Griechenland am Boden
In diesem Herbst muss Griechenland mit der Troika über die Freigabe der nächsten Rettungstranche verhandeln. Die Ratingagentur Fitch hat eben griechische Staatsanleihen wieder als Ramsch bewertet. Das Land verharrt in der Rezession, die Arbeitslosigkeit sinkt kaum. Eine Pleitewelle fegt durch das Land. Athen setzt vereinbarte oder beschlossene Reformen schlecht oder gar nicht um.
Bilanz

Griechenland am Boden

In diesem Herbst muss Griechenland mit der Troika über die Freigabe der nächsten Rettungstranche verhandeln. Die Ratingagentur Fitch hat eben griechische Staatsanleihen wieder als Ramsch bewertet. Das Land verharrt in der Rezession, die Arbeitslosigkeit sinkt kaum. Eine Pleitewelle fegt durch das Land. Athen setzt vereinbarte oder beschlossene Reformen schlecht oder gar nicht um.

In Griechenland wird dieses Jahr nichts besser: Die Wirtschaftszahlen des Landes bleiben denkbar schlecht, der Reformwille der linksradikalen Syriza-Regierung ist schwach. So die Sicht der New Yorker Ratingagentur Fitch, die Griechenland denn auch wieder die zweitschlechteste Kreditwürdigkeitsnote gibt: CCC – hohes Ausfallrisiko. Schlechter ist nur noch C für Zahlungsverzug oder Insolvenz und D für Zahlungsausfall. Das klingt im Fall Griechenlands unspektakulär, könnte aber politisch brisant werden: Denn demnächst muss die sogenannte Troika − Eurogruppe, Europäische Zentralbank (EZB) und Internationaler Währungsfonds (IWF) – wieder Griechenlands Reformfortschritte überprüfen, bevor sie die dritte Tranche des dritten Griechenland-Rettungspakets (86 Milliarden Euro) freigeben kann. Das wird nicht einfach werden.

Wachstum im Jahr 2018?

Denn Griechenlands Zahlen bleiben im Keller. Zwar konnte Athen 2015 einen Primär-Haushaltsüberschuss − Haushaltssaldo vor Schuldendiensten – von 0,7 Prozent der Wirtschaftskraft vorweisen. Auch das diesjährige Ziel von 0,5 Prozent wird wohl erreicht werden – aber kaum die Primärüberschussziele von 1,75 und 3,5 Prozent für die Jahre 2017 und 2018, so Fitch in seiner zweieinhalbseitigen Rating-Erläuterung vom 2. September. Und trotz bescheidenem Primärüberschuss wird Athen 2016 mit einem Haushaltsdefizit von 4,6 Prozent abschließen (The Economist).

Die Regierung in Athen sitzt auf unbezahlten Rechnungen über sieben Milliarden Euro.

Entsprechend langsam ist Fitch-Angaben zufolge Griechenlands riesige Schuldenlast seit 2014 von 180 auf nun 177 Prozent der Wirtschaftskraft gesunken. Wer genau hinschaut, könnte die Fitch-Rechnung sogar in Zweifel ziehen: Denn die Regierung in Athen zahlt einfach ihre Rechnungen nicht und schiebt sieben Milliarden Euro an Verbindlichkeiten vor sich her (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Dieses Jahr wird Griechenland nicht aus der schon sieben Jahre andauernden Rezession herausfinden, so Fitch. Im ersten Halbjahr 2016 schrumpfte die Wirtschaft um 0,75 Prozent. Für das ganze Jahr rechnet Fitch mit einer Schrumpfung von 0,5 Prozent. Danach könnte eine Wachstumswende kommen: Für 2018 erwartet die Ratingagentur für Griechenland ein Wachstum von 1,8 Prozent. Weil der Ölpreis niedrig ist und weil Kapitalverkehrsbeschränkungen Importe schwer machen, ist Griechenlands Außenhandelsbilanzdefizit seit 2014 von 2,1 auf jetzt 0,1 Prozent gesunken. Noch ein Lichtblick: Die Industrieproduktion steigt.

