Erdogan droht Europa
Ohne Visumsfreiheit kein Flüchtlingsabkommen - mit dieser Ankündigung versucht die Regierung in Ankara, die Europäische Union unter Druck zu setzen. Die EU will den Visumszwang nicht bereits zum Sommer aufheben, vor allem weil die Türkei sich weigert, ihre Antiterrorgesetze zu ändern.
Flüchtlingskrise

Erdogan droht Europa

Ohne Visumsfreiheit kein Flüchtlingsabkommen - mit dieser Ankündigung versucht die Regierung in Ankara, die Europäische Union unter Druck zu setzen. Die EU will den Visumszwang nicht bereits zum Sommer aufheben, vor allem weil die Türkei sich weigert, ihre Antiterrorgesetze zu ändern.

Angesichts scharfer Drohungen aus der Türkei, das Flüchtlingsabkommen platzen zu lassen, geben sich  Politiker in Deutschland und Europa betont ruhig. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ erkennen, sie sei „nicht besorgt“ darüber, dass die Regierung in Ankara Teile des Abkommens zur Flüchtlingskrise möglicherweise nicht wie verabredet umsetzen werde.

Die EU-Kommission machte deutlich, dass sich Europa im Streit um die Aufhebung der Visumpflicht für türkische Staatsbürger nicht erpressen lassen wolle. „Die Umsetzung des Rückübernahmeabkommens zwischen der EU und der Türkei ist eine der Voraussetzungen für die Visaliberalisierung“, teilte ein Sprecher mit. EU-Ratspräsident Donald Tusk sagte beim G7-Gipfel im japanischen Ise-Shima: „Bei unseren Zugeständnissen gibt es klare Grenzen. Mir ist völlig bewusst, dass wir unsere Maßstäbe nicht dem Rest der Welt aufzwingen können, inklusive der Türkei. Aber die anderen können uns ihre Maßstäbe nicht aufzwingen.“

Türkei stellt Flüchtlings-Pakt in Frage

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor einen Bruch der Abmachungen mit der EU angedroht. Ohne Fortschritte im Streit um die Visumfreiheit werde er ein bereits 2013 vereinbartes Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen nicht wie verabredet zum 1. Juni in Kraft treten lassen.

Ein einflussreicher Berater ging kurz darauf sogar noch weiter. Sollte die EU ihr Versprechen zur Visumfreiheit nicht halten, „könnte es sein, dass kein einziges Abkommen zwischen der Türkei und der EU bestehen bleibt, weder das Rücknahmeabkommen noch irgend ein anderes Abkommen“, sagte Yigit Bulut dem Staatssender TRT Haber.

Die EU hatte zuvor deutlich gemacht, dass der angestrebte Termin der Visumfreiheit zum 1. Juli nicht mehr haltbar ist. Hintergrund ist vor allem die Weigerung Erdogans, die Antiterrorgesetze der Türkei zu reformieren.

Aktuelle Rückführungen sind nicht betroffen

Bei der von Erdogan nun infrage gestellten Vereinbarung geht es um das Inkrafttreten eines bereits 2013 ausgehandelten Abkommens zur Rücknahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten. Es sollte eigentlich erst im Oktober 2017 vollständig gelten. Im Zuge der Verhandlungen um ein zügige Visaliberalisierung erklärte sich die Türkei allerdings bereit, es bereits zum 1. Juni 2016 umzusetzen.

Die Flüchtlinge, die bereits jetzt von den griechischen Inseln in die Türkei zurückgebracht werden, betrifft dieses Abkommen nicht. Sie werden auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen Athen und Ankara abgeschoben.