und erfolgsorientiert. Trump macht Politik über Twitter, er fährt dabei schnelle und leichte Erfolge ein. China gibt eine Drohne zurück, nachdem Trump verlautete, China könne sie auch behalten. Die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus verschob eine Abstimmung zur parlamentarischen Berufsethik, als Trump kritisch anmerkte, ob denn die Abgeordneten nichts Wichtigeres zu tun hätten. Unternehmen wie Ford, Carrier und General Motors korrigieren ihre Betriebsplanungen, da Donald Trump die Abwanderung von Arbeitsplätzen geißelte. Mit seiner Twitter-Politik setzt Donald Trump seinen Wahlkampfstil fort, genauso wie er auch seinen Hang zu großen öffentlichen Kundgebungen im Rahmen seiner Thank-You-Tour weiter auslebte.

Militärische Stärke nach außen und weniger Staat im Inneren

Trump richtet sein Handeln auf die zwei großen Ziele aus, die im Slogan „Make America Great Again“ zum Ausdruck kommen: Jobs in Amerika und US-Militärstärke in der Welt. Das ideologische Motto der nächsten Jahre in der Innenpolitik lautet: Weniger Regulierung, weniger Staat. Außenpolitisch orientiert man sich an eng definierten US-Interessen, weniger an den Grundsätzen globaler Wertemodelle, die für die USA meist mit erheblichen Eigenleistungen verbunden waren. Daraus folgt: US-Außenpolitik wird häufig auch US-Außenwirtschaftspolitik sein. Es geht um Marktzugänge für US-Unternehmen, um den Abbau des US-Handelsdefizits und um Lastenteilung bei Militärausgaben.

Trump richtet sein Handeln auf die zwei großen Ziele aus, die im Slogan „Make America Great Again“ zum Ausdruck kommen: Jobs in Amerika und US-Militärstärke in der Welt.

Christian Forstner, Washington

Mit der republikanischen Kongress-Mehrheit im Rücken wird Donald Trump wohl ein energischer Start im Amt gelingen. Prioritäre Themen sind Reformen bei der staatlichen Krankenversicherung, die Senkung der Körperschafts- und Einkommenssteuer sowie die Verabschiedung eines Investitionspaketes zur Modernisierung der Infrastruktur. Nach der Wahl ist vor der Wahl, vor allem in Amerika. Im November 2018 stehen die Mid Term Elections an, ein Drittel der Senatoren und das gesamte Repräsentantenhaus stehen zur Wahl, ab dem Sommer 2018 wird man im heißen Wahlkampf sein. Donald Trump hat jetzt 1 ½ Jahre zum Regieren.

Die Demokraten werden die Trump-Administration von Tag 1 an sehr kritisch beäugen. Der Übergang („Transition“) von der Obama-Administration zur neuen Trump-Administration verläuft nicht reibungslos. Im Ausland schwindet das Gewicht des scheidenden Präsidenten, Moskau bezeichnete Obama offen als „Lahme Ente“ („lame duck“), dessen Zeit ablaufe. Obama wirkt dem Eindruck der Irrelevanz entgegen, indem er wichtige politische Grundsätze in Erinnerung ruft. Er trifft sich mit den Demokraten im Parlament, um Obama-Care, die von ihm stark geförderte Krankenversicherung, legislativ abzusichern. Er verfügte einen Stopp für Ölbohrungen im Atlantik und wies neue Naturschutzgebiete im Mittleren Westen aus. Er nahm noch zahlreiche Personalentscheidungen bei Bundesbehörden vor und er ließ seinen Außenminister John Kerry eine Israel-kritische Grundsatzrede zum Nahostkonflikt halten.

Spürbare Skepsis gegenüber Donald Trump im Kongress

In der Außenpolitik ist die Skepsis gegenüber dem neuen Präsidenten größer als in der Innenpolitik, auch bei den Republikanern. Die Skepsis im Kongress gegenüber Donald Trump ist spürbar, doch mindestens ebenso groß ist der Wunsch, mit der neuen Regierung eine konstruktive Politik voranzubringen, nachdem der Kongress in den letzten Jahren unter Obama meist links liegen gelassen wurde. Da Donald Trump ohne eigentliches Regierungsprogramm ins Amt gewählt wurde und die meisten nominierten Minister keine Regierungserfahrung mitbringen, liegt es auf der Hand, dass die legislative und fachliche Kompetenz von Kongressabgeordneten jetzt gefragt ist. Die Zeichen stehen also nicht unbedingt auf Konfrontation zwischen Parlament und Administration.

