Hill und Bill: Zwei Präsidenten zum Preis für einen
Das gab es noch nie: Wenn Hillary Clinton am 8. November gewinnen sollte, würden zwei Präsidenten im Weißen Haus residieren. Ein ehemaliger Mr. President und eine amtierende Madam President. Das könnte schwierig werden, nicht nur mit der Anrede.
US-Wahlkampf

Hill und Bill: Zwei Präsidenten zum Preis für einen

Das gab es noch nie: Wenn Hillary Clinton am 8. November gewinnen sollte, würden zwei Präsidenten im Weißen Haus residieren. Ein ehemaliger Mr. President und eine amtierende Madam President. Das könnte schwierig werden, nicht nur mit der Anrede.

„Kopfzerbrechen falls Hillary Clinton gewinnt: Was wird dann mit Bill?“ Mit dieser Frage titelte Ende Juli, zur Zeit der Parteitage in Cleveland und Philadelphia, die US-Tageszeitung The New York Times. Hillary Clintons Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gilt als „historisch“, weil mit ihr zum ersten Mal eine Frau eine echte Aussicht auf das Präsidentenamt hat. In der Tat, wenn sie am 8. November gewinnen sollte, wäre sie Amerikas erste Präsidentin. Viel aufregender, geradezu revolutionär ist aber etwas anderes: Hillary Clinton käme nicht alleine. Mit ihr würde am 21. Januar ein ehemaliger Präsident ins Weiße zurückkehren.

Das hat sich nie jemand vorstellen können: zwei Präsidenten im Weißen Haus, die mit einander verheiratet sind.

Hillary und Bill, zwei Präsidenten im Weißen Haus, ein eben gewählter und ein ehemaliger, die mit einander verheiratet sind. Das gab es noch nie. Das hat sich auch noch niemand je vorstellen können. Am allerwenigsten die Verfassungsväter: In Amerikas 228 Jahre alter Verfassung ist die unvorstellbare Konstellation nicht vorgesehen. Sie wird Fragen und Probleme aufwerfen: persönliche für die beiden Clintons, aber auch politische, sogar verfassungsrechtliche.

First Gentleman statt Mr. President

Noch die geringste Schwierigkeit ist die Etiketten-Frage: Wie soll man den Präsidentinnen-Gatten und Ex-Präsidenten denn anreden? „Mr. President“, wie er für alle Welt noch heißt? Das wäre irgendwie unpassend, wenn Ms President oder Madam President – auch das muss noch entschieden werden – neben ihm steht. Aber wie dann? „First Lady“ geht nicht, egal wie weit man Gender-Debatten treibt. „First Laddie“ – was schottisch-umgangssprachlich soviel wie „Bubi“ oder „Bursche“ bedeutet – schlug Bill selber scherzhaft vor, als sich 2007 die Frage schon einmal zu stellen schien. Bill Clinton: „Weil es First Lady sprachlich am nächsten kommt.“

Im vergangenen November, noch tief im Vorwahlkampf, kam ein Talkshow-Moderator auf die Frage zurück und machte Hillary gleich einen Vorschlag: „First President Lady wäre doch gut.“ Naja. Hillary hatte noch keine Antwort parat und improvisierte etwas bemüht witzig: „The first dude, first mate, first gentleman – ich bin mir noch nicht sicher.“ „Dude“ bedeutet, wiederum ziemlich umgangsprachlich, soviel wie „Kumpel“, „Typ“ oder auch „Alter“. „Mate“ heißt ebenfalls „Partner“. Die New York Times brachte noch den „First Spouse“ ins Spiel, den Ersten Ehegatten. Durchzusetzen scheint sich derzeit „First Gentleman“ – das naheliegende männliche Pendant zur „First Lady“.

Ich mache mir keine Gedanken darüber, wie man mich nennen wird, sondern darüber, was man dann von mir erwarten wird.

Bill Clinton

Bill Clinton jedenfalls hat die Protokollfrage schon 2007 locker gesehen: „Ich mache mir keine Gedanken darüber, wie man mich nennen wird, sondern darüber, was man dann von mir erwarten wird.“ Typische First Lady-Aufgaben werden das kaum sein: Porzellan und Blumen-Arrangements für das Weiße Haus aussuchen oder die Vorbereitung von Staatsempfängen zu überwachen. Interessanterweise soll die wohl Tochter Chelsea übernehmen, liest man wieder in der New York Times. Amerika bekommt – vielleicht – nicht nur einen First Gentleman, sondern auch eine First Daughter.

