Feldzug gegen die Presse
Seit dem gescheiterten Putsch geht der türkische Staat massiv gegen unliebsame Medien vor. Ihnen wird vorgeworfen, die nationale Sicherheit zu bedrohen. Die Bundesregierung zeigt sich besorgt über diese Entwicklung.
Türkei

Feldzug gegen die Presse

Seit dem gescheiterten Putsch geht der türkische Staat massiv gegen unliebsame Medien vor. Ihnen wird vorgeworfen, die nationale Sicherheit zu bedrohen. Die Bundesregierung zeigt sich besorgt über diese Entwicklung.

Nach der Schließung vieler kritischer Medien gehen die türkischen Behörden gegen die wichtigste verbliebene Oppositionszeitung Cumhuriyet vor: Chefredakteur Murat Sabuncu und mindestens zwölf weitere Mitarbeiter seien festgenommen worden, sagte Cumhuriyet-Redakteurin Ayse Yildirim der dpa.

Der Vorwurf lautet: Unterstützung von Terroristen

Insgesamt habe die Staatsanwaltschaft die Festnahme von 19 Mitarbeitern wegen des Verdachts der Unterstützung von Terrororganisationen angeordnet. Darunter sei der Vorstandsvorsitzende Akin Atalay. Außerdem sei Ex-Chefredakteur Can Dündar, der sich in Deutschland aufhält, zur Fahndung ausgeschrieben worden. Dündars Haus in Istanbul sei durchsucht worden.

Die jüngste Welle von Festnahmen ist ein neuer Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei.

Dunja Mijatovic, OSZE-Beauftragte für Pressefreiheit

Die Staatsanwaltschaft wirft der Zeitung vor, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK und die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstützt zu haben. Die Regierung beschuldigt Gülen, für den Putschversuch gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Mitte Juli verantwortlich zu sein. In der Türkei ist Gülens Bewegung – wie auch die PKK – als Terrororganisation eingestuft.

Steffen Seibert kritisiert die Türkei

Die Festnahmen stießen international auf scharfe Kritik. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte: „Die Bundesregierung hat wiederholt – und das will ich hier auch noch einmal tun – ihrer Sorge Ausdruck gegeben über das Vorgehen gegen Presse in der Türkei und gegen Journalisten in der Türkei.“ Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verurteilte die Festnahmen. „Die jüngste Welle von Festnahmen ist ein neuer Schlag gegen die Pressefreiheit in der Türkei“, sagte die OSZE-Beauftragte für Pressefreiheit Dunja Mijatovic. Die Anti-Terror-Gesetzgebung sowie andere Gesetze würden zur Einschränkung der Arbeit der Presse eingesetzt. „Dieser besorgniserregende Trend muss sofort beendet werden“, forderte die OSZE-Expertin.

Cumhuriyet berichtete, die Staatsanwaltschaft habe beschlossen, dass den Festgenommenen fünf Tage lang der Kontakt zu Anwälten untersagt werde. Nach den derzeit in der Türkei geltenden Notstandsdekreten kann auf Beschluss der Staatsanwaltschaft die ersten fünf Tage nach der Festnahme der Kontakt zum Anwalt verwehrt werden. Verdächtige müssen außerdem erst nach 30 statt bislang vier Tagen in Polizeigewahrsam einem Haftrichter vorgeführt werden.

Angriffe auf die Pressefreiheit

Um die Pressefreiheit war es in der Türkei noch nie besonders gut bestellt. Besonders in den vergangenen Jahren haben staatliche Repressalien gegen kritische Journalisten zugenommen. Doch unter dem nach dem Putschversuch im Juli verhängten Ausnahmezustand sprechen Medienrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen von einer „Repression in ungekanntem Ausmaß“. Der Notstand erlaubt es der Regierung unter anderem, Zeitungen und Zeitschriften zu verbieten, falls diese „die nationale Sicherheit bedrohen“.

Nach Angaben der unabhängigen Journalistenplattform P24 sind nach dem gescheiterten Putsch 168 Medien und Verlage durch Notstandsdekrete geschlossen worden, darunter sogar ein kurdischsprachiger Kindersender. Mehr als 200 Journalisten seien zumindest vorübergehend festgenommen worden. Derzeit seien mehr als 100 Journalisten in Haft.

Tausende Journalisten verloren ihre Jobs

Damit führt die Türkei erneut die Liste der Länder an, in denen die meisten Reporter im Gefängnis sitzen. Durch die Schließungen wurden Tausende Journalisten arbeitslos. Hunderte von der Regierung ausgestellte Presseausweise wurden annulliert. Außerdem wurden die Reisepässe einer unbestimmten Anzahl Journalisten für ungültig erklärt, die somit das Land nicht verlassen dürfen.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen lag die Türkei schon vor dem Ausnahmezustand nur auf Platz 151 von 180 Staaten. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan beharrt dennoch darauf, dass die Medien in der Türkei frei seien.

(dpa)