Advent, Advent, kein Lichtlein brennt: Geht es nach der EU-Kommission, sind Kerzen tatsächlich feuergefährlich - und führen daher im Endeffekt zum Verbot von Adventskränzen. Bild: Imago/Chromorange
EU-Kommission

Feuer ist feuergefährlich

Die EU-Kommission brütet über einer Kerzenrichtlinie. Die gute Nachricht: Bis zu dieser Weihnacht wird sie damit wohl nicht mehr fertig werden. Die schlechte Nachricht: Die Physik einer brennenden Kerze ist derart furchterregend, dass die Kommission um ein Verbot wohl kaum herum kommen wird. Ein neuer Schildbürgerstreich aus Brüssel.

Wer im Umfeld der Brüsseler Kommission zum Lunch oder zum Dinner geladen wird, darf mit guten Weinen rechnen, zum hors-d’oeuvre einen Weißen aus Burgund, zum Hauptgericht den Roten aus Bordeaux. Wer eine zweite Flasche öffnen möchte, wird nicht auf Widerstand stoßen. So ungefähr darf man sich die Umstände vorstellen, unter denen zwei oder mehr Eurokraten irgendwann einmal aufgefallen sein muss, vielleicht bei Kerzenlicht, dass Feuer feuergefährlich ist. Fast noch schlimmer: Die EU-Kommission wusste das noch gar nicht, was wiederum der Grund dafür ist, dass es dazu bisher keine EU-Richtlinie gibt.

Es gibt keine Entscheidung der EU-Kommission, Kerzen zu regulieren.

EU-Kommission

Noch nicht. Denn die besorgniserregende Erkenntnis hat nun zum Entwurf eines vierseitigen „Beschluss (EU) der Kommission“ geführt, samt ebenfalls vierseitigem Anhang über „Besondere Sicherheitsanforderungen an Kerzen, Kerzenhalter, Kerzenbehälter und Kerzenzubehör“.

Regulierungswahnsinn

Pünktlich zur Adventszeit also eine EU-Kerzenrichtlinie – das allgemeine Gelächter über dies neueste Beispiel für Brüsseler Regulierungseifer war sofort groß. Immerhin hat die Kommission in Brüssel sogleich klargestellt: „Es gibt keine Entscheidung der EU-Kommission, Kerzen zu regulieren.“ Es habe bisher „lediglich technische Beratungen über Sicherheitsmaßnahmen, um den Verbraucher besser vor den Risiken wie Feuer oder gefährlichen chemischen Substanzen zu schützen“ gegeben. „Die Mitgliedsstaaten wurden zu den Sicherheitsmaßnahme für die Sicherheitsanforderungen für Kerzen konsultiert und haben diesen im Oktober einstimmig zugestimmt“, erläutert die Kommission.

Der größere Skandal ist meiner Meinung nach, dass die Bundesregierung im Rat diesem Regulierungswahnsinn schon zugestimmt hat.

Markus Ferber

Mancher Zeitungsleser wird bis jetzt geglaubt haben, die EU und die Regierungen der Mitgliedstaaten hätten im vergangenen Oktober ganz andere Sorgen gehabt als die gemeine Kerze. Wie auch immer, jetzt liegt der Entwurf jedenfalls beim Parlament und den Mitgliedstaaten. Der eigentliche Skandal sei, meint dazu Schwabens Europaabgeordneter Markus Ferber, „dass die Bundesregierung im Rat diesem Regulierungswahnsinn schon zugestimmt hat“.

Rußemission und Hitzeentwicklung

Der Begriff vom Regulierungswahnsinn trifft es. Doch der Beschluss-Entwurf über die Sicherheitsanforderungen lohnt trotzdem die Lektüre. Denn nicht ohne Beklommenheit stellt der Leser fest: Da hat man im Leben schon vor Tausenden Geburtstagskerzen, Adventskränzen oder Christbäumen gestanden oder gesessen und doch noch nie wirklich über die Kerze an sich nachgedacht – über Rußentwicklung, Materialien, Verbrennungshitze und derlei Dinge mehr. Wer es nun endlich tut und vielleicht ein Physikbuch konsultiert, sieht sofort: Die Kommission wird wohl nacharbeiten und präzisieren müssen.

Problem: Da wo die Kerzenflamme am heißesten brennt – bis zu 1400 Grad, ganz außen – sieht man sie gar nicht, mangels Ruß.

So hängt etwa die Rußemission, welche die Kommission „so gering wie möglich“ halten möchte, nicht zuletzt von der Länge des Kerzendochtes ab, den man darum früher mit Dochtscheren kürzte. Ärgerlich: Erst die verbrennenden Rußteilchen lassen die Kerze überhaupt leuchten. „Die Verbrennungsgefahr durch das Berühren der Kerze oder ihres Behälters während oder nach dem Abbrennen muss so gering wie möglich gehalten werden“, fordert die EU-Kommission. Problem: Da wo die Kerzenflamme am heißesten brennt – bis zu 1400 Grad, ganz außen – sieht man sie gar nicht, mangels Ruß. Diese heimtückische Eigenschaft der Kerze macht auch eine weitere Kommissionsforderung problematisch: „Die Flamme darf maximal eine bestimmte Höhe erreichen.“ Wie soll man die Höhe einer Flamme messen, wenn man Teile davon gar nicht sieht? Und was wird mit dem Maßband bei 1400 Grad? Beunruhigende Folgerung: Das sind dann schon zwei Forderungen, die die Kerze nur schwer erfüllen kann. Die Kommission wird da um ein Verbot kaum herumkommen, denkt der erheiterte Leser. Immerhin: Bis zu diesem Advent und zu diesem Weihnachtsfest wird das die Kommissionsbürokratie wohl nicht mehr hinbekommen.

Pech für den Christbaum

„Frei stehende Kerzen oder Kerzen, die mit einem Halter oder Behälter geliefert werden … dürfen nicht umkippen.“ Das leuchtet sofort ein, ebenso wie die weise EU-Forderung, dass Kerzenhalter, Kerzenbehälter und Kerzenzubehör nicht explodieren sollen. Schwieriger ist die Bestimmung, dass die Kerze „den Halter, den Behälter oder das Zubehör in keiner Phase des Abbrandzyklus entzünden“ darf. Klingt vernünftig, könnte aber das Aus für Adventskranz und Christbaum bedeuten. Denn die fallen nach einer Definition des Beschlussentwurfes unter „Dekorationen, die für eine Verwendung in Kombination mit einer Kerze bestimmt sind“. Und sind unglücklicherweise entzündlich und brennbar. Jedenfalls bei falscher Handhabung.

Für die Zwecke dieses Beschlusses bezeichnet der Ausdruck „Kerzenhalter, Kerzenbehälter und Kerzenzubehör” Halter, Behälter, Ständer oder Dekorationen, die für eine Verwendung in Kombination mit einer Kerze bestimmt sind;

Beschluss (EU) der Kommission (Entwurf)

Genau darum verlangt die Kommission auch Warnhinweise, „die für die Verbraucher leicht verständlich sind“ und unter anderem folgende Botschaften vermitteln sollen: „Brennende Kerzen nie unbeaufsichtigt lassen“; „Kerzen nicht auf oder in der Nähe von leicht entflammbaren Gegenständen abbrennen.“ Völlig richtig wäre aber auch folgender Gedanke: Konsumenten, die über brennenden Kerzen einschlafen oder den Christbaum direkt neben der Gardine aufstellen – die wird auch der eifrigste Verbraucherschutz-Kommissar nicht schützen können.