In der Innen- und Wirtschaftspolitik dürften Deals leichter fallen, sobald man den einzelnen Abgeordneten geschickte Anreize bietet. Paketlösungen mit nicht zusammenhängenden Inhalten sind insbesondere bei Infrastrukturprogrammen denkbar. Welcher Abgeordnete will schon als fiskalischer Falke erscheinen, der aus ideologischen Gründen für eine abstrakte Null-Verschuldungspolitik eintritt, während konkrete Straßen- und Schulbauprojekte in seinem Wahlkreis winken.

Begrenztes Tauwetter in den amerikanisch-russischen Beziehungen

Außenpolitisch muss Trump im Kongress auf Gegenwind gefasst sein. Den vorgeschlagenen Außenminister wird man zwar bei den vorgeschriebenen Hearings nicht durchfallen lassen, aber Vorbehalte gegen Rex Tillerson wegen seiner großen Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin werden immer wieder geäußert. Eine „Re-Set-Politik“ mit Russland unterstützt der Kongress nicht, und angesichts des anhaltenden Kriegselends in Syrien sind maßgebliche Senatoren nicht zu einer strategischen Wende in der Russland-Politik bereit. Führende Außenpolitiker insbesondere im Senat sehen Russland als Bedrohung der freiheitlichen Welt und als gefährlichen Antagonisten amerikanischer Politik weltweit, in Afrika ebenso wie in Europa und Asien. Diese grundsätzliche Rivalität ließe sich auch durch ein konstruktiveres gemeinsames Konfliktmanagement im Rahmen des Minsk-Prozesses nicht außer Kraft setzen. Einem „Re-Set“ mit Russland stehen auch die offensichtlichen und von FBI-Ermittlungen gestützten Indizien zur direkten Involvierung des Kreml in das Hacken vertraulicher E-Mails aus dem Wahlkampf entgegen. Damit, so die Lesart im Kongress, greift Russland nicht ein politisches Lager an, sondern die USA in ihrer gesamten politischen und demokratischen Verfasstheit. Das E-Mail-Hacking ist ein Angriff auf die USA, nicht auf das Clinton-Lager. Dies ist die überparteiliche Sicht der außenpolitischen Schwergewichte im Kongress.

Eine „Re-Set-Politik“ mit Russland unterstützt der Kongress nicht, und angesichts des anhaltenden Kriegselends in Syrien sind maßgebliche Senatoren nicht zu einer strategischen Wende in der Russland-Politik bereit.

Christian Forstner, Washington

Sollte sich Tillerson bei seinem Senatshearing von den FBI-Stellungnahmen distanzieren und Russland in Schutz nehmen, wird er es schwer haben, eine Mehrheit zu erreichen. Auch wenn Donald Trump Putin-freundliche Signale aussandte, dürfte es für eine Aussetzung der Russland-Sanktionen derzeit noch zu früh sein. Zuerst müsste Russland überzeugende und nicht auf Druck von außen erfolgende Schritte zur De-Eskalation der Lage in der Ukraine und Syrien machen und glaubhaft zu einer Amerika-freundlichen Politik übergehen. Das von Putin angeordnete Unterbleiben von reziproken Gegenmaßnahmen im Hinblick auf die von Obama angeordnete Ausweisung von russischen Sicherheitsbeamten in Washington ist zu wenig, um ein neues Tauwetter zu begründen. Es sendet aber wichtige Signale in Richtung einer neuen amerikanisch-russischen Detente, die auf einem Gipfel zwischen Donald Trump und Wladimir Putin besiegelt werden könnte. Sobald also ein Gipfeltermin angedacht wird, könnte auch die „Re-Set-Politik“ samt Sanktionsfrage auf die Tagesordnung kommen.

