Neue Löcher im Schweizer Zentralmassiv
Per Volksabstimmung beschließen die Schweizer eine zweite Röhre für den Gotthard-Straßentunnel. Umgerechnet 2,5 Milliarden Euro soll das Großprojekt kosten – und im Jahr 2035 fertig sein. Noch gewaltiger: Schon im Juni eröffnet zudem der Gotthard-Basistunnel. Mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt, in dem Teile des Lkw-Straßenverkehrs auf die Schiene verlagert werden sollen.
Verkehr

Neue Löcher im Schweizer Zentralmassiv

Per Volksabstimmung beschließen die Schweizer eine zweite Röhre für den Gotthard-Straßentunnel. Umgerechnet 2,5 Milliarden Euro soll das Großprojekt kosten – und im Jahr 2035 fertig sein. Noch gewaltiger: Schon im Juni eröffnet zudem der Gotthard-Basistunnel. Mit 57 Kilometern der längste Eisenbahntunnel der Welt, in dem Teile des Lkw-Straßenverkehrs auf die Schiene verlagert werden sollen.

Die Schweizer lassen einen weiteren Tunnel durch das Sankt-Gotthard-Massiv bohren. Bei einer Volksabstimmung, die ein wenig im Schatten des umkämpften Plebiszits über die Abschiebung straffällig gewordener Ausländer stand, stimmten die Wähler am vergangenen Wochenende mit 57 Prozent für den Ausbau einer zweiten Röhre für den Gotthard-Straßentunnel. Mit 16,9 Kilometern Länge ist er der längste Autobahntunnel Europas.

Fünfzehn Jahre für die freie Fahrt

Ab dem Jahr 2020 können die Bauarbeiten an dem auf umgerechnet 2,5 Milliarden Euro kalkulierten Projekt beginnen. Zunächst soll der bislang nur als Rettungstunnel gelegte Durchstich parallel zur bereits bestehenden Strecke zur befahrbaren Trasse erweitert werden. Anschließend wird der bereits 1980 eröffnete bisherige Haupttunnel für mehrere Jahre stillgelegt und saniert. So dass ab etwa 2035 beide Röhren nebeneinander betrieben werden können. Der Verkehr von derzeit fünf Millionen Pkw und 900.000 Lkw soll dann in einem der beiden Tunnels in nord-südlicher und im zweiten in entgegengesetzter Richtung laufen.

Relativ niedrig war bei der Abstimmung vom Wochenende der Anteil der Ja-Stimmen mit 53 Prozent im Kanton Uri. Das dortige Parlament hatte sich zuvor zwar für das Infrastrukturvorhaben ausgesprochen, der Regierungsrat (vergleichbar mit dem Kabinett in deutschen Bundesländern) aber dagegen. Der Gotthard-Straßentunnel verläuft zwischen den Orten Göschenen im Kanton Uri und Airolo im Kanton Tessin. Die Tessiner indes stimmten zu 57,8 Prozent mit Ja. Die höchsten Ja-Anteile kamen mit je 68 Prozent aus den deutsch-schweizerischen Kantonen Aargau und Schwyz.

Das neue Verkehrsbauprojekt hat seine Ursachen im erheblichen Sanierungsbedarf für den in die Jahre gekommenen Straßentunnel – und im wachsenden Straßenverkehr innerhalb der Schweiz, der auch auf immer stärkeren Schwerverkehr quer durch Europa zurückgeht. So ziehen die Autobahnverbindungen auf den Nord-Süd-Transitrouten, also etwa zwischen den Containerhäfen in Rotterdam und Hamburg in der Nordsee-Region und den Terminals in Genua am Mittelmeer verstärkt Lkw an. Schon 1994 verankerte das Schweizer Wahlvolk die so genannte „Alpenschutzinitiative“ in der Verfassung, derzufolge die Kapazität der Straßenachsen durch die Alpen nicht erhöht werden darf.

Verlagerung auf die Schiene

Im Juni eröffnet daher zusätzlich der Gotthard-Basistunnel östlich des Straßentunnels. Der Basistunnel ist mit 57 Kilometern Länge der längste Eisenbahntunnel der Welt. Teile des Lastwagen-Verkehrs, der bislang über den Straßentunnel läuft, sollen dort auf die Schiene verlagert werden. Nun streiten sich Experten über die Auswirkungen der gigantischen Bohrprojekte: Bringt der Ausbau unter dem Gotthard tatsächlich Entlastung – oder ziehen größere Kapazitäten immer noch mehr Verkehr an?

In Bayern hat der Gotthard-Bahntunnel jedenfalls Auswirkungen: Die Elektrifizierung der Bahnstrecke München-Lindau wurde erst durch Schweizer Druck und eine finanzielle Beteiligung des Alpenlandes möglich.