Die Clinton-Stiftung wird zum Problem

In der Tat, was wird man von Bill erwarten? Was soll er tun im Weißen Haus, was darf er überhaupt tun? Die Frage könnte zum Dilemma werden – für Hillary und für ihre ganze Administration. Denn mit Bill kommt eben nicht einfach ein Präsidentinnen-Gatte ins Weiße Haus, eine Art amerikanischer Denis Thatcher, sondern der populärste noch lebende Ex-Präsident. Und der umtriebigste. Als gefragter „elder statesman“ jettet er seit über zwanzig Jahren durch die Welt, nennt Premierminister, Präsidenten und Königliche Hoheiten beim Vornamen und spannt sie für seine Clinton Stiftung ein. Für einen Vortrag nimmt er 500.000 Dollar, weiß die Washington Post. In zwölf Jahren sollen so 105 Millionen Dollar an Redehonoraren zusammengekommen sein.

Interessenkonflikt: Ein Ex-Präsident kann eine Stiftung haben und für sie Spenden sammeln, eine amtierende Präsidentin natürlich nicht.

Viele hunderte Millionen hat er im Laufe der Jahre für seine Clinton-Stiftung mobilisiert. Was Hillary jetzt Probleme bereitet: Kürzlich kam heraus, dass 85 Wirtschaftsvertreter, denen sie als Außenministerin Termine gegeben hatte, der Clinton-Stiftung Spenden von insgesamt 154 Millionen Dollar überwiesen hatten. Das sah übel aus. Sogar die überaus Clinton-freundliche Washington Post war konsterniert.

Bill, heißt es, gehe in den weltweiten Entwicklungsprojekten seiner Stiftung regelrecht auf. Aber wenn Hillary ins Weiße Haus einzieht könnte damit Schluss sein. Ein Ex-Präsident kann eine Stiftung haben und für sie Spenden sammeln, eine amtierende Präsidentin natürlich nicht. Die Stiftung wird einen neuen Namen bekommen. Bill wird ihre Führung abgeben müssen – und wäre dann sozusagen arbeitslos. Auch die 500.000-Dollar-Vorträge wird er nicht mehr halten können. Der Ex-Präsident wird plötzlich nur noch eine Bühne haben: Hillarys Weißes Haus. Wo es dann eng werden könnte, für Hillary und ihr Kabinett.

Bill und das Sonne-Mond-Problem

Bill Clinton ist ein Welt-Politstar. Wo er auftaucht, überstrahlt er alles und jeden. Für Hillary ist das im Vorwahlkampf 2008 schon einmal zum Problem geworden. „Es ist schwer zu strahlen, wenn Du neben der Sonne stehst“, sagt dazu etwa David Axelrod, bis 2012 einer der Chefberater von Präsident Barack Obama. Bill dominierte damals Hillarys Wahlkampf, auch thematisch. „Manchmal weiß ich gar nicht, gegen wen ich überhaupt kandidiere“, blaffte sie damals ein entnervter Obama in einer demokratischen Vorwahl-Debatte einmal an. Hillarys Wahlkampfteam hat daraus gelernt und Bill jetzt, bei ihrem zweitem Versuch, deutlich sparsamer eingesetzt.

Es ist schwer zu strahlen, wenn Du neben der Sonne stehst.

David Axelrod, Ex-Berater von Barack Obama

Aber wenn die beiden tatsächlich wieder zusammen ins Weiße Haus einziehen, ist das Sonne-Mond-Problem sofort wieder da. „Ihre Beziehung als Präsident und ehemaliger Präsident wird von Anfang an ein sehr, sehr heikles Thema sein, und sie werden die Spielregeln sorgfältig klarmachen müssen“, erklärt David Gergen, ehemals Berater von Bill Clinton, gegenüber der New York Times.