Höchste Arbeitslosenrate im Euroraum: 23,5 Prozent

Die leicht positive Entwicklung spiegelt sich auch in den Arbeitslosenzahlen wieder: Seit Anfang 2015 ist Griechenlands Arbeitslosigkeit von 25,9 auf 23,5 Prozent in diesem Mai gefallen. Für das Jahr 2018 sieht Fitch sie bei 21,9 Prozent – was dann immer noch die höchste Arbeitslosigkeitsrate der Eurozone bleibt.

Kreditklemme und Pleitewelle

Ein Großproblem bleibt Griechenlands Bankensektor. Zwar habe die Rekapitalisierung der Banken im vergangenen Jahr den Finanzsektor fürs erste stabilisiert. Aber das Vertrauen der Konsumenten und Investoren kehre nur langsam zurück, so Fitch. 2015 hatten Griechenlands Bankkunden ein Viertel aller Bankeinlagen (38 Milliarden Euro) abgezogen. Nur zwei Prozent sind seither wieder zurückgeflossen. Kein Wunder: Die Banken sitzen auf 45 Prozent notleidender Kredite und können oder wollen kein Geld mehr verleihen: Fitch sieht die Kreditquote für dieses Jahr um 2,4 und für 2017 um 1,5 Prozent schrumpfen.

Griechenlands größte Supermarktkette ist bankrott

Griechenlands nun schon jahrelange Kreditklemme hält also an und lähmt die Wirtschaft. Eine „regelrechte Pleitewelle” (Neue Zürcher Zeitung) fegt durch das Land. Im ersten Halbjahr 2016 mussten 15.000 Unternehmen schließen (Frankfurter Allgemeine Zeitung). Ende Juni musste Marinopoulos, Griechenlands größte Supermarktkette mit 823 Filialen Bankrott anmelden: Sie konnte zwei Milliarden Euro Schulden nicht bezahlen (Neue Zürcher Zeitung). 13.000 Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel. Presseberichten zufolge konnte sich Marinopoulos dieser Tage mit seinen Gläubigern auf einen vorläufigen Rettungsplan einigen.

Schleppende Umsetzung der Reformen

Bis 2018 soll Athen sein Haushaltsdefizit von derzeit 4,6 auf 3,0 Prozent senken. Zwei Drittel der dafür benötigten Einsparungen will die Regierung über eine Renten- und Lohnsteuerreform erzielen. Aber Athens Wille, die vom Parlament schon verabschiedeten Maßnahmen tatsächlich wirksam umzusetzen, sei schwach, warnt Fitch. Dass die Syriza-Regierung im Lande dramatisch an Unterstützung verliert, macht es politisch nicht leichter. Auch bei anderen Athener Reformplänen und Versprechen scheitert es an der Umsetzung: 2015 hatte Athen mit den Geldgebern verabredet, aus Privatisierungen 50 Milliarden Euro zu erwirtschaften. Anfang April 2016 hieß es aus Athen: Allenfalls sieben Milliarden Euro an Privatisierungseinnahmen seien realistisch. Tatsächlich realisiert hatte Athen bis dahin Privatisierungen über 2,5 Milliarden Euro. Auch beim Kampf gegen Steuerhinterziehung und beim Eintreiben von 89 Milliarden Euro Steuerschuld kommt Athen nicht voran. Eine moderne und effiziente Verwaltung gibt es noch immer nicht (FAZ).

Vor der nächsten Verhandlungsrunde mit der Troika

Keine guten Voraussetzungen für die anstehende Überprüfung des griechischen Reformfortschritts durch Eurogruppe, EZB und IWF. Erschwerend hinzu kommt ein schwelender Dissens innerhalb der Troika: Der IWF fordert einen Schuldenschnitt für Griechenland, um die Schuldenlast tragfähig zu machen. Brüssel und Berlin lehnen das ab. Die Verhandlungen zwischen Athen und der Troika über die Freigabe der nächsten Rettungskredit-Tranche können sich bis ins kommende Jahr hinziehen. Immerhin: Fitch geht davon aus, dass Athen über genügend Reserven verfügt, um das zu überstehen.

Am Schluss wird die Troika einen gesichtswahrenden Kompromiss formulieren, der es ihr erlaubt, die nächsten Rettungsmilliarden freizugeben − wie immer. Nur: Einer Lösung kommt das Griechenlandproblem dadurch nicht wirklich näher.