Wandel der Europa-Politik

Auch manch andere außenpolitische Überlegungen des „President-elect“ werden im Kongress skeptisch beurteilt. Weder glaubt man am Capitol Hill, dass die NATO obsolet sei, noch dass die Aufwendungen für die US-Truppen in Korea oder Japan nutzlose Militärausgaben wären. Auch Trumps Neigung, besondere Deals mit dritten Staaten abschließen zu wollen, stößt auf Vorbehalte. Viele Senatoren wehren sich dagegen, dass sich die einzig verbliebene Supermacht USA auf unsichere Abmachungen mit schwächelnden Staaten einlässt. Vielmehr müsse man aus einer Position der wirtschaftlichen und militärischen Stärke heraus Abkommen diktieren, zu viel Entgegenkommen sei fehl am Platz.

Die Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik auf Wirtschafts- und Sicherheitsinteressen wird die große Überschrift der nächsten Jahre sein, die auch mögliche Differenzen in der Europapolitik übertünchen könnte.

Christian Forstner, Washington

Der europapolitische Kurs der neuen Trump-Administration wird keineswegs von allen Entscheidungsträgern in Washington geteilt. Insbesondere die Nähe des Chef-Strategen Stephen Bannon zu anti-europäischen Populisten wie Nigel Farage and Marine Le Pen geht vielen zu weit. Europa muss sich aber darauf einstellen, für die Bewältigung der eigenen Probleme aus Washington keine große Hilfe erwarten zu dürfen. Europäische Krisen, so hört man aus dem Trump-Lager, sind europäische und keine transatlantischen Krisen. Entgegen dem Europa-Verständnis der Obama-Administration, das stark auf gemeinsamer Geschichte und gemeinsamen Werten basierte, dürfte Donald Trump eine weniger EU-freundliche Agenda haben:

  • Das Denken in nationaler Souveränität lässt vermuten, dass man in Washington die EU als Gefährdung der bewährten Nationalstaatlichkeit begreift, nicht als Weiterentwicklung sich überlappender Politikebenen und verschränkter Kompetenzen.
  • Die EU-Governance-Struktur ist für eine Trump-Regierung mit ihren ergebnisorientierten Businessvertretern ein abschreckendes Buch mit sieben Siegeln. Die Wirren um das CETA-Abkommen, als in letzter Sekunde noch Regionalpolitiker ihre Vetomacht ausspielten, wirkte in Washington nicht nur auf das Trump-Lager nachhaltig verstörend.
  • Trump sieht sich als Dealmaker mit Hang zu bilateralen Vereinbarungen. Daraus folgt: Berlin, London und Paris sind die Schaltzentralen und Machtzentren Europas, nicht die Brüsseler Institutionen. Die neue US-Regierung hält wenig von multilateralen Organisationen und schon gar nichts davon, dass konkrete US-Interessen hinter heterogenen Institutionen wie der UNO oder diffusen Zielen wie SDGs (Sustainable Development Goals) verschwinden.
  • Brüssel wird mit Regulierung assoziiert, während die Trump-Regierung auf Deregulierung und „Business-first“ setzt. Mit dem EU-Austritt des marktliberalen Großbritanniens könnten etatistische Brüsseler Politikentwürfe zunehmen, die jenseits des Atlantiks auf Unverständnis stoßen.
  • Der verstärkte US-Fokus auf den Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen rückt Europa als rivalisierenden Wirtschaftsblock wieder mehr ins Blickfeld.

Es stehen unruhige Zeiten bevor. Washingtons Politikprofis prophezeien eine rasante Fahrt in den nächsten Jahren und raten dazu, sich anzuschnallen. Der Schlüsselbegriff zum Verständnis amerikanischer Politik heißt transaktional: Was springt für die USA dabei heraus? Man will hier in Washington genau wissen, worin der Mehrwert für Amerika liegt, wenn man sich mit Partnern einlässt. Die guten Gründe für Kooperationen muss man jetzt präzise herausstellen, bei der UNO ebenso wie bei der NATO, der EU und in den nationalen Häuptstädten. Gute Ratschläge zu geben und Bedingungen für die Zusammenarbeit zu formulieren, wird zu wenig sein, um die neue Trump-Administration auf transatlantischem Kurs zu halten.