Konkurrenz für das Kabinett

Als Präsidentinnen-Gatte wird der Ex-Präsident Hillarys gesamte Regierungsmannschaft überstrahlen und übertrumpfen. Nicht der Vizepräsident, der Sicherheitsberater oder ein Minister wird der wichtigste und einflussreichste Präsidentenberater sein, sondern Bill. „Schon seine bloße Anwesenheit im Westflügel des Weißen Hauses würde alle einschüchtern und würde alles verkomplizieren“, prophezeite die New Yorker Tageszeitung The Wall Street Journal schon 2007 in einem wichtigen Artikel, der nicht zufällig genau jetzt wieder viel gelesen und zitiert wird.

Schon seine bloße Anwesenheit im Westflügel des Weißen Hauses würde alle einschüchtern und würde alles verkomplizieren.

The Wall Street Journal

Hillary sollte Bill darum gleich nach ihrem Amtsantritt in ein möglichst fernes Exil schicken, vielleicht als Sondergesandten nach Swaziland, witzelten im Vorwahlkampf 2008 einige Kommentatoren. Abgesehen davon, dass sich ein Bill Clinton kaum ins Exil schicken lässt, wäre das auch gar nicht so einfach. Denn ein richtiges Amt – Außenminister, Botschafter, Stabschef – darf Hillary ihrem Ehemann nicht geben. Das verbietet ein Anti-Vetternwirtschaft-Gesetz von 1967. Sondergesandter etwa für den Nahen Osten oder Wirtschafts-, Infrastruktur- oder sonst ein „Czar“, wie sie US-Präsidenten für brennende Themen gerne ernennen, könnte er schon werden – allerdings ohne Bezahlung. Problematisch wäre aber auch das: Der übermächtige Präsidentinnen-Gatte hätte sofort Kompetenzkonflikte mit dem Außenminister und allen anderen Kabinettsmitgliedern – ein sicherer Weg ins Regierungschaos.

Im System der Checks and Balances der amerikanischen Verfassung kommt ein Partner oder Kollegen des Präsidenten nicht vor.

Dazu käme eine Verfassungsfrage: Ein Partner oder Kollege der Präsidentin kommt in der US-Verfassung und ihrem sorgsam austarierten System der gegenseitigen Kontrolle der Verfassungsorgane − checks and balances − nicht vor. Was immer der First Gentleman im Weißen Haus unternähme, welche Aufgabe auch immer die Präsidentin ihm übertrüge, Bill wäre politischer Großakteur jenseits erprobter politischer Verantwortlichkeit und Kontrolle. „Seine Rolle wäre zwangsläufig unbestimmt und vieldeutig“, überlegte und warnte vor neun Jahren The Wall Street Journal: Und das in einer Zeit, in der die Wähler immer mehr nach politischer Offenheit, Transparenz und klarer Verantwortlichkeit verlangen.

Vote Hill, get Bill

Dass Bill und Hillary ein Leben lang politisch immer extrem eng zusammengearbeitet haben, macht die Sache nicht leichter. Immer und überall war Hillary die wichtigste politische Mitspielerin und manchmal Retterin für Bill, in Little Rock im Staate Arkansas wie in Washington. Immer hatte Hillary überragenden Einfluss und entschied überall mit – was im Weißen Haus der 90er Jahre schon mal Probleme schaffen konnte. Beobachter sprachen am Schluss gar von einer gemeinsamen „Clinton Co-Presidency“. Wenn Hillary jetzt gewinnt, wird Bill eine ähnliche Rolle in ihrem Weißem Haus erwarten. Und Hillary wird ihrem Bill kaum die Teilhabe an einer neuen „Clinton Co-Presidency“ verweigern können.

Historisch gesehen: Wann immer Mr. Clinton nichts zu tun hat, macht er und bekommt er Ärger.

The New York Times

Das sollte sie auch besser nicht, rät The New York Times: „Denn historisch gesehen, wann immer Mr. Clinton nichts zu tun hat, macht er und bekommt er Ärger.“ Was dann unvermeidlich auf Hillarys Präsidentschaft zurückfallen würde. Also noch eine „Clinton Co-Presidency“? „Zwei Präsidenten zum Preis für einen“, witzelten Demokraten im Vorwahlkampf 2008. „Vote Hill, get Bill“ – Hillary wählen, Bill bekommen – stand damals auf Autoaufklebern, die vielleicht auch der politische Gegner verteilt hat. Aber völlig falsch war die Parole 2008 nicht. Und jetzt ist sie wieder aktuell: Wer Hillary wählt, bekommt am 21. Januar 2018 eben auch Bill.