Die EU kritisiert die deutschen Mautpläne. (Bild: Fotolia/Trueffelpix)
Maut-Debatte

Brüssel will Nachbesserungen

Jetzt ist es offiziell: Die EU-Kommission verlangt von Deutschland innerhalb der kommenden zwei Monate Änderungen am Maut-Konzept. Auch gegen Großbritanniens Lkw-Maut leitet Jean-Claude Juncker ein Vertragsverletzungsverfahren ein und fordert Nachbesserungen. Im Vorfeld der Brexit-Abstimmung ist die Entscheidung Wasser auf die Mühlen der Europa-Gegner.

Die EU-Kommission verlangt Änderungen an der deutschen Pkw-Maut. Mit der Zusendung des „Blauen Briefs“ hat die Bundesregierung nun zwei Monate Zeit, um der Kommission ein verändertes Konzept vorzulegen. Wenn die Bundesregierung nicht einlenkt, könnte die EU-Kommission sie im nächsten Schritt vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.

Wir sind gerüstet für die Auseinandersetzungen beim EuGH. Je schneller, umso besser.

Alexander Dobrindt

Nach Auffassung der EU-Kommission diskriminiert die deutsche Maut-Regelung ausländische Autobesitzer. Sie verschickte deshalb nun ein sogenanntes „begründetes Mahnschreiben“ nach Berlin. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt reagierte gelassen. „Wir sind gerüstet für die Auseinandersetzungen beim EuGH. Je schneller, umso besser“, sagte der CSU-Politiker bei einer Stellungnahme in der Bundeshauptstadt. Der Kommission warf Dobrindt eine „Verzögerungstaktik“ vor, die von der Bundesregierung nicht akzeptiert werden könne. Es habe „sehr danach gerochen, eine Entscheidung am Europäischen Gerichtshof zu verzögern und zu verhindern“.

Schon Anfang des Jahres hatte Dobrindt klar gemacht, dass die Bundesregierung auf das Mahnschreiben vorbereitet sei. „Wir scheuen den Weg vor den Europäischen Gerichtshof nicht“, ließ der CSU-Politiker wissen.

Brexit-Debatte Grund für weitere Verzögerung?

Jetzt aber könnte eine andere Baustelle der EU den Maut-Prozess weiter verlangsamen. Denn die Kommission meldet auch an einem weiteren Maut-Konzept in der Union große Bedenken an – und richtet ihren Blick nach Großbritannien. Dort hat die konservative Regierung 2014 eine Straßengebühr für Lkws eingeführt und im Nachhinein die Kfz-Steuer für britische Lastwagenhalter und Spediteure gesenkt. Die EU wittert, ähnlich wie beim deutschen Konzept, eine Diskriminierung von Ausländern. Der logische Schritt: Die Kommission leitete auch gegen Großbritannien ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Und das kommt natürlich zur absoluten Unzeit.

Denn Großbritannien bewegt sich auf entscheidende Wochen zu. Am 23. Juni will Premierminister David Cameron die Briten über einen Verbleib des Königreichs in der EU abstimmen lassen – da käme neuer Ärger aus Brüssel höchst ungelegen. Denn es ist eben dieses „Hineinregieren“ der EU in Dinge, die gerade die Briten als urnationale Aufgabe begreifen, die auf der Insel den EU-Skeptikern in die Karten spielt. Gut möglich also, dass das Anfang des Monats von Juncker angestrebte Verfahren gegen London bis in den Juli hinein verzogen wird. Der nächste reguläre Rat der Staats- und Regierungschefs, der eigentlich am Tag des Referendums hätte stattfinden sollen, wurde beispielsweise auf den 30. Juni vertagt. Ein Vertragsverletzungsverfahren – da sind sich nahezu alle politischen Beobachter einig – gegen ein britisches Gesetz ist so ziemlich das Letzte, was die Befürworter eines Verbleibs Großbritanniens in der EU rund um Premier Cameron jetzt brauchen können.

Juncker „politischer Kommissionschef“ und kein reiner Behördenleiter

Zunächst war darüber spekuliert worden, dass EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker von seiner politischen Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und das Verfahren gegen London auf die lange Bank schieben könnte. Viele Befürworter eines Verbleibs des Königreichs in der EU hatten sogar darauf gehofft – immerhin ist das Schreiben aus Brüssel Wasser auf die Mühlen der Brexit-Fraktion.

Seehofer: „Glaubwürdigkeit der EU bleibt auf der Strecke“

Doch das System in Großbritannien ist offenbar auch noch nicht das Ende der – aus EU-Sicht – streitbaren Maut-Konzepte. Auch in Belgien ist ein vergleichbares Modell in Kraft (die Fahrzeugsteuer wird gesenkt und im Gegenzug eine Lkw-Maut eingeführt), doch daran scheint die EU zumindest bisher keinen Anstoß zu nehmen. Ein Umstand, für den Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer kein Verständnis mehr hat. Im Interview mit dem BAYERNKURIER (hier) sagte der CSU-Chef:

Das ist alles so widersprüchlich, dass es auch für einen normalen Bürger, der sich nicht jeden Tag mit dem EU-Recht befasst, deutlich ersichtlich ist, dass die Glaubwürdigkeit der EU auf der Strecke bleibt.

Und weiter: „Wissen Sie, wenn die EU, damit die Kfz-Halter in Deutschland nicht zusätzlich belastet sind, uns verweigern will, dass wir die Kfz-Steuer hier im Land entsprechend senken, aber gleichzeitig sagt, die Mineralölsteuer könnt ihr senken, oder ihr könnt auch die Pendlerpauschale erhöhen, dann fehlt mir jedes Verständnis dafür. Da geht es dann nur noch um Rechthaberei.“

Ferber rechnet mit Gang vor den Europäischen Gerichtshof

Und auch aus dem Europaparlament kommt Kritik am „Blauen Brief“ für Berlin und London. Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber etwa sagte, die Entscheidung der Kommission habe zunächst einmal „viel zu lange auf sich warten lassen“. Er sei sich allerdings sicher, dass auch diese Stufe des Verfahrens nichts an der Position der Bundesregierung ändern werde.

Letztlich bleibt dann nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof.

Markus Ferber

„Uns geht es darum, alle gerecht an der Finanzierung der Straßen zu beteiligen“, sagte der CSU-Politiker in einer Pressemitteilung. Der deutsche Steuerzahler werde auch weiterhin die große Last der Straßenfinanzierung in Deutschland tragen – die Maut sei nur als Ergänzung vorgesehen. „Diesen ganz entscheidenden Punkt scheint die Kommission nicht verstehen zu wollen. Letztlich bleibt dann nur noch der Gang vor den Europäischen Gerichtshof, um diese unterschiedliche Auffassung zu